Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dr. Rudolf K. F*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Raffael N*****, 2. Helga B*****, und 3. Dr. Jürgen B*****, alle vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger RechtsanwälteGmbH in Wien, wegen § 838a ABGB (Ersetzung der Zustimmung der Hälfteeigentümer) über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. September 2008, GZ 38 R 110/08w-15, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies den Antrag des im Hälfteeigentum der Liegenschaft (Wiener Wohnhaus mit etwa 20 Objekten) stehenden Antragstellers, die Zustimmung der Antragsgegner (als restliche Miteigentümer zu je einem Achtel [Erst- und Zweitantragsgegner] sowie einem Viertel [Drittantragsgegner]) zur gerichtlichen Aufkündigung der vom Drittantragsgegner gemieteten Wohnungen Top Nummer 11 und 20+21 zu ersetzen, ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 20.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung in eine Antragsstattgebung. Als erhebliche Rechtsfragen werden bezeichnet:
a. ein (angeblicher) Widerspruch zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 156/01i, wonach nur dann keine Ermächtigung zur Kündigung zu erteilen sei, wenn die Einbringung einer solchen Kündigung offenbar aussichtslos wäre;
b. das Fehlen von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Genehmigung der Aufkündigung eines Miteigentümers im Fall der unmittelbar bevorstehenden Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum, wenn die Teilungswahrscheinlichkeit durch zur Verfügung stehende bestandfreie Wohnungen erhöht werde.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist aus folgenden Gründen nicht zulässig.
1. Eine wichtige Veränderung im Sinn des § 834 ABGB ist (nicht nur der Abschluss, sondern auch) die Aufkündigung von Bestandverträgen mit Miteigentümern (RIS-Justiz RS0013594, RS0013436, RS0013609 [T9] und RS0013680; Gamerith in Rummel³ § 834 ABGB Rz 1; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 834 ABGB Rz 3 jeweils mwN). Liegt - wie hier - Stimmengleichheit vor (§ 835 letzter Satz ABGB), dann hat der Außerstreitrichter sowohl in Sachen der ordentlichen Verwaltung als auch bei wichtigen Veränderungen nach den Bestimmungen des § 835 ABGB zu entscheiden (RIS-Justiz RS0013393 [T2], RS0013734; Sailer in KBB² § 833 Rz 7; Gamerith in Rummel³ § 835 ABGB Rz 18; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 835 ABGB Rz 6).
2. Gegenstand der richterlichen Beschlussfassung nach § 835 ABGB ist die Frage, ob die (wichtige) Veränderung ohne Einschränkung oder unter Bedingungen (Sicherstellung) bewilligt oder überhaupt abgelehnt wird. Das Gesetz stellt für diese richterliche Ermessensentscheidung keine bindenden Richtlinien auf; die Entscheidung hängt vielmehr davon ab, ob die Veränderung offenbar (also eindeutig) vorteilhaft, bedenklich oder nachteilig ist. Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls und vom Standpunkt der Gesamtheit aller Miteigentümer und nicht allein von jenem des Mehrheitseigentümers aus zu beurteilen (RIS-Justiz RS0013703 [insb T3]). Der Beschluss des Außerstreitrichters ist eine im Wesentlichen von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung (RIS-Justiz RS0013650 [T2]). In die bei der Entscheidung über die beabsichtigte wichtige Veränderung vorzunehmende Abwägung der Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft hat auch eine angemessene Berücksichtigung der subjektiven Lage der einzelnen Teilhaber, also der persönlichen und familiären Verhältnisse und Bedürfnisse einzufließen. Das folgt schon aus der innerhalb eines Gemeinschaftsverhältnisses bestehenden Treuepflicht, die auch die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Teilhaber erfordert (RIS-Justiz RS0013701). Es kommt auch nicht nur auf finanzielle Interessen an; vielmehr sind die gesamten Umstände des Falles zu berücksichtigen; insbesondere auch ein persönliches (immaterielles) Interesse eines Miteigentümers am Weiterbestehen seiner Wohnmöglichkeit (RIS-Justiz RS0013701 [T1 und T2]; vgl auch Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 835 ABGB Rz 7).
Der Außerstreitrichter hat auch die Entscheidung über die Genehmigung der Aufkündigung eines Minderheitseigentümers nach Ermessen danach zu fällen, ob die von der Mehrheit beschlossene (oder vorgesehene) Maßnahme offenbar vorteilhaft ist (RIS-Justiz RS0013440), zB wenn nach Räumung (durch den beklagten Miteigentümer) bessere Verwendungsaussichten für das Objekt bestehen (LGZ Wien MietSlg 35.080 und 29.080; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 835 ABGB Rz 9). Zu einer aussichtslosen Kündigung eines Miteigentümers hat der Außerstreitrichter keine Ermächtigung zu erteilen (RIS-Justiz RS0013389); in diesem Fall kann eine Aufkündigung (vom Standpunkt der Eigentümergesamtheit aus gesehen) nicht vorteilhaft sein, weil dann eben die Maßnahme nicht nur nicht erfolgreich ist, sondern auch noch zur Belastung mit Prozesskosten führt (3 Ob 156/01i). Die bloße Möglichkeit der Erfolglosigkeit der Aufkündigung rechtfertigt allerdings die Versagung der Genehmigung nicht (RIS-Justiz RS0013389 [T2], 9 Ob 91/06g = wobl 2007/21 [Call]).
3. Die zur Genehmigungsfähigkeit wichtiger Änderungen ergangene Judikatur lässt damit einen Wertungsspielraum offen und stellt stets auf die Umstände des Einzelfalls ab. Eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs wäre daher in diesem Zusammenhang nur zulässig, wenn dem Rekursgericht eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (zuletzt 6 Ob 83/06h mwN). Es begründet auch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, dass eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu einem gleichartigen (oder hinreichend ähnlichen) Fall fehlt (RIS-Justiz RS0102181 [T12]).
4. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls vermag der Revisionsrekurswerber aber nicht aufzuzeigen, vielmehr zieht er (und nicht das Rekursgericht) die falschen Schlüsse aus der dargestellten Judikatur.
4.1. Voraussetzung für die positive Entscheidung über den vorliegenden Antrag ist nämlich, dass die vom Antragsteller gewünschte Maßnahme für die Eigentumsgemeinschaft offenbar (dh eindeutig) vorteilhaft ist; dass dies zu verneinen ist, wenn die verlangte Kündigung eines Miteigentümers als aussichtslos zu qualifizieren ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Naturgemäß kann im (vorausgehenden) Außerstreitverfahren auch nicht Gewissheit über den positiven Ausgang des angestrebten Kündigungsprozesses erwartet werden, sodass die bloße Möglichkeit der Erfolglosigkeit der Aufkündigung die Versagung der Genehmigung nicht rechtfertigt. Dennoch muss die (voraussichtlich) erfolgreiche Kündigung eines Miteigentümers offenkundig vorteilhaft für die Gesamtheit der Miteigentümerschaft sein, weil die erfolgreiche Aufkündigung eines Mietvertrags mit einem weder säumigen noch sonst vertragswidrig agierenden Miteigentümer nicht gleichsam automatisch mit einem Vorteil für die Miteigentumsgemeinschaft gleichgesetzt werden kann. Ein solcher wäre (hier) zu bejahen, wenn nach erfolgreicher Aufkündigung des Drittantragsgegners eine bessere Verwertungsaussicht für das Objekt bestünde, also die Miteigentumsgemeinschaft höhere Mieteinnahmen erwarten könnte.
Allerdings strebt der Antragsteller gar keine (neuerliche) Verwertung, also eine Vermietung an Dritte (zu einem höheren Bestandzins) an, vielmehr möchte er (mehr) von Mietrechten freie Wohnungen im Miteigentumsobjekt erreichen. Das führt aber zweifellos unmittelbar dazu, dass die Miteigentümer keinen Mietzins einnehmen und die auf die Objekte entfallenden Betriebskosten tragen müssen (worauf auch schon die Vorinstanzen zutreffend hingewiesen haben) und bildet daher - auch bei niedrigem Mietzins - grundsätzlich einen Nachteil der Miteigentumsgemeinschaft.
4.2. Die Rechtfertigung (und Vorteilhaftigkeit) dieser Absicht erblickt der Antragsteller darin, dass es offenkundig sei, dass eine Teilung durch die Begründung von Wohnungseigentum dann leichter zu bewerkstelligen sei, wenn (mehr) bestandfreie Wohnungen zur Verfügung stehen. Das führe dazu, dass die Teilungswahrscheinlichkeit höher werde, weil mangels Mietrechts des Drittantragsgegners an der aufgekündigten Wohnung diese nicht an ihn zuzuweisen und deshalb größere Flexibilität bei der Aufteilung gegeben sei.
Es erscheint vorweg zweifelhaft, ob die Teilung der Liegenschaft nach den von der Judikatur herausgearbeiteten Kriterien einer Entscheidung nach § 835 ABGB überhaupt im Interesse der Miteigentumsgemeinschaft liegen kann, wird sie damit doch aufgelöst. Beim Aufhebungsanspruch handelt es sich um einen aus dem Gemeinschaftsverhältnis (und nicht aus dem ideellen Eigentumsanteil an der gemeinschaftlichen Sache) folgenden und deshalb um ein Individualrecht seiner Mitglieder schuldrechtlicher Natur, weshalb sich die Aufhebungshindernisse als gesetzliche Anerkennung und Konkretisierung der innerhalb von Schuldverhältnissen nach Treu und Glauben geschuldeten Rücksichtnahme auf die Interessen der Partner darstellen (RIS-Justiz RS0013246; Sailer in KBB² § 830 ABGB Rz 4). Die Wahrung von singulären Interessen einzelner Miteigentümer steht aber nicht im Vordergrund der hier zu treffenden Entscheidung.
Abgesehen von diesen Überlegungen ist zu bedenken, dass nach den Feststellungen nicht alle Wohnungen frei stehen, sondern nur eine solche Anzahl, die etwa einem Drittel der Nutzflächen der vermietbaren Objekte entsprechen. Allein deshalb kann im Erreichen von nur 2 weiteren bestandfreien Objekten (top 20-21 und 11) kein gravierender und entscheidender Vorteil für das Teilungsverfahren erkannt werden, zumal deren exorbitante Größe vom Antragsteller nicht behauptet wurde. Im Übrigen steht das Vorliegen von Bestandrechten an einzelnen Wohnungen der Begründung von Wohnungseigentum gar nicht entgegen (RIS-Justiz RS0013852 [T10], 5 Ob 2399/96x); schließlich mag es durchaus zielführend sein, mietrechtsberechtigten Miteigentümern bei der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum die bisher von ihnen gemieteten Objekte zuzuweisen, wenngleich ein solches Vorgehen keineswegs zwingend ist.
5. Die vom Antragsteller zur Begründung seines Begehrens (vgl zum kontradiktorischen Außerstreitverfahren RIS-Justiz RS0124141) ins Treffen geführten Vorteile für die Miteigentumsgemeinschaft erweisen sich daher bei einer Gesamtbetrachtung als keineswegs gravierend und schwergewichtig. Dem gegenüber steht der (allenfalls auch geringe) Nachteil des Ausfalls von Mieteinnahmen und Betriebskosten zu Lasten der Miteigentumsgemeinschaft.
Wenn daher die Vorinstanzen bei der vorzunehmenden Abwägung der von der Kasuistik der hier singulär zu beurteilenden Umstände geprägten Gesamtinteressen der Eigentumsgemeinschaft zum Ergebnis gelangten, die vom Antragsteller gewünschte Aufkündigung der mit dem Drittantragsgegner bestehenden Mietverträge entspreche nicht dem offenbaren Vorteil der Miteigentümergemeinschaft, so kann darin keine unvertretbare Fehlbeurteilung erkannt werden.
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss über den Revisionsrekurs nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Zur Kostenentscheidung wird auf die auch hier selbstverständliche Regelung des § 508a Abs 2 ZPO verwiesen (Klicka in Rechberger, AußStrG, Rz 2 zu § 71 AußStrG).
Textnummer
E90308European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00008.09A.0303.000Im RIS seit
02.04.2009Zuletzt aktualisiert am
24.09.2012