TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 S4 315634-2/2009

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Veröffentlicht am 09.03.2009
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Spruch

S4 315.634-2/2009/2E

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des S. M., StA. von Russland, vertreten durch Mag. Judith Ruderstaller, p.A. Asyl in Not, Währingerstraße 59/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9.2.2009, Zahl 09 00.723-EAST Ost, gemäß zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gem. § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist am 25.6.2007 von Grosny über die Ukraine und Weißrussland illegal nach Polen eingereist, wo er am 28.6.2007 einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 29). Er ist sodann am 4.10.2007 nach Österreich weitergereist, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

 

Mit E-mail vom 8.10.2007 (via DubliNet) ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 12.10.2007, datiert 11.10.2007, (Aktenseite 15 des Dublin-Aktes, der zwischen AS 75 und AS 77 des 1. Verwaltungsaktes eingebunden ist), bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen.

 

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde in der Folge mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.10.2007, Zl. 07 09.269-EAST Ost, gem. § 5 AsylG zurückgewiesen und die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 15.11.2007, Zl. 315.634-1/2E-XVII/55/07, abgewiesen und der Antragsteller unter einem nach Polen ausgewiesen.

 

Diese Entscheidung wurde dem Asylwerber als Empfänger durch Hinterlegung im Akt gem. § 23 Abs. 2 ZustellG rechtswirksam zugestellt (AS 235). Gleichzeitig wurde diese Entscheidung seiner Vertreterin C. P. mittels RSa-Sendung und eigenhändiger Übernahme am 19.11.2007 zugestellt (vgl. RSa-Rückschein im Akt des vormaligen Unabhängigen Bundesasylsenates zu Zahl 315.634-1/1-XVII/55/07).

 

Mit Fax vom 5.1.2007 wurde Polen gem. Art. 9 Abs. 1 u. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission (Durchführungsverordnung, DVO) mitgeteilt, dass der Asylwerber flüchtig ist (vgl. Dublinakt des 2. Verwaltungsaktes). Demgemäß verlängerte sich gem. Art. 20 Abs. 2 letzter Satz Dublin II VO die Überstellungsfrist von 6 Monaten auf 18 Monate, sohin bis 12.4.2009.

 

Mit Beschluss vom 3.12.2008, Zl. 2008/19/0081-4, lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 15.11.2007, Zl. 315.634-1/2E-XVII/55/07, eingebrachten Bescheidbeschwerde ab.

 

Am 20.1.2009 stellte der Asylwerber den zweiten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 21.1.2009 (AS 50f) nach Vorhalt der rechtskräftigen Beendigung seines ersten Asylverfahrens und der Zuständigkeit Polens für sein Asylverfahren, damit, dass

 

er nicht nach Polen zurückkehren könne, da dort sein Leben in Gefahr sei, weil Polen mit Russland zusammenarbeite. Er werde vom Verein Ute Bock betreut, man habe ihm gesagt, dass er fünfmal einen Asylantrag stellen könne, deshalb nehme er sein Recht in Anspruch.

 

Im Zuge seiner weiteren Einvernahme am 27.1.2009 erklärte er, dass er nicht nach Polen abgeschoben werden könne, wenn er hier einen Antrag gestellt habe, der noch nicht entschieden worden sei. Er kenne tausende Leute, die in Polen aufgenommen worden seien, aber nach Österreich gekommen seien und hier Asyl erhalten hätten. In Polen könnte er getötet werden, außerdem seien alle Angaben, die er hier mache, für alle zugänglich und gelangten diese auch bis nach Russland.

 

Am 6.2.2009 behauptete der Asylwerber anlässlich einer neuerlichen Einvernahme weiters, dass er in Polen Probleme wegen eines Cousins habe. Leute, die seinem Cousin im Heimatland Probleme gemacht hätten, seien auch in Polen aufhältig und diese wüssten, dass er und sein Cousin verwandt seien. Er wisse aber nicht, wer diese Leute seien.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9.2.2009, Zl. 09 00.723-EAST Ost, wurde dieser zweite Asylantrag gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diese Entscheidung erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde und machte hiebei im Wesentlichen geltend, dass

 

er vor einigen Monaten via Internet Kontakt zu seinem Cousin L. gehabt habe. Bei einem Anruf habe ihm dieser Cousin mitgeteilt, dass er (der Asylwerber) gesucht werde und weder nach Russland noch nach Polen kommen solle. Es liege daher im Vergleich zum Erstverfahren ein geänderter Sachverhalt vor. Weiters sei keine psychologische Untersuchung vorgenommen worden und habe er große Angst vor einer Abschiebung nach Polen, sodass er schon an Selbstmord gedacht habe. Er sei in psychiatrischer Behandlung und nehme Tabletten. Schließlich sei im Erstverfahren der Bescheid des UBAS vom 15.11.2007 nicht korrekt zugestellt worden, da er damals von seiner Tante vertreten worden sei und der Bescheid ihm selbst durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden sei. Da somit aufgrund mangelnder Zustellung an seine damalige Vertreterin das Verfahren noch nicht beendet sei, könne auch nunmehr keine entschiedene Sache vorliegen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

1.) Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c AsylG hat daher der Asylgerichtshof gegenständliches Verfahren durch Einzelrichter zu entscheiden.

 

"Prozessgegenstand" der Berufungsentscheidung ist die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (VwGH 18.01.1990, 89/09/0093). Hat die Unterbehörde in ihrem Bescheid über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens gar nicht abgesprochen, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Entscheidung (hier:

Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG) getroffen, dann ist es der Berufungsbehörde verwehrt, erstmals - unter Übergehen einer Instanz - den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen. Vielmehr bildet in solchen Fällen nur die betreffende verfahrensrechtliche Frage (hier: Frage der Rechtmäßigkeit der auf § 68 Abs. 1 AVG gestützten Zurückweisung des Antrages) die in Betracht kommende Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG.

 

Entschiedene Sache liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sich gegenüber dem früherem Bescheid weder die Rechtslage noch der Sachverhalt

 

wesentlich geändert haben (VwGH vom 21.03.1985, 83/06/0023, VwGH vom 16.4.1985, 84/05/0191; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes 5, 621 mit weiteren Hinweisen).Von einer Identität der Sache kann nur gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und andererseits sich

 

das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH vom 30.1.1968, 908/67, VwGH vom 17.2.1981, 1087/80, VwGH vom 23.10.1986, 86/02/0117; Hauer-Leukauf, a.a.O.)

 

Verschiedene Sachen im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dagegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (VwGH 10.06.1998, Zahl: 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen.

 

Es kann jedoch nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (VwGH 24.03.1993, Zahl: 92/12/0149).

 

Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Generell ist zur Glaubwürdigkeit von Angaben und Behauptungen im Asylverfahren auszuführen, dass diese grundsätzlich nur dann als glaubhaft qualifiziert werden können, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Asylwerber sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen.

 

Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.

 

Ein "glaubhafter Kern" im Sinne des oben Gesagten liegt sohin nicht schon dann vor, wenn Neuerungen bloß lapidar in den Raum gestellt werden, sondern muss das neue Vorbringen eine gewisse Dichte an Sachverhaltssubstrat aufweisen, insbesondere etwa eine ausreichende Detailliertheit in der Darlegung der neuen Umstände, sodass der neu behauptete Sachverhalt als stimmiges Ganzes konkret nachvollzogen werden kann.

 

Mit dem nur vagen und unkonkreten Vorbringen, dass in Polen viele Tschetschenen aufhältig seien und er dort getötet werden könnte, sowie dass letztlich unbekannte Leute in Polen aufhältig seien, die seinem Cousin und deshalb auch ihm selbst Probleme machen würden, ist ein glaubhafter Kern eines Vorbringens nicht dargetan worden. Der Asylwerber konnte trotz Vorhalt, dass er mit diesen unkonkreten Angaben "kaum etwas gewinnen könne" (AS 87), keine konkreten Angaben zu einer drohenden Gefährdung seiner Person machen, sondern verblieb lediglich bei der oberflächlich in den Raum gestellten Mutmaßung, dass er in Polen getötet oder vielleicht verprügelt und gefoltert werden könnte, er wisse nicht wer die Leute seien, die ihm Probleme machen würden. Damit ist die für einen glaubhaften Kern eines Vorbringens geforderte Dichte an Sachverhaltssubstrat bei Weitem nicht gegeben.

 

Zudem ist auszuführen, dass der Asylwerber mit diesem bloß unkonkreten Vorbringen, dass er seitens Unbekannter Probleme erwarte, kein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK für den Fall seiner Überstellung darzutun vermag. Überdies wäre Polen als Mitgliedstaat der EU selbstverständlich in der Lage und willens, dem Asylwerber vor allfälligen Übergriffen Privater effektiv Schutz zu bieten.

 

Soweit der Asylwerber geltend macht, dass er große Angst vor einer Abschiebung nach Polen habe, er schon an Selbstmord gedacht habe und er wegen seines psychischen Zustandes Tabletten nehme, ist ihm die diesbezüglich strenge Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK und der Zulässigkeit von Abschiebungen entgegenzuhalten:

 

So präzisiert die Rechtsprechung des EGMR zB in PARAMASOTHY vs. Netherlands, 10.11.2005, Nr. 14492/03, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach 9jährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden.

 

Ähnlich die Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI vs. Netherlands vom 10.11.2005, Nr. 35989/03 wonach die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt wurde, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

 

In der Beschwerdesache OVDIENKO vs. Finland, 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes ¿real risk'."

 

Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur stellt die Abschiebungsdrohung nach Polen kein "real risk" iSd Art. 3 EMRK dar.

 

Eine wesentliche Sachverhaltsänderung im Hinblick auf die Beurteilung, ob gem. dem Zuständigkeitssystem der Dublin II VO Polen zur Prüfung des Asylantrages des Asylwerbers zuständig ist oder aber Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hätte, liegt demnach in keinster Weise vor.

 

Letztlich kann auch dem Einwand der mangelhaften Zustellung des Bescheides des UBAS vom 15.11.2007 im Erstverfahren nicht gefolgt werden, da dieser Bescheid sehr wohl der Tante des Asylwerbers als dessen gewillkürter Vertreterin - wie bereits oben ausgeführt - mittels RSa-Sendung und eigenhändiger Übernahme am 19.11.2007 (vgl. RSa-Rückschein im Akt des vormaligen Unabhängigen Bundesasylsenates zu Zahl 315.634-1/1-XVII/55/07). zugestellt wurde.

 

Das Bundesasylamt hat somit den neuerlichen Asylantrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurück gewiesen.

 

2.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Das Asylverfahren ist, wie sich aus dem vorangehenden Entscheidungsteil ergibt, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Es liegt kein Aufenthaltstitel, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz gegeben ist, vor. Es liegt auch kein sonstiger Aufenthaltstitel vor und ergibt sich somit der rechtswidrige Aufenthalt des Fremden. Zur Beendigung dieses rechtswidrigen Aufenthaltes ist daher grundsätzlich eine Ausweisung geboten. Bei der Setzung einer solchen Aufenthalts beendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Da der Asylwerber das Bestehen derartiger verwandtschaftlicher Verhältnisse in Österreich verneint hat (keine Familienangehörigen AS 21, 23), ist im Falle seiner Ausweisung nicht von einem unzulässigen Eingriff in sein Familienleben auszugehen.

 

Der durch die normierte Ausweisung des Asylwerbers aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist weiters durch ein deutliches Überwiegen des öffentlichen Interesses am Vollzug der Dublin II VO im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:

 

Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war nur ein vorläufiger und überdies lediglich aufgrund zu Unrecht gestellter Asyl(folge)anträge bedingt, sodass das Gewicht seines etwa 1 1/2 -jährigen Aufenthaltes in Österreich gemindert ist. Dem entgegen stehende Umstände, die eine besondere Integration des Asylwerbers nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der mit seiner Ausweisung verbundene Eingriff in sein Privatleben zulässig ist. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall somit ebenfalls zuzustimmen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
20.05.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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