TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/09 S12 404617-1/2009

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Veröffentlicht am 09.03.2009
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Spruch

S12 404.617-1/2009/2E

 

Im Namen der Republik

 

ergeht folgendes

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde des D.S., StA. Serbien, vertreten durch: RA Dr. Lennart Binder LL.M., Rochusgasse 2/12, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.02.2009, FZ. 09 00.253, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), idF BGBl. I Nr. 4/2008, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Serbiens und Angehöriger der Volksgruppe der Roma, hat sein Heimatland Anfang Dezember 2008 gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern illegal verlassen, reiste am 08.01.2009 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Eine Eurodac-Abfrage vom 08.01.2009 ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 09.12.2008 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte.

 

1.2. Bei der Erstbefragung am Tag der Antragstellung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen EAST in Anwesenheit eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Serbisch, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe sein Heimatland vor ca. einem Monat [sohin Anfang Dezember 2008] gemeinsam mit seiner Familie illegal verlassen und sei in der Folge von den ungarischen Behörden aufgehalten worden. In Ungarn habe er einen Asylantrag gestellt und sei im Lager Debrecen untergebracht worden. Am 07.01.2009 habe er Debrecen verlassen und sei am nächsten Tag in Wien angekommen. Über den Aufenthalt in Ungarn könne er nur angeben, dass es schrecklich gewesen sei. Seine Kinder seien erkrankt und nicht medizinisch versorgt worden. Sein Heimatland habe er verlassen, da Roma in Serbien unterdrückt würden. Den Stand seines Asylverfahrens in Ungarn kenne er nicht; sein Zielland sei Österreich gewesen. Er wolle nicht nach Ungarn.

 

1.3. Am 13.01.2009 richtete das Bundesasylamt ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrag zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO), an die zuständige ungarische Behörde.

 

1.4. Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 13.01.2009 wurde dem Beschwerdeführer am 14.01.2009 bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5, 68 Abs. 1 AVG) (§29 Abs. 3 Z 4 AsylG), da Dublin Konsultationen mit Ungarn seit dem 13.01.2009 geführt werden (vgl. AS 39f).

 

1.5. Mit Schreiben vom 20.01.2009 erklärte sich Ungarn auf der Grundlage von Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Wiederaufnahme des Asylwerbers für zuständig und gab bekannt, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie am 07.12.2008 in Ungarn einen Asylantrag gestellt habe (vgl. AS 15 des Dublin Aktes).

 

1.6. Am 29.01.2009 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Serbisch niederschriftlich einvernommen und gab dabei zunächst an, dass er keine körperlichen oder psychischen Beschwerden habe und der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Zur Frage nach sonstigen Erkrankungen gab er an, er habe einen hohen Blutdruck. Ungarn habe er verlassen, da es dort keine Lebensbedingungen gegeben habe. Seine Kinder seien krank geworden und einmal sei auf ein Kind uriniert worden. Er habe das Lager nicht verlassen dürfen und Angst gehabt. Er habe Beweise, dass seine Kinder krank gewesen seien. Seine Tochter M. leide an einer Hautinfektion, und er sei mit ihr in Baden beim Arzt gewesen. Seine Tochter V. habe Probleme mit der Lunge und müsse auch zum Arzt. Welche Krankheiten die Kinder hätten, wisse er nicht; V. habe jedenfalls Husten. Im Lager in Ungarn sei ein Arzt anwesend gewesen, der habe jedoch nur gesagt, er kümmere sich später um den Beschwerdeführer bzw. seine Kinder. Medikamente für die Kinder habe er auch nicht bekommen. Er habe seine Kinder retten wollen und sei daher nach Österreich gefahren. Zur beabsichtigten Rückbringung nach Ungarn gab er an, er kehre nicht nach Ungarn zurück. In Österreich lebe seit zwei oder drei Jahren ein Sohn seiner Schwester, zu dem er keinen Kontakt habe. Es gebe keine Chance, dass er nach Ungarn zurückkehre; er lebe nur für seine Kinder.

 

Im Rahmen dieser Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von fünf Tagen zur Vorlage der medizinischen Unterlagen bezüglich der erwähnten Krankheiten eingeräumt.

 

2. Mit Bescheid vom 05.02.2009, FZ. 09 00.253 EAST Ost, hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 08.01.2009 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Ungarn zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig sei.

 

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde, wiederholte das Vorbringen im Verfahren vor dem Bundesasylamt und führte im Wesentlichen ergänzend aus, dass die Feststellungen zu Ungarn nicht richtig seien, da die Kinder nicht behandelt worden seien und ein familiärer Bezug in Österreich vorhanden sei. Ferner sei keine Auseinandersetzung mit der Situation der Asylwerber in Ungarn erfolgt und sei nicht berücksichtigt worden, dass die ungarischen Behörden Roma diskriminieren würden. Die Zuständigkeitserklärung Ungarns stelle lediglich eine "Kann-Bestimmung" dar.

 

4. Die Beschwerde langte am 25.02.2009 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Serbiens und Angehöriger der Volksgruppe der Roma, hat sein Heimatland Anfang Dezember 2008 illegal gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen vier minderjährigen Kindern verlassen, ist am 08.01.2009 illegal in Österreich eingereist und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Der Beschwerdeführer hat bereits am 09.12.2008 in Ungarn einen Asylantrag gestellt, das Ergebnis seines Asylverfahrens allerdings nicht abgewartet.

 

Der Beschwerdeführer leidet zwar an Bluthochdruck, ist jedoch abgesehen davon psychisch und physisch gesund und stehen daher seiner Überstellung nach Ungarn keine gesundheitlichen Bedenken entgegen.

 

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater von vier minderjährigen Kindern. Seine Familienangehörigen befinden sich derzeit gemeinsam mit ihm als Asylwerber in Österreich. Ferner lebt der Sohn seiner Schwester seit zwei oder drei Jahren in Österreich, zu welchem er allerdings keinen Kontakt hat, sodass jedenfalls kein familiäres Naheverhältnis oder eine besonders enge familiäre Bindung vorliegt. Darüber hinaus verfügt er über keine verwandtschaftlichen Beziehungen in Österreich, im Bereich der Europäischen Union, Norwegen oder Island zu einem Staatsangehörigen oder aufenthaltsberechtigten Fremden. Eine sonstige Beziehung des Beschwerdeführers zu Österreich besteht ebenfalls nicht.

 

Ungarn hat sich mit Schreiben vom 20.01.2009 gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zur Wiederaufnahme des Asylwerbers für zuständig erklärt.

 

1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO innerhalb der Frist mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

 

Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.01.2009, aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 29.01.2009 sowie aus der Zuständigkeitserklärung Ungarns vom 20.01.2009 und der Eurodac-Abfrage vom 08.01.2009.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 1 AsylG ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 2008/4 (in der Folge: AsylG) anzuwenden war.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF der Dienstrechtsnovelle 2008, BGBl. I Nr. 147/2008 sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I 4/2008 idgF entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG und nach § 68 AVG durch Einzelrichter.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG haben Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses zu ergehen.

 

3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin II-VO ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.

 

Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Dublin II-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin II-VO die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.

 

3.3. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin II-VO oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.

 

3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat und, dass Ungarn einer Übernahme des Beschwerdeführers auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO am 20.01.2009 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Ungarns zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.

 

3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen.

 

3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 08.03.2001, G 117/00 u.a. VfSlg 16.122, aus, dass § 5 AsylG nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.

 

Hatte der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 15.10.2005, G 237/03 u.a. ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-VO zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05-11, dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.

 

In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits die Dublin-VO betreffenden) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095-9, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

 

3.5.2. Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm bzw. seiner Familie durch eine Rückverbringung nach Ungarn die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Während des gesamten Verfahrens vor dem Bundesasylamt hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen dahingehend erstattet, aus welchen Gründen er nicht nach Ungarn überstellt werden könne, um dort sein Asylverfahren zu Ende zu führen. Im Zuge der Erstbefragung bzw. der Einvernahme vor dem Bundesasylamt hat er lediglich angegeben, dass seine Kinder krank geworden seien, und es keine medizinische Versorgung gegeben habe sowie, dass er für die Kinder keine Medikamente bekommen habe. Dieses Vorbringen hat der Beschwerdeführer in der Folge allerdings selbst relativiert, als er angab, dass ein Arzt im Flüchtlingslager anwesend gewesen sei, welcher jedoch die Behandlung auf später verschoben habe. Es entspricht auch den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid zur medizinischen Versorgung in Ungarn, welchen der Beschwerdeführer im Übrigen nicht entgegengetreten ist, dass in Ungarn eine grundsätzlich notwendige medizinische Versorgung Asylwerbern zur Verfügung gestellt wird, Medikamente allerdings oftmals nur ungenügend vorhanden sind. Betreffend die Krankheiten der beiden Töchter - Hautinfektion und Husten - ist ferner auszuführen, dass der Beschwerdeführer dem Auftrag des Bundesasylamtes, binnen einer Frist von fünf Tagen die entsprechenden medizinischen Unterlagen vorzulegen, nicht nachgekommen ist, sodass der Asylgerichtshof davon ausgeht, dass diese Erkrankungen - so sie überhaupt vorliegen - nicht derart schwerwiegend sind, um im Sinne des Art. 3 EMRK Relevanz erlangen könnten.

 

Der Beschwerdeführer selbst leidet seinen eigenen Angaben zufolge lediglich an Bluthochdruck; sonstige psychische oder physische Erkrankungen betreffend seine Person hat er verneint. Die Überstellung nach Ungarn ist sohin unter diesem Aspekt jedenfalls zulässig.

 

Betreffend die allgemeine Kritik des Beschwerdeführers an der medizinischen Versorgung in Ungarn ist hierzu dem Beschwerdeführer die diesbezügliche allgemeine Rechtsprechung des EGMR entgegenzuhalten:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK in Zusammenhang mit Krankheiten, eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

Abschiebungen trotz Krankheitszuständen können sowohl in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK als auch jenen des Art. 8 EMRK (psychiatrische Integrität als Teil des Rechts auf Persönlichkeitsentfaltung) fallen. Nach dem EGMR (vgl. auch VwGH 28.06.2005, Zl. 2005/01/0080) hat sich die Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung auf die allgemeine Situation im Zielland als auch auf die persönlichen Umstände des Antragstellers zu erstrecken. Für die Prüfung der allgemeinen Situation wurden Berichte anerkannter Organisationen (z.B. der WHO), aus denen jedenfalls eine medizinische erreichbare Grundversorgung, wenn auch nicht kostenfrei, hervorgeht, als ausreichend angesehen. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und eventuell "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend; Selbstmordgefahr kann ausschlaggebend sein, wenn eine Person in psychiatrischer Spitalsbehandlung ist; vgl. KALDIK v Deutschland, 22.09.2005, Rs 28526/05; Einzelfallprüfung erforderlich), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen; bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. Auch Selbstmordabsichten hindern eine Abschiebung für sich genommen nicht. In der Beschwerdesache OVDIENKO v Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und selbstmordgefährdet war, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes ¿real risk'. Im psychiatrischen Bereich kann als Leitentscheidung weiterhin BENSAID v. the United Kingdom, Nr. 44599/98, § 38, ECHR 2001-I, angesehen werden, in der die Abschiebung einer an Schizophrenie leidenden Person nach Algerien für zulässig erklärt wurde.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Ungarn sind weder der Aktenlage noch dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu entnehmen und ist daher von der Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers auszugehen, zumal der Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens das Vorliegen einer - über Bluthochdruck hinausgehenden - Erkrankung nicht behauptet hat.

 

Somit ist festzuhalten, dass die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers nicht jene besondere Schwere aufweist, um eine Überstellung nach Ungarn als im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend zu werten. Durch eine Abschiebung des Beschwerdeführers wird Art. 3 EMRK daher nicht verletzt und reicht es jedenfalls aus, wenn medizinische Behandlungsmöglichkeiten im Land der Abschiebung verfügbar sind, was in Ungarn jedenfalls der Fall ist.

 

Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer in Ungarn keine reale Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Zum weiteren Vorbringen zu Ungarn - es gebe keine Lebensbedingungen, er habe das Lager nicht verlassen dürfen und auf sein Kind sei uriniert worden - ist auszuführen, dass es sich hierbei lediglich um Behauptungen des Beschwerdeführers handelt, die in keiner Weise untermauert oder konkretisiert wurden. So hat er beispielsweise weder angegeben, auf welches seiner Kinder von wem uriniert worden sei noch hat er ausgeführt, aus welchen Gründen das Lager nicht verlassen werden habe dürfen bzw. wer ihn davon abgehalten habe. Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist dieses Vorbringen sohin mangels Konkretisierung als nicht glaubwürdig zu werten. Im Übrigen ist auf die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen, denenzufolge nach einer Rücküberstellung in einem Dublin-Verfahren Asylwerber in Ungarn nicht in Haft genommen, sondern in einem offenen Aufnahmelager (welches auch verlassen werden darf) untergebracht werden. Ferner werden Familien gemeinsam untergebracht und stehen den Asylwerbern Kochmöglichkeiten und Kühlschränke zur Verfügung. Wie bereits oben erwähnt ist der Beschwerdeführer auch im Rahmen seiner Beschwerdeausführungen diesen Länderfeststellungen nicht entgegengetreten.

 

Zum Vorbringen in der Beschwerde, das Bundesasylamt habe nicht berücksichtigt, dass Roma in Ungarn diskriminiert würden, ist auf die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen "Roma in Ungarn" (vgl. Seite 15 bis 23 des angefochtenen Bescheides) zu verweisen, denen in der Beschwerde ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

 

Ein konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Ungarn in Hinblick auf Asylwerber aus Serbien bzw. in Hinblick auf Asylwerber, die Angehörige der Volksgruppe der Roma sind, unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. In diesem Zusammenhang ist lediglich der Vollständigkeit halber noch anzuführen, dass von Seiten Ungarns keine systemwidrigen Verletzungen der Verpflichtungen aus der Dublin II-VO bekannt sind. Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2008, Zl. 2005/20/0095).

 

Aus der Rechtsprechung des EGMR lässt sich ein systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Ungarn nicht erkennen und gelten im Übrigen die Mitgliedstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer vom Beschwerdeführer bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass etwa der Beschwerdeführer im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in sein Heimatland, also nach Serbien, zurückgeschoben werden könnte.

 

Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass der Beschwerdeführer in Ungarn möglicherweise kein Asyl erhalten werde und nach Serbien abgeschoben werden könne, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2008, Zl. 2005/20/0095).

 

Der Beschwerdeführer hat sohin kein Vorbringen erstattet, welches die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihm in Ungarn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

3.5.3. Ferner ist eine Überprüfung gemäß Art. 8 EMRK dahingehend vorzunehmen, ob der Beschwerdeführer über im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK relevante Verbindungen in Österreich verfügt.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Der EGMR bzw. die EKMR verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

In der Rechtsprechung des EGMR ist klargestellt, dass Art. 8 EMRK nicht das Recht gewährt, den Ort zu wählen, der nach Ansicht der Betroffenen am besten geeignet ist, ein Familienleben aufzubauen (EGMR 28.11.1996, Ahmut v. Niederlande). Das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte der ansässigen Einwanderer in das Staatsgebiet immigrieren zu lassen, hängt vielmehr von den besonderen Umständen der betroffenen Personen ab (EGMR, Fall Abdulaziz, Urteil vom 28.05.1985). Maßgeblich ist die Nähe des Verwandtschaftsgrades, die Intensität des Familienlebens und natürlich der Umstand, ob es sich um einen legalen Aufenthalt der Familie handelt. Dabei können die Beurteilungsparameter, die untereinander abzuwägen sind, sehr unterschiedlich sein. Maßgebend ist auch, ob das Familienleben zu einer Zeit entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und nicht mit einer Fortsetzung des Familienlebens rechnen konnten (EGMR 11.4.2006, Useinov v. die Niederlande).

 

Der Beschwerdeführer hat angegeben, dass ein Sohn seiner Schwester (= Neffe) seit zwei oder drei Jahren in Österreich lebt. Ein gemeinsamer Haushalt oder eine besonders enge Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Neffen besteht nicht bzw. wurde eine solche vom Beschwerdeführer im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesasylamt auch nicht behauptet. Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, dass er keinen Kontakt zu diesem Neffen habe. Darüber hinaus verfügt er weder in Österreich noch im Bereich der Europäischen Union (einschließlich Norwegen und Island) über aufenthaltsberechtigte Verwandte und lebt auch nicht mit jemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Aus diesem Grund verstößt eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Ungarn nicht gegen Art. 8 EMRK.

 

Betreffend die mit dem Beschwerdeführer mitgereisten Mitglieder der Kernfamilie (Ehefrau und vier minderjährige Kinder) wird der Vollständigkeit halber angeführt, dass deren Beschwerden gegen die abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes ebenfalls abgewiesen werden und sämtliche Mitglieder der Kernfamilie gemeinsam nach Ungarn überstellt werden.

 

Im gegenständlichen Fall liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07 und VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07).

 

3.5.4. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO aufgrund einer drohenden Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK besteht.

 

3.5.5. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.

 

3.5.6. Hinsichtlich Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes im Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.

 

3.5.7. Die Beschwerde erwies sich somit als nicht berechtigt und war daher spruchgemäß abzuweisen.

 

3.5.8. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden. Angesichts des Spruchinhaltes erübrigt sich eine gesonderte Erwägung betreffend eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, Intensität, Lagerbedingungen, Lebensgrundlage, real risk, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008), Volksgruppenzugehörigkeit
Zuletzt aktualisiert am
07.05.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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