TE OGH 2009/2/26 1Ob31/09d

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Veröffentlicht am 26.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann, Dr. Stefan Geiler und Mag. Priska Seeber, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Mathias B*****, und 2. Veronika B*****, beide vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. November 2008, GZ 2 R 216/08v-29, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. Juni 2008, GZ 12 Cg 29/07f-25, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Zweitbeklagte und ihr Ehemann unterzeichneten am 21. 7. 2003 eine Kreditvereinbarung über 46.000 EUR. Der damals 18-jährige Erstbeklagte (Sohn der Kreditnehmer) übernahm für diesen Kredit die Haftung als Bürge und Zahler und trat der Klägerin seine Lohn- bzw Gehaltsansprüche sowie Abfertigungs- bzw Pensionsansprüche ab. Von der Kreditsumme wurden 38.862,67 EUR zur Deckung eines anderen Kredits verwendet, 6.769,33 EUR wurden bar an den Ehemann der Zweitbeklagten ausgezahlt. Als dieser 2005 wiederum weder ausreichend Geld zur Abdeckung des Kredits noch zur Finanzierung des täglichen Lebens mehr hatte, teilte er dem Erstbeklagten mit, dass er beabsichtige, den ursprünglichen Kredit umzuschulden und aufzustocken, und fragte ihn, ob er wieder bürgen könnte. Da der Erstbeklagte auch bisher von der Bank nicht in Anspruch genommen worden war, seinem Vater vertraute und keinen Einblick in die tatsächlichen Verhältnisse seiner Eltern hatte, stimmte er zu. Mit Kreditvereinbarung vom 18. 2. 2005 stellte die Klägerin der Zweitbeklagten und ihrem Ehemann einen Kredit über 40.000 EUR zur Verfügung, für den der Erstbeklagte die Haftung als Bürge und Zahler übernahm. Von der Kreditsumme wurden 6.831,49 EUR zur Abdeckung des auf den Ehemann der Zweitbeklagten lautenden Kontos, 28.889,38 EUR zur Tilgung des Kredits vom 21. 7. 2003 verwendet, und 3.959,13 EUR dem Konto des Erstbeklagten gutgebucht. Diese - ursprünglich nicht geplante - Überweisung auf das Konto des Erstbeklagten war von der Kundenbetreuerin der Klägerin vorgeschlagen worden. Zum Zeitpunkt dieser Kreditaufnahme lebte der Erstbeklagte nicht mehr bei seinen Eltern, sondern in einer entgeltfrei zur Verfügung gestellten Dienstwohnung. Bis zum Auszug des damals 19-jährigen Erstbeklagten war sein Vater alleine für die Mietzinszahlungen und die Lebenshaltungskosten der gesamten Familie aufgekommen. Der Erstbeklagte hatte im Dezember 2004 netto 1.274,58 EUR monatlich verdient, sein Vater hatte ab März 2004 eine monatliche Invaliditätspension von 1.411,49 EUR bezogen. Die Zweitbeklagte hatte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags keinerlei Einkommen. Für die Klägerin war klar erkennbar, dass die beiden Kreditnehmer aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nicht in der Lage waren, die monatlichen Kreditraten von 472,30 EUR zu leisten. Der Erstbeklagte wusste ebensowenig wie seine Mutter über die finanziellen Verhältnisse seines Vaters, dessen Einkommenssituation und die Höhe der Schulden Bescheid. Die finanziellen Angelegenheiten der Familie regelte ausschließlich der Vater des Erstbeklagten; er bezahlte die Einkäufe, die Zweitbeklagte erhielt kein Wirtschaftsgeld. Bei Kenntnis der finanziellen Situation und Aufklärung durch die Klägerin, dass die Kreditnehmer den Kredit nicht ohne Unterstützung des Sohnes zurückzahlen könnten, hätte der Erstbeklagte die Haftung als Bürge und Zahler nicht übernommen.

Thema des Revisionsverfahrens ist die Stellung der Beklagten als Interzedenten im Sinn des § 25c KSchG.

Das Erstgericht wies das auf Zahlung von 30.000 EUR (= Teil des aushaftenden Kredits) gerichtete Klagebegehren ab. Es bejahte die Interzedenteneigenschaft der Beklagten, denen damit der Schutz der §§ 25c, 25d KSchG zukomme. Nur ein geringer Teil der Kreditsumme sei dem Erstbeklagten zugute gekommen, im Übrigen habe er für eine fremde Verbindlichkeit gehaftet. Die Zweitbeklagte habe insofern einen Vorteil aus der Kreditaufnahme gezogen, als ihr Ehemann die Lebenshaltungskosten zur Gänze bestritten habe. Zumindest die Hälfte der Verbindlichkeit sei aber als fremde Verbindlichkeit des Ehemanns zu werten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erachtete die Eigenschaft der Zweitbeklagten als Interzedentin im Berufungsverfahren als nicht strittig. Es ließ die Revision zu, weil zur vorliegenden Fallkonstellation keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Der Anwendungsbereich des § 25c KSchG soll sich auf solche Mitschuldner beschränken, die einer materiell fremden Verbindlichkeit (Übernahme einer Haftung für Rechnung eines anderen im fremden Interesse) beitreten. Personen, die gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit als echte Mitschuld eingehen, sind nicht erfasst. In wessen Interesse die Übernahme einer Verbindlichkeit liegt, ist aus der Sicht des Schuldners zu beurteilen. Kommt die Kreditaufnahme auch den Mithaftenden zugute, liegt keine fremde Verbindlichkeit iSd § 25c KSchG vor (RIS-Justiz RS0119014).

Beispiele für ein derartiges Eigeninteresse, das die Interzedenteneigenschaft ausschließt, finden sich in der höchstgerichtlichen Judikatur unter anderem bei folgenden Verwendungszwecken der Kreditmittel: Anschaffung von Möbeln für die Ehewohnung, Geschenke an gemeinsame Kinder (7 Ob 65/04s), Finanzierung eines gemeinsam bewohnten Hauses (7 Ob 89/04w), Deckung von Verbindlichkeiten aus der Anschaffung von Möbeln für die Ehewohnung und Deckung eines überzogenen Kontos, von dem die Reparatur des PKWs der Mithaftenden finanziert worden war (5 Ob 33/05x), oder die Verwirklichung des Traums vom eigenen Unternehmen, für den die Übernahme der Haftung anstelle des bisherigen Alleingesellschafters Voraussetzung war (6 Ob 227/06k; vgl 1 Ob 95/08i). Ein gemeinsamer, ein Eigeninteresse des Mithaftendenden begründender Zweck ist nach diesen Kriterien auch dann anzunehmen, wenn der Kredit zur Finanzierung der gemeinsamen Lebenshaltungskosten verwendet wird.

Zur abschließenden Beurteilung der Interzedenteneigenschaft der beiden Beklagten fehlen im konkreten Fall relevante Feststellungen.

Richtig ist zunächst, dass ein Teilbetrag der Kreditsumme auf das Konto des Erstbeklagten überwiesen wurde. Diese Tatsache allein spricht aus der maßgeblichen Sicht des Erstbeklagten noch nicht zwingend für sein Eigeninteresse an der Kreditaufnahme. Der dem Konto des Erstbeklagten gutgebuchte Betrag macht nur weniger als 10 % der gesamten Kreditsumme aus. Diese Überweisung war ein - noch dazu von der Klägerin anlässlich des Kundengesprächs initiierter - „Nebeneffekt", der nicht das entscheidende Motiv für die Übernahme der Bürgschaft gewesen sein konnte. Der Erstbeklagte hatte ja bereits seinem Vater im Vertrauen auf dessen Zahlungsfähigkeit zugesichert, Bürge und Zahler zu werden. Der Großteil der Kreditsumme (ca 72 %) wurde allerdings zur Abdeckung des 2003 aufgenommenen Kredits verwendet. Dies kann ein eigenes Interesse der Beklagten an der 2005 erfolgten Kreditaufnahme dann begründen, wenn sie schon 2003 die Haftung nicht als Interzedenten, sondern im gemeinschaftlichen Interesse als echte Mitschuldner übernommen hatten (7 Ob 65/04s; vgl 6 Ob 192/07i). Die Klägerin hat bereits im Verfahren erster Instanz vorgebracht, von der 2003 aufgenommenen Kreditsumme seien 38.862,33 EUR zur Abdeckung eines Kredits verwendet worden, den der Vater des Erstbeklagten zur Bestreitung der Bedürfnisse des täglichen Lebens und zur Abdeckung der Überziehung von Girokonten aufgenommen habe. Das 2005 abgedeckte Kreditkonto und das Konto des Vaters des Erstbeklagten, auf das 2005 6.831,49 EUR überwiesen wurden, habe die Kosten der Lebensführung der Familie abgedeckt, weshalb die aushaftenden Beträge auch den beiden Beklagten zugute gekommen seien. Da die Finanzierung der Lebenshaltungskosten der Familie (bis zu seinem Auszug auch die des Erstbeklagten) nach den Feststellungen durch den Familienvater erfolgte, kann ein Eigeninteresse der Beklagten nicht nur mit dem Argument verneint werden, der Kreditbetrag sei Großteils nur dem Vater des Erstbeklagten zugeflossen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen über den Verwendungszweck der vor 2005 aufgenommenen Kredite zu treffen haben, um die Interzedenteneigenschaft sowohl des Erstbeklagten als auch der Zweitbeklagten, deren Rechtsposition iSd § 25c KSchG die Berufung der Klägerin entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts sehr wohl bezweifelte (ON 26 S 13), zu beurteilen. Ob dafür eine Verfahrensergänzung nötig ist, bleibt der Beurteilung des Erstgerichts vorbehalten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E90242

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00031.09D.0226.000

Im RIS seit

28.03.2009

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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