TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 S11 404680-1/2009

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Veröffentlicht am 09.03.2009
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Spruch

S11 404680-1/2009/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde des M. U., StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag. Judith RUDERSTALLER, pgegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.02.2009, FZ. 08 13.348-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Der Beschwerdeführer reiste am 31.12.2008 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes fand eine Erstbefragung sowie am 04.02.2009 eine Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor dem Bundesasylamt in Gegenwart eines Rechtsberaters und nach erfolgter Rechtsberatung statt.

 

Am 09.01.2009 richtete das Bundesasylamt aufgrund eines EURODAC-Treffers vom 17.11.2008 an Polen ein Ersuchen um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde.

 

Am 12.01.2009 bestätigte der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG vom 11.01.2009, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Polen seit dem 09.01.2009 geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde dem Beschwerdeführer sohin innerhalb der 20-Tagesfrist nach der Antragseinbringung, übermittelt.

 

Die gutachterliche Stellungnahme vom 21.01.2009 stellt nachvollziehbar und in sich logisch die psychosomatische als auch psychische Verfassung des Beschwerdeführers dar und geht davon aus, dass zwar eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliegt (entweder eine Anpassungsstörung oder eine milde PTSD ohne typische spezifische Symptome einer schweren Belastungsstörung), jedoch weder therapeutische noch medizinische Maßnahmen zwingend erforderlich sind. Hinsichtlich der Frage, welche Auswirkungen eine Überstellung auf den psychischen und physischen Zustand haben könnte, wurde mitgeteilt, dass erfahrungsgemäß bei unerwünschten Überstellungen es zu einer zumindest vorübergehenden Verschlechterung kommen kann (vgl. AS 67ff).

 

Mit Schreiben vom 12.01.2009, eingelangt beim Bundesasylamt am 13.01.2009, stimmten die polnischen Behörden der Übernahme des Beschwerdeführers zur Prüfung seines Asylantrags gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-Verordnung zu.

 

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor:

 

Der Beschwerdeführer habe seine Heimat am 12. oder 13.11.2008 verlassen und sei mit einem PKW nach Brest / Weißrussland gefahren. Mit einer Lokalbahn sei der er dann von Brest nach Terespol gefahren, wo er im Zug von polnischen Beamten kontrolliert und zum Polizeirevier mitgenommen worden sei. Dort seien ihm seine Fingerabdrücke abgenommen worden und er musste einen Asylantrag stellen. Als er das Polizeirevier verlassen hätte, hätte er einen Russen getroffen, der dem Beschwerdeführer eine Wohnung in Wahrschau angeboten hätte. Vier Tage nach seiner Einreise in Polen hätte der Beschwerdeführer seinen Asylantrag zurückgezogen und hätte daraufhin seinen Auslandsreisepass zurückbekommen. Er sei dann noch einige Zeit in der Wohnung von dem Russen geblieben, während ein Schlepper für ihn die Reise nach Österreich organisierte. Mit einem LKW sei der Beschwerdeführer am 31.12.2008 nach Wien gekommen. Hinsichtlich seines Gesundheitszustandes befragt, gab der Beschwerdeführer an, Rücken, Kopf- und Brustschmerzen zu haben (siehe Verwaltungsakt S 97). Es wäre bereits bei einer Untersuchung gewesen und hätte eine Salbe und Tabletten verschrieben bekommen. Auf die Frage, was der Arzt diagnostiziert hätte, gab der Beschwerdeführer an, "Gar nichts, er hat nur Medikamente geschrieben.". Die Wirkstoffe der Medikamente seien gegen Schmerzen und für die Beruhigung. Auch sei der Beschwerdeführer früher schon mal in seiner Heimat behandelt worden wegen dieser Schmerzen, dabei hätte er Tabletten und Flüssigkeiten zum Trinken erhalten. In Polen hätte er sich nicht behandeln lassen, er dachte, dass er hier behandelt werde. Befragt warum er Polen verlassen habe, gab der Beschwerdeführer an, junge Landsleute hätten ihm erzählt, dass es sehr gefährlich ist und deswegen sei er weiter gereist. Vorfall hätte es jedoch keinen gegeben. Hinsichtlich seiner familiären Situation gab der Beschwerdeführer an, eine Tante in Österreich zu haben, diese hätte er jedoch das letzte Mal vor 5 Jahren - vor ihrer Ausreise - gesehen.

 

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 04.02.2009, vom Beschwerdeführer am 09.02.2009 persönlich übernommen, Zahl: 08 13.348-EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-Verordnung Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und demzufolge gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen zulässig sei.

 

Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid Feststellungen zur Person des Asylwerbers, zur Begründung des Dublin-Tatbestandes und zum Privat- und Familienleben des Asylwerbers als auch zur Lage im Mitgliedstaat (Polen).

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht - einlangend am 23.02.2009 - Beschwerde erhoben. In der Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass aufgrund seines Gesundheitszustandes unzureichend ermittelt worden wäre und so eine eventuelle wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Fall seiner Abschiebung nach Polen nicht ausgeschlossen werden können. Weiters habe das Bundesasylamt unzureichend ermittelt, zumal sie, obwohl sie das vom Beschwerdeführer vorgelegte Schriftstück nicht lesen konnten, nicht von einer Krankheit von lebensbedrohlichem Charakter ausgegangen sind. Er sei in seiner Heimat fast drei Wochen im Spital gelegen und die Behörde hätte diesen Umstand in ihrer Beweiswürdigung überhaupt nicht beachtet. Darüber hinaus stehe aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme vom 21.01.2009 fest, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und dies zusätzlich zu seinen chronischen Kopf-, Brust- und Rückenschmerzen. Darüber hinaus wäre in Polen die medizinische Versorgung kaum gewährleistet bzw. in den Anhaltezentren sehr schlecht. Weiters sei seine Tante als Familienmitglied iSd Art. 8 EMRK zu werten, zumal auch nicht verheiratete Partner nach dem Begriff des Familienangehörigen gem. Art. 2 lit. leg cit erfasst wären.

 

4. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 26.02.2009 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in den jeweilig geltenden Fassungen nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden.

 

Die Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 beziehungsweise 14 und Art. 15 Dublin II-Verordnung, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-Verordnung zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Das aufgrund des Vorliegens eines EURODAC-Treffers eingeleitete Wiederaufnahmeersuchen an Polen erfolgte innerhalb der Frist von drei Monaten nach Einreichung des Asylantrages durch den Beschwerdeführer (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung).

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt zutreffend festgestellt, dass eine Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-Verordnung besteht. Eine ausdrückliche Zustimmung vom 12.01.2009 zur Aufnahme des Beschwerdeführers durch die polnischen Behörden liegt vor. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-Verordnung erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-Verordnung). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/ Liebminger, Dublin II-Verordnung, K13. zu Art 19 Dublin II-Verordnung).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II-Verordnung, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-Verordnung), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-Verordnung umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschafts-rechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Zum Familienbegriff im Sinne des Art. 8 EMRK ist zunächst auf nachstehende relevante Judikatur zu verweisen:

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Im konkreten Fall lebt laut eigenen Angaben des Beschwerdeführers seine Tante in Österreich. Diese hat er jedoch - eigenen Angaben zur Folge - seit ihrer Ausreise vor 5 Jahren nicht mehr gesehen. Auch irrt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde, dass eine Tante per se als Familienmitglied iSd Art. 8 EMRK zu qualifizieren sei.

 

Das Vorliegen eines iSd Art. 8 EMRK relevanten, tatsächlichen und hinreichend intensiven Familienlebens bzw. eines relevantes Abhängigkeitsverhältnisses wurde vom Beschwerdeführer nicht dargelegt, es ergaben sich auch keine Anhaltspunkte aus dem Akt, es war daher auch nicht davon auszugehen.

 

Da auch sonst im Verfahren keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich hervorgekommen sind (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11), ist daher im Ergebnis den Feststellungen der Erstbehörde zu folgen, wonach der Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Polen in seinem durch Art. 8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht verletzt würde.

 

2.1.2.2. Mangelhaftigkeit des Asylverfahrens in Österreich, zumal der Beschwerdeführer aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht nach Polen überstellt werden dürfe

 

In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass die Behörde hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers unzureichend ermittelt hätte und so eine eventuelle wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Fall seiner Abschiebung nach Polen nicht ausgeschlossen werden könne. Weiters habe das Bundesasylamt unzureichend ermittelt, zumal die Behörde - obwohl sie das vom Beschwerdeführer vorgelegte Schriftstück - nicht lesen konnten, nicht von einer Krankheit von lebensbedrohlichem Charakter ausgegangen sind. Er sei in seiner Heimat fast drei Wochen im Spital gelegen und die Behörde hätte diesen Umstand in ihrer Beweiswürdigung überhaupt nicht beachtet. Darüber hinaus stehe aufgrund der gutachterlichen Stellungnahme vom 21.01.2009 fest, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und dies zusätzlich zu seinen chronischen Kopf-, Brust- und Rückenschmerzen. Darüber hinaus wäre in Polen die medizinische Versorgung kaum gewährleistet bzw. in den Anhaltezentren sehr schlecht.

 

Das Bundesasylamt hat nachvollziehbar und ausreichend dargelegt, dass (zweifelsfrei) eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung anhand der vorliegenden gutachterlichen Stellungnahme belegt wurde, zumal eine Anpassungsstörung sowie eine milde posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde. Jedoch hat die behandelnde Ärztin auch festgestellt, dass einer Überstellung/Abschiebung nach Polen nichts im Wege steht. Das Beschwerdevorbringen hinsichtlich einer eventuellen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im Falle einer Abschiebung ist vom Antragssteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend (siehe hierzu näher unten zum Fall OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04).

 

Auch hat das Bundesasylamt einwandfrei dargelegt, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Kopf-, Brust- und Rückenschmerzen keine näheren Angaben über die Art der Erkrankung machen und bezüglich des von ihm vorgelegten unleserlichen ärztlichen Schriftstückes selbst nicht wusste, welche Krankheit in seinem Heimatland diagnostiziert wurden. Dass nicht von einer Krankheit mit lebensbedrohlichem Charakter ausgegangen werden kann, begründete die Erstinstanz damit, dass bei dem Beschwerdeführer lediglich eine medikamentöse Behandlung durchgeführt wurde und er in Polen diesbezüglich keine ärztliche Behandlung benötigte. Darüber hinaus wurden - selbst nach einer Untersuchung in der hsg. Arztstation - dem Beschwerdeführer lediglich Schmerztabletten- und Beruhigungstabletten verordnet. Aufgrund dieser Erwägungen war für das Bundesasylamt vielmehr offensichtlich, dass die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte gesundheitliche Beeinträchtigung keinesfalls so schwerwiegend sein könne, dass eine Überstellung nach Polen unmöglich wäre. Zum Beschwerdevorbringen, dass das Bundesasylamt den Krankenhausaufenthalt des Beschwerdeführers nicht gewürdigt hätte, ist richtig zu stellen, dass sich das vorgelegte unleserliche Schriftstück - welches vom Bundesasylamt in einer Gesamtschau ausreichend beurteilt wurde - eben auf diesen Krankenhausaufenthalt bezogen hat, wobei der Beschwerdeführer zur Behandlungsart befragt wörtlich selbst angab, "Tabletten und Flüssigkeiten zum Trinken.".

 

Auch wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer bereits die Reise von Weißrussland nach Polen und anschließend weiter nach Wien aus eigener Kraft und auf sich allein gestellt bewältigen konnte. Daher ist nicht nachvollziehbar, warum nun eine organisierte Rücküberstellung nach Polen dem Beschwerdeführer aufgrund der gleichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nun nicht mehr zumutbar sein solle. Das Beschwerdevorbringen konnte sohin eine Mangelhaftigkeit des Asylverfahrens nicht belegen.

 

2.1.2.3. Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nicht ausreichend substantiiert und glaubhaft darlegen können, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - reale Gefahr einer Art. 3 EMRK widrigen Behandlung drohen würde.

 

Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Polen

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Bezüglich des Befundes, wonach der Beschwerdeführer an entweder einer Anpassungsstörung, ev. such mit Somatisierungstendenz, oder aber an einer milden PTSD ohne wirklich typische spezifische Symptome einer schweren Belastungsstörung leide, wurde auch dargelegt, dass der Beschwerdeführer "jedenfalls nicht schwer erkrankt ist" zumal auch einige Stärken vorliegen, der Beschwerdeführer ist auch im positiven ausreichend affizierbar. Therapeutische und medizinische Maßnahmen sind ebenfalls derzeit nicht zwingend erforderlich.

 

Akut existenzbedrohende bzw. aktuell lebensgefährdende Krankheitszustände oder konkrete Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung des Krankheitszustandes im Falle einer Überstellung nach Polen sind - betreffend den Beschwerdeführer - sohin nicht zu entnehmen. Auch konnte vom Beschwerdeführer keine Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Asylgerichthofes belegt werden. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand des Beschwerdeführers ersichtlich.

 

Des Weiteren ist auf die Feststellungen des Bundesasylamtes zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen. In diesem Zusammenhang überzeugen die Ausführungen in der Beschwerde nicht, die sich im Wesentlichen auf die bloße Behauptung beschränken, in Polen könne der Beschwerdeführer keine geeignete Behandlung erhalten. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der medizinischen Versorgung in Polen (wie in vielen anderen Staaten) Verbesserungsbedarf gibt, dies tangiert jedoch nicht per se den Schutzbereich des Art. 3 EMRK. Zuletzt sei noch erwähnt, dass der Beschwerdeführer auch nicht behauptete, dass ihm in Polen generell medizinische Behandlung verweigert worden sei.

 

Zur Frage der ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten traumatisierter AsylwerberInnen in Polen ist im Bescheid des Bundesasylamtes eine Stellungnahme von UNHCR (Juli 2007) angeführt, die insbesondere in Verbund mit dem ebenso zitierten Bericht der Steiermärkischen Landesregierung über die Situation im Flüchtlingslager Debak aus Juni 2007 sehr wohl den Schluss zulässt, dass auch eine psychologische Versorgung besteht, die jedenfalls im Lichte der Judikatur des EGMR zu Krankheiten eine existenzbedrohende Gefährdung von psychisch kranken Personen qualifiziert unwahrscheinlich erscheinen lässt.

 

Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass die Berichte von UNHCR über die Situation in den Aufnahmezentren in Polen in gewissen Punkten Verbesserungsmöglichkeiten bei der Versorgung von Asylwerbern aufzeigen, jedoch erreichen die dargestellten Probleme jedenfalls nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK im Sinne der Judikatur des EGMR. Da das Asylverfahren des Beschwerdeführers in Polen offen ist, besteht auch kein Anlass, anzunehmen, dass der Beschwerdeführer in das Anhaltezentrum Lesznolova überstellt wird, sodass sich die im Bescheid des UBAS vom 23.02.2007 (308.595-C1/15E-XV/53/07) diesbezüglich erörterte zusätzliche Prüfverpflichtung (im Zusammenhang mit dem sich im Anhaltezentrum Lesznolova ereignet habenden Einzelfall des Isa Abubakarow - hinsichtlich der dortigen (medizinischen) Betreuung jedenfalls hier nicht stellt.

 

Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Spruchpunkt II:

 

Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Polen in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, medizinische Versorgung, real risk, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
20.05.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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