TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/15 99/20/0352

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Veröffentlicht am 15.03.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4;
AVG §67d Abs1;
AVG §67d Abs3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/20/0351 E 29. März 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Mai 1999, Zl. 208.615/0-VIII/24/99, betreffend Asylgewährung (mitbeteiligte Partei: Y alias Y A, geboren 1979, letzte bekannte Adresse: I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger des Iran, reiste am 23. Februar 1999 in das Bundesgebiet ein und stellte am 24. Februar 1999 einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. März 1999 gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG), als unzulässig zurückgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Mitbeteiligte über Slowenien eingereist sei und bereits dort vor Verfolgung sicher gewesen sei. Slowenien habe am 25. Juni 1991 die Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) und am 29. Juni 1994 die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) einschließlich des 6. Zusatzprotokolles ratifiziert und eine Erklärung nach Art. 25 EMRK abgegeben. In Slowenien bestehe gesetzlich ein Asylverfahren nach den Grundsätzen der FlKonv, deren Flüchtlingsbegriff ins Asylgesetz übernommen worden sei, in welchem auch eine Refoulementprüfung im Sinne des Art. 33 FlKonv innerstaatlich verankert sei. Nach § 37 des Slowenischen Fremdengesetzes sei ein Asylantrag innerhalb von drei Tagen nach Einreise in das Slowenische Staatsgebiet zu stellen. Eine Anfrage an das Regionalbüro des UNHCR in Wien habe ergeben, dass diese 3-Tages-Frist bei jeder neuerlichen Einreise neu zu laufen beginne und im Falle einer Rück- bzw. Abschiebung eines Asylwerbers nach Slowenien innerhalb von drei Tagen die Stellung eines Asylantrages möglich sei. Innerhalb der letzten beiden Jahre sei vom UNHCR kein Fall dokumentiert worden, der geeignet gewesen wäre, begründete Zweifel daran zu hegen, dass Slowenien seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen würde. Vielmehr habe UNHCR die gemeinsam mit der Slowenischen Regierung vorgenommene Arbeit an den neuen asylgesetzlichen Vorhaben als gute Zusammenarbeit bezeichnet und könne auch den diesbezüglichen UNHCR-Berichten nichts Gegenteiliges entnommen werden. Asylsuchende, die meist auf der Basis von Rücknahmeübereinkommen nach Slowenien geschickt würden, könnten grundsätzlich in Slowenien wieder einreisen. Diese Abkommen sähen keine formale Benachrichtigung der Slowenischen Behörden vor, dass eine zurückgeschobene Person in einem anderen Land Asyl beantragt habe und ihr Antrag nicht auf seine Stichhaltigkeit überprüft worden sei. Asylwerber seien während der Dauer des Asylverfahrens zum Aufenthalt in Slowenien berechtigt. Für den Fall einer Bedrohung des Asylwerbers im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 FrG 1997 in seinem Herkunftsstaat sehe das Slowenische Fremdengesetz auch einen Schutz vor Abschiebung nach einer Refoulementprüfung vor. Slowenien sei daher als sicherer Drittstaat im Sinne des § 4 Abs. 1 und 3 AsylG zu bezeichnen.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung, in der er neben verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 4 AsylG unter anderem geltend machte, das bloße Vorhandensein von Rechtsgrundlagen für einen rechtmäßigen Aufenthalt des Asylwerbers im Drittstaat reiche nicht aus; es müsse auch die konkrete Verwaltungspraxis eines Staates eine solche sein, dass die rein rechtlich gegebenen Schutzmechanismen mit zumutbaren Mitteln durchgesetzt werden könnten. Nach einer Stellungnahme des UNHCR vom November 1998 habe Slowenien mit 19 Ländern (darunter Österreich) Rücknahmeabkommen unterzeichnet; diese Abkommen gingen nicht näher auf die spezielle Situation von Asylsuchenden ein und gewährleisteten auch nicht den Zugang zum Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Mit Unterstützung des UNHCR habe die Republik Slowenien einen Entwurf für ein neues umfassendes Asylgesetz ausgearbeitet, welches insgesamt dem internationalen und dem europäischen Flüchtlingsrecht entspreche. Das Gesetz solle nächstes Jahr beschlossen werden und bedeute eine komplette institutionelle und strukturelle Reform des derzeitigen Asylsystems.

Daraus ergebe sich nach der Ansicht des Mitbeteiligten aber, dass das neue Gesetz noch gar nicht beschlossen sei und der Bescheid, insofern er von einer "Asylrechtslage" ausgehe, irreführend sei. Das Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sei derzeit nämlich durch das Fremdengesetz 1991 geregelt, wonach der Asylsuchende innerhalb von drei Tagen nach seiner Ankunft persönlich in einem Polizeikommissariat den Flüchtlingsstatus beantragen müsse. Insgesamt habe Slowenien seit 1991 lediglich drei (!!) Asylwerbern (bei insgesamt 300 Anträgen) den Flüchtlingsstatus zuerkannt. Der UNHCR betone weiters die Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren, weil sich die Polizeibeamten über die Folgen einer verspäteten Einbringung eines Antrages für einen Asylsuchenden nicht im Klaren seien, den Betreffenden nicht umfassend informierten und/oder den Asylantrag nicht entgegennähmen. Dem UNHCR-Büro in Slowenien seien viele Fälle bekannt, in denen Asylsuchende von einer Stelle zur anderen geschickt und falsch informiert worden seien, wodurch die 3-Tages-Frist ungenutzt verstrichen sei. Für Personen, die auf Grund eines Rücknahmeabkommens mit einem anderen Land zurückgeschickt würden und immer dann, wenn die Slowenischen Behörden nicht über den spezifischen Status der zurückgeschickten Personen informiert würden, sei mit einem noch schwierigeren Zugang zum Verfahren zu rechnen. Spreche der Asylsuchende eine der behördlicherseits bekannten Sprachen, so könne er möglicherweise sein Bedürfnis nach Schutz in Slowenien artikulieren und sich damit, wenn er bei der Schilderung seiner Furcht vor Verfolgung große Überzeugungskraft aufbringe, Zugang zum Asylverfahren verschaffen. Wenn der Asylwerber keiner dieser Sprachen mächtig sei und/oder es ihm nicht gelinge, die Grenzpolizei von seinem Schutzbedürfnis zu überzeugen, werde er wie jeder andere Ausländer behandelt, der sich eines leichten Vergehens schuldig gemacht habe. Wenn er aus einem Land oder über ein Land komme, mit dem ein Rücknahmeabkommen bestehe, werde er möglicherweise diesem Abkommen gemäß zurückgeschickt. Wenn das nicht möglich sei, werde er von einem Richter für Bagatellfälle verurteilt und es werde ein Abschiebebefehl erlassen. Dem UNHCR seien auch Beispiele bekannt, in denen Richter für Bagatellfälle den Asylsuchenden in ungenügender Kenntnis des Asylverfahrens dahingehend informiert hätten, dass er in Slowenien nicht um Asyl ansuchen oder dass dieser Antrag nur in Ljubljana gestellt werden könne (was in der Praxis bedeute, dass die 3-Tages-Frist vor Ankunft des Asylsuchenden in Ljubljana schon abgelaufen sei).

Es bestehe ein chronischer Mangel an Dolmetschern und eine Reihe von Gerichtsverfahren werde ohne entsprechende Übersetzung abgewickelt. Die Behörde I. Instanz habe selbst festgestellt, dass die Rücknahmeübereinkommen "keine formale Benachrichtigung der slowenischen Behörden" darüber vorsähen, "dass eine zurückgeschobene Person in einem anderen Land Asyl beantragt habe und ihr Antrag nicht auf seine Stichhaltigkeit überprüft wurde". Schon daraus gehe hervor, dass für von Österreich nach Slowenien zurückgeschobene Asylwerber der Zugang zu einem fairen Verfahren in Slowenien nahezu unmöglich wäre. Weiters stelle der UNHCR fest, dass in Slowenien die Gefahr der Kettenabschiebung bestehe, weil es durch die Anwendung des Konzeptes "sicheres Drittland" zur Rückstellung von Flüchtlingen in Länder wie Kroatien und Bosnien-Herzegowina gekommen sei, somit in Länder, die nach internationalem Standard Asylsuchenden keinen wirksamen Schutz gewährten. Der UNHCR gelange schließlich zur Schlussfolgerung, dass es für nach Slowenien abgeschobene Personen schwierig sei, sich Zugang zum Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft zu verschaffen. Die Ablehnung von Asylgesuchen auf Grund der Drittstaatsicherheit und eine Abschiebung solle daher nur dann stattfinden, wenn die slowenischen Behörden die offizielle Zusicherung abgegeben hätten, dass sie die betreffende Person zurücknehmen und ihr Zugang zum Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gewähren würden.

Mit Schreiben vom 24. März 1999 brachte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten und dem Bundesasylamt unter Bezugnahme auf näher genannte Beweisquellen (Schreiben des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Republik Slowenien vom 17.12.1996 betreffend Asyl in der Republik Slowenien, UNHCR-Stellungnahme vom 15. Juli 1998, UNHCR-Hintergrundinformation vom November 1998, die Anfrage des UBAS vom 9. Februar 1999 sowie die UNHCR-Stellungnahme vom 5. März 1998) folgende Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis:

"1. Der Berufungswerber ist Staatsangehöriger des Iran und über Slowenien unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist (Einvernahme).

2. Die für das Asylverfahren maßgeblichen Bestimmungen sind in den §§ 34-37 des slowenischen Fremdengesetzes (slow. FrG) vom Juni 1991 enthalten. § 33 slow. FrG regelt den Schutz vor refoulement. Über die Zuerkennung des Status eines Flüchtlinge entscheidet gem. § 37 slow. FrG das Ministerium für innere Angelegenheiten. Gegen die abweisende Entscheidung ist eine Berufung innerhalb von 15 Tagen an die Regierung möglich (Ministerium für innere Angelegenheiten der Republik Slowenien vom 17.12.1996)

Zugang zum Asylverfahren:

§ 37 slow. FrG sieht vor, dass ein Asylantrag innerhalb von drei Tagen nach der Einreise in das slowenische Staatsgebiet einzubringen ist. Die im slowenischen Fremdengesetz vorgesehene Dreitagesfrist beginnt bei jeder Einreise nach Slowenien neuerlich zu laufen, d.h. dass im Falle einer Rück- bzw. Abschiebung eines Asylwerbers nach Slowenien eine Asylantragstellung innerhalb von drei Tagen möglich ist (UNHCR vom 15. Juli 1998), doch haben Asylsuchende im Allgemeinen Schwierigkeiten beim Zugang zum Verfahren. Slowenien hat seit 1991 300 Asylanträge geprüft. 1998 erhielten nur wenige Personen Zugang zum Asylverfahren, und dies ausschließlich auf Grund von Intervention seitens UNHCR. Die Zahl derjenigen, die mangels Zugangs zum Asylverfahren keinen Asylantrag einbringen konnten und abgeschoben wurden, ist nicht eruierbar (UNHCR-Hintergrundinformation vom November 1998; UNHCR vom 5. März 1999).

refoulement:

Weder Art. 33 slow. FrG noch irgendeine andere Bestimmung schützt einen Fremden vor Kettenabschiebung aus Slowenien. Es kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die slowenischen Behörden in der Praxis vor der Verbringung eines Fremden in einen Drittstaat prüfen, ob der Drittstaat den Grundsatz des "nonrefoulement" beachtet. Nach der geltenden slowenischen Rechtslage sind die slowenischen Behörden nicht verpflichtet, nach einem negativ beschiedenen Asylverfahren eines Fremden oder in einem Fall, in welchem ein Fremder in Slowenien - auch mangels Zugangs zum Asylverfahren - keinen Asylantrag gestellt hat, eine refoulement-Prüfung durchzuführen, wenn der Fremde in einen "sicheren Drittstaat" zurückgeschickt werden kann. Was ein "sicherer Drittstaat" aus der Sicht Sloweniens ist, kann nicht festgestellt werden, da das Konzept des "sicheren Drittstaates" in der bestehenden slowenischen Rechtsordnung nicht enthalten ist und weder eine Definition dieses Terminus existiert noch eine Rechtsgrundlage für das Vorgehen der slowenischen Behörden dafür genannt werden kann, dass Slowenien unter Berufung auf die Regel des "sicheren Drittstaates" Schutzsuchende in Länder wie Kroatien und Bosnien - Herzegowina zurückstellt, die - gemessen an internationalen Standards - nicht als Länder gelten, die wirksamen Schutz iSv Art. 33 GFK und Art. 3 EMRK gewähren. UNHCR ist bekannt, dass Abschiebungen von Asylwerbern auf Grund bestehender Rücknahmeabkommen durchgeführt wurden, ohne dass es zu einer Prüfung des Asylantrages gekommen ist; genaue Zahlen liegen UNHCR allerdings nicht vor. Im Jahr 1998 wurden insgesamt

3.502 Personen, 2.204 Personen hievon nach Kroatien, auf Grund bestehender Rücknahmeabkommen abgeschoben (UNHCR-Hintergrundinformation vom November 1998; UNHCR vom 3. Februar 1999, UNHCR vom 5. März 1999).

Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens:

Aus den für das Asylverfahren maßgeblichen Bestimmungen lässt sich zwar kein Aufenthaltsrecht des Asylwerbers während des anhängigen Asylverfahrens ableiten, doch wird - abgesehen von dem oben Gesagten - Asylwerbern in der Praxis gestattet, bis zum rechtskräftigen Abschluss ihres Verfahrens in Slowenien zu bleiben (UNHCR vom 19. Oktober 1998). Der Weiterverbleib von Asylsuchenden, die Berufung gegen die abweisende Entscheidung einlegen, im Transitheim für Ausländer wird in der Regel geduldet (UNHCR-Hintergrundinformation vom November 1998)."

Der Mitbeteiligte erstattete dazu mit Schriftsatz vom 8. April 1999 eine Stellungnahme, aus der zusammengefasst hervorgeht, dass nach seiner Ansicht Slowenien für ihn aus näher angegebenen Gründen kein sicherer Drittstaat sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde gemäß § 32 Abs. 2 AsylG der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. März 1999 statt, behob den bekämpften Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurück. Die belangte Behörde legte die im Schriftsatz vom 24. März 1999 mitgeteilten Ermittlungsergebnisse dem angefochtenen Bescheid als Sachverhalt zu Grunde und gründete die Feststellungen zur asylrechtlichen Lage in Slowenien auf die dort genannten Beweisquellen. Es gebe für die belangte Behörde keinen Grund, an der Richtigkeit der Aussagen des UNHCR zu zweifeln, da dieser zweifellos eine namhafte Organisation auf dem Gebiet des Flüchtlingswesens sei und seine Aussagen auch plausibel erschienen. Gestützt werde dies durch den Umstand, dass die Asylrechtslage Sloweniens "vor Ort" geprüft worden sei, seien doch die Mitteilungen von UNHCR-Regionalbüro Wien nach Rücksprache mit dem Büro des UNHCR in Ljubljana verfasst worden. Weiters falle ins Gewicht, dass keine gegenteiligen Berichte hinsichtlich der asylrechtlichen Lage in Slowenien existierten. Dies erhärte die Annahme, dass sich die Rechtslage Sloweniens und auch die Praxis der Behörden und Organe in diesem Drittstaat tatsächlich so gestalte, wie es von UNHCR dargestellt werde. Diese Sachverhaltsannahmen seien im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen geblieben.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sei ein Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Fremde in einem Drittstaat Schutz vor Verfolgung finden könne. Wann von "Schutz im sicheren Drittstaat" auszugehen sei, richte sich nach den im § 4 Abs. 2 leg. cit. genannten Kriterien. Eine auf § 4 Abs. 3 AsylG gestützte Zurückweisung setze die Prüfung und Bewertung der Asylrechtslage des Drittstaates voraus, da die genannte Bestimmung als Vermutung darüber, wie diese Rechtslage beschaffen sei, nicht gedeutet werden könne (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175). Gegenstand der Vermutung nach § 4 Abs. 3 AsylG sei, dass der in Betracht gezogene Drittstaat den Schutz, den er nach seiner Rechtslage zu gewähren habe, auch tatsächlich gewähre (Effektivitätsvermutung). Lasse sich die Schutzgewährung durch den Drittstaat auf Grund dessen Rechtslage eindeutig bejahen, so sei davon auszugehen, dass sich die Behörden in der Praxis auch daran hielten. Erst dann, wenn sich auf Grund einer Behauptung des Fremden oder durch Amtswissen der Behörde Anhaltspunkte für ein diesen rechtlichen Vorgaben nicht entsprechendes Vorgehen der Behörden im Drittstaat ergeben, hätten Ermittlungen über die Effektivität des in der Rechtsordnung des jeweiligen Drittstaates vorgesehenen Schutzes stattzufinden. Bei Vorliegen derartiger Anhaltspunkte sei die Regelvermutung des § 4 Abs. 3 AsylG als erschüttert zu betrachten und die Behörde gehalten, sich auch mit der Effektivität des in der Rechtsordnung des betrachteten Drittstaates vorgesehenen Schutzes zu beschäftigen. Auf Grund der Hintergrundinformation des UNHCR über die asylrechtliche Lage in Slowenien seien die Asylbehörden zweifellos gehalten gewesen, auch Ermittlungen hinsichtlich der faktischen Situation in Slowenien einzuleiten. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe nun ergeben, dass das Asylverfahren in Slowenien jedenfalls in zwei Punkten nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AsylG gerecht werde, und zwar hinsichtlich der Möglichkeit für einen Schutzsuchenden, Zugang zum Asylverfahren in Slowenien zu erhalten, und hinsichtlich des Schutzes vor refoulement. Asylwerber hätten nach den obigen Feststellungen im Allgemeinen Probleme beim Zugang zum Asylverfahren; ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings ins Slowenien stehe Asylwerbern im Allgemeinen nicht offen, womit eine der im § 4 Abs. 2 AsylG geforderten Voraussetzungen für die Beurteilung eines Drittstaates als "sicherer Drittstaat" nicht erfüllt sei. Den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AsylG an einen "sicheren Drittstaat" werde zweifellos nicht entsprochen, wenn Asylwerbern nur auf Grund von Intervention seitens des UNHCR Zugang zum Asylverfahren gewährt werde. Darüber hinaus stehe der Annahme, Asylwerbern stünde in Slowenien in der Regel ein Asylverfahren offen, auch entgegen, dass Abschiebungen von Asylwerbern von Slowenien aus durchgeführt worden seien, ohne dass es zu einer Prüfung des Asylantrages gekommen sei. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass es darüber keine genauen Zahlen gebe.

Aus den obigen Feststellungen ergebe sich weiters in eindeutiger Weise, dass betreffend Slowenien auch die von § 4 Abs. 2 AsylG geforderte Voraussetzung des Schutzes vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - nicht erfüllt sei, und zwar sowohl wegen des Fehlens rechtlicher Vorgaben hiefür als auch wegen der Praxis der Slowenischen Behörden, vor einer Verbringung Schutzsuchender in "sichere Drittstaaten" keine Prüfung dahingehend durchzuführen, ob der Drittstaat den Grundsatz des "non refoulement" beachte. Diese Vorgangsweise widerspreche eindeutig der gesetzlichen Vorgabe des § 4 Abs. 2 AsylG. Es sei daher nicht unwahrscheinlich, dass der Mitbeteiligte etwa nach Kroatien oder Bosnien-Herzegowina gebracht würde, in Staaten, die - gemessen an internationalen Standards - nicht als Länder gelten, die wirksam Schutz im Sinne des Art. 33 FlKonv. und Art. 3 EMRK gewährten. Die in § 4 Abs. 2 AsylG normierten Erfordernisse des Offenstehens eines Asylverfahrens und gebotenen Refoulementschutzes seien daher in Bezug auf die Republik Slowenien nicht als erfüllt anzusehen. Der angefochtene Bescheid sei daher schon aus diesen Gründen zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der beschwerdeführende Bundesminister rügt, die belangte Behörde hätte ihre Verhandlungspflicht verletzt und darüber hinaus den angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar begründet, weil sich nicht alle Feststellungen des angefochtenen Bescheides mit den Äußerungen des UNHCR deckten. Darüber hinaus seien die vom UNHCR vorgelegten Informationen widersprüchlich und unstimmig.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Insoweit der beschwerdeführende Bundesminister darauf hinweist, dass die belangte Behörde deshalb Verfahrensvorschriften verletzt habe, weil sie keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, so zeigt er einen der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangel auf. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde handelt es sich bei einem Bescheid nach § 4 AsylG aus den im hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/20/0162, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher genannten Gründen nämlich nicht um einen rein verfahrensrechtlichen Bescheid, weshalb die Ausnahme von der grundsätzlichen Pflicht, eine mündliche Berufungsverhandlung abzuhalten, nicht zum Tragen kommt.

Allerdings führt die Verletzung einer Verfahrensvorschrift für sich allein noch nicht zur Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof. Es ist vielmehr Aufgabe des Beschwerdeführers, die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels darzutun. Der Beschwerdeführer hat konkret darzulegen, zu welchen Feststellungen die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verletzung von Verfahrensvorschriften hätte kommen können und inwiefern diese zur Erlassung eines anderen Bescheides geführt hätten. Mit dem nicht näher konkretisierten Vorbringen, die Beweismittel könnten und würden im Rahmen der mündlichen Verhandlung "kritisch erörtert werden" und die Beweiswürdigung sei daher unzutreffend, zeigt der Beschwerdeführer die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels nicht auf.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die behaupteten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides nicht nachzuvollziehen. Ein Widerspruch innerhalb der - jeweils auf Basis von Stellungnahmen des UNHCR getroffenen - Feststellungen, wonach "nur wenige Personen im selben Zeitraum (gemeint 1998) - ausschließlich auf Grund von Interventionen seitens UNHCR - Zugang zum Asylverfahren erhielten", "Abschiebungen von Asylwerbern aufgrund bestehender Rücknahmeabkommen ohne Prüfung des Asylantrages durchgeführt wurden", "keine Zahlen über diese Fälle vorlägen" und "die Zahl jener Personen nicht eruierbar sei, die als Asylsuchende nach Slowenien gekommen seien, jedoch keinen Asylantrag hätten einbringen können" ist nicht erkennbar.

Soweit der beschwerdeführende Bundesminister in der Stellungnahme des UNHCR vom 5. März 1999 den Satz, wonach "UNHCR Fälle bekannt seien, in denen Abschiebungen von Asylwerbern auf Grund bestehender Rücknahmeabkommen durchgeführt wurden, ohne dass es zu einer Prüfung des Asylantrages gekommen sei", vermisst, ist er auf eine weitere Stellungnahme des UNHCR vom 3. Februar 1999 zu verweisen, die dem Bundesasylamt zwar nicht im Zuge des vorliegenden Verfahrens, aber im Zusammenhang mit anderen, ebenfalls die Drittstaatssicherheit Sloweniens betreffenden Verfahren nachweislich zur Kenntnis gebracht worden war und in welcher sich diese Ausführungen finden.

Aber selbst wenn der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen tatsächlich eine Unstimmigkeit oder einen Widerspruch in diesem Teil der Feststellungen der belangten Behörde dargetan hätte, hätte er damit noch nicht eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die belangte Behörde erachtete die Anforderungen des § 4 Abs. 2 AsylG nämlich nicht nur hinsichtlich des Zuganges zum Asylverfahren als nicht erfüllt (worauf sich die vom Beschwerdeführer geltend gemachten angeblichen Widersprüche in den Feststellungen beziehen könnten), sondern auch deshalb, weil in Slowenien bereits auf Grund der dort geltenden Gesetzeslage kein Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat (auch im Wege über andere Staaten) gewährleistet sei. Zur letztgenannten Argumentation, die geeignet wäre, den Bescheidspruch für sich alleine zu tragen, finden sich keine Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde. Die Beschwerde zeigt somit keinen Grund auf, die Einschätzung der belangten Behörde, die slowenische Rechtslage entspreche den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AsylG nicht, zu bezweifeln.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 15. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999200352.X00

Im RIS seit

20.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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