Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch M.B.L. - HSG RechtsanwaltsgmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Wasserverband O*****, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher RechtsanwaltsgmbH in Spittal/Drau, wegen 273.839,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Mai 2008, GZ 5 R 135/07y-143, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. April 2007, GZ 50 Cg 50/02d-125, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird dahin Folge gegeben, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben wird. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung:
Die klagende GmbH erhielt bei einem Ausschreibungsverfahren für Kanalbauarbeiten als Best- und Billigstbieter den Zuschlag. Mit Schreiben vom 7. Mai 1998 beauftragte sie der beklagte Verband mit der Durchführung der Arbeiten. Diese begannen am 5. Juni 1998. Die klagende Partei legte letztlich eine Schlussrechnung Nr 99/037 vom 14. Juni 1999 über einen Betrag von netto 10.812.332,45 S (= 785.762,85 EUR), was von der beklagten Partei auf netto 5.645.951,95 S korrigiert wurde.
Mit ihrer am 3. September 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei aufgrund ihres Anbots und von Nachtragsanboten restliche 273.839,90 EUR sA. Sie begehrte auch darin enthaltene Mehrkosten durch die Baueinstellung von 1.156.887,79 S, weil für den nicht ausgeführten Teil ein Anspruch auf Abgeltung der Nachteile wegen Minderungen und Entfalls der Leistung bestehe. Zwischen den Streitteilen seien die Förderungsrichtlinien nicht als Vertragsinhalt vereinbart worden, auf diese sei nicht hingewiesen worden. Sie habe die Baueinstellung nicht verschuldet. Dass sie Nachtragsanbote in beträchtlicher Höhe habe legen müssen, sei ein Indiz dafür, dass die Ausschreibung nicht hinreichend genau gewesen sei, was vor allem für die Leistungsbeschreibung zu gelten habe. Verjährung sei nicht eingetreten. Nach Baufertigstellung sei von der Auftraggeberin für alle Bauteile ein Ausführungsplan vorgelegt worden, welcher als Grundlage für die Abrechnung gedient habe. Diese Ausführungspläne habe sie erst im März 1999 zugestellt erhalten, den letzten Ausführungsplan überhaupt erst am 28. Mai 1999. Unter Berücksichtigung der Prüffrist sowie des Datums der Schlussrechnung vom 14. Juni 1999 und des Umstands, dass die Endabnahme überhaupt erst im Jahr 2002 erfolgt sei, sei die am 3. September 2002 eingebrachte Klage jedenfalls rechtzeitig. Die von der beklagten Partei aus dem Titel der Preisminderung und des Schadenersatzes vorgenommenen Abzüge seien nicht gerechtfertigt. Auch seien nach Legung der Schlussrechnung weitere Gespräche geführt worden, weshalb eine Verjährung nicht möglich sei.
Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Es sei vertraglich vereinbart gewesen, dass Arbeiten, die über den Rahmen des Leistungsverzeichnisses hinausgingen, nur über ausdrückliche Genehmigung des Auftraggebers ausgeführt werden dürften und Nachtragsanbote vor Inangriffnahme solcher Arbeiten einzureichen seien. Zur Position „Spundwände" habe die klagende Partei Mehrarbeiten ohne ausdrückliche Genehmigung der beklagten Partei teilweise ausgeführt und zunächst kein Nachtragsanbot gelegt. Sofort nach Erhalt des ersten Nachtragsanbots habe sie mit der klagenden Partei Gespräche geführt und darauf hingewiesen, dass dieses massiv verspätet und sachlich nicht gerechtfertigt sei. Sollte es aufrecht erhalten werden, würde die durch die Förderungsrichtlinie gesetzte Grenze überschritten werden. Da die klagende Partei trotzdem nicht bereit gewesen sei, dieses Nachtragsanbot zurückzunehmen und auch wegen anderer wesentlicher Gründe, habe die beklagte Partei zwangsläufig die Baueinstellung verfügen müssen. Der Werkvertrag sei daher aus dem alleinigen Verschulden der klagenden Partei aufgelöst worden. Lange nachher seien noch zwei weitere Nachtragsanbote eingelangt. Die Schlussrechnung sei massiv unrichtig und daher zu korrigieren gewesen. Es sei auch noch ein Betrag von 170.202,79 S als Qualitätsabzug abzuziehen gewesen. Bei Haftungsabnahme im Sommer 2002 seien mehrere Mängel festgestellt worden, die die klagende Partei teilweise behoben habe. Diverse Kanalstränge seien nicht plangemäß ausgeführt worden, was Preisminderungsansprüche von 160.202,79 S rechtfertige. Hinzu kämen noch Mängelbehebungskosten in der Gesamthöhe von 10.000 S. Durch eine unsachgemäße Arbeitsweise sei es nach einer Rohrpressung zu Gleissetzungen gekommen, wodurch der Österreichischen Bundesbahn ein Schaden von netto 81.897,30 S entstanden sei, für den auch die klagende Partei zu haften habe. Durch eine von dieser in einem Getreidefeld liegen gelassene Kette sei ein Mähdrescher beschädigt worden. Auch für den dadurch aufgelaufenen Schaden von 35.906,40 S habe die klagende Partei zu haften.
In der Folge brachte die beklagte Partei teilweise abweichend dazu vor, sie habe zu keinem Zeitpunkt den Bau eingestellt. Vielmehr habe die klagende Partei nach dem 6. Oktober 1998 keine weiteren Arbeiten mehr durchgeführt, nachdem sie auf die Begrenzung der zur Verfügung stehenden Mittel hingewiesen habe. Letztlich sei die Baueinstellung erst Mitte Dezember 1998, und zwar durch die klagende Partei selbst, grundlos erfolgt. Einen daraus entstandenen Schaden habe die klagende Partei selbst zu tragen.
Nachdem sich die beklagte Partei in der Klagebeantwortung noch auf den Standpunkt gestellt hatte, der restliche Werklohn sei wegen eines noch vorhandenen behebbaren Mangels zumindest teilweise nicht fällig, brachte sie mit dem Schriftsatz vom 22. Jänner 2003 (ON 9) erstmals vor, das Klagebegehren sei verjährt, weil die klagende Partei die Teilschlussrechnung um zumindest ein halbes Jahr verspätet gelegt habe. Für den Beginn des Laufs der Verjährung sei nicht das Rechnungsdatum, sondern der Zeitpunkt der erstmöglichen Abrechnung und Rechnungslegung maßgeblich. Es wäre der klagenden Partei zumutbar gewesen und sie wäre dazu verpflichtet gewesen, die Teilschlussrechnung spätestens zur Jahreswende 1998/1999 zu legen. Unter Berücksichtigung einer Prüffrist - im günstigsten Fall 90 Tage, wenn man diese Teilrechnung unrichtigerweise als Schlussrechnung qualifizieren würde - sei die Klageforderung bei Einbringung der Klage am 3. September 2002 verjährt gewesen.
Das Erstgericht sprach der klagenden Partei 80.215,66 EUR sA zu und wies das Mehrbegehren von 193.624,24 EUR ab.
Es traf umfangreiche Feststellungen, von denen als für die vorliegende Entscheidung über die Verjährungsfrage wesentlich nur folgende hervorgehoben werden:
Der Kanalstrang 2.1 bis 2.2 wurde von der klagenden Partei in einem Bogen und nicht geradlinig ausgeführt, beim Strang 3.1 bis 3.2 wurde das Kanalgefälle zu gering ausgeführt, auch im Bereich der Bahnpressung wurde das Soll-Gefälle unterschritten bzw die Rohrverfüllung nicht zur Gänze ausgeführt. ... Da die Klägerin ... Teile des Kanalstrangs nicht plangemäß und wie vertraglich vereinbart ausgeführt hat, liegt trotz Funktionsfähigkeit ein Mangel hinsichtlich einer ausdrücklich bedungenen Eigenschaft (Kanalgefälle) vor. ...
Die Heranziehung eines Durchschnittspreises ist darin begründet, dass kein Mangel hinsichtlich der Leistungen vorliegt, die mit einer Position abgerechnet wurden, sondern funktionelle Mängel in Teilen des Gesamtwerks, weshalb alle Positionen entweder mittelbar oder unmittelbar von den Mängeln betroffen sind. Die Arbeiten der klagenden Partei waren noch mit einem weiteren Mangel behaftet. Im Bereich der Schachteinmündung S 3.1 ... wurde diese richtungsmäßig falsch, also nicht ganz exakt hergestellt. Außerdem wurde bei der Pumpstation die Wand durch einen defekten Pumpbauschlauch von der Taucherpumpe etwas verschmutzt, was zunächst einmal so belassen wurde.
Es kann nicht festgestellt werden, ob und wenn ja, welche Unterlagen die klagende Partei für die Schlussabrechnung von der beklagten Partei zur Verfügung zu stellen waren bzw wann allfällige Abrechnungsunterlagen zur Verfügung gestellt wurden. Jedenfalls gab es noch Mitte Jänner 2000 keine Abnahme der Arbeiten der klagenden Partei durch die beklagte Partei, dies wegen geltend gemachter Mängel (Beil ./P). Noch am 12. Juli 2002 wurde von der Bauleitung der beklagten Partei eine Mängelliste verfasst, in welcher teilweise nicht behebbare, durch Qualitätsabzüge berücksichtigte, teilweise behebbare Mängel angeführt waren, wobei hinsichtlich letzterer die klagende Partei zur Mängelbehebung bis 12. August 2002 aufgefordert wurde. Dem kam die klagende Partei dann auch nach. Es handelte es sich um die „Schlussfeststellung" (Haftungsendbauabnahme) seitens der beklagten Partei.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht (ua) die geltend gemachte Verjährung. Die klagende Partei habe die Mehrkosten für Baueinstellung und Massenmehrung dem Grunde nach rechtzeitig schriftlich angezeigt bzw geltend gemacht. Die Mehrkosten im Zusammenhang mit der Baueinstellung habe sie überhaupt nicht selbst ermitteln können. Im Hinblick darauf, dass sie noch bis Dezember 1998 letzte Ergänzungsarbeiten durchgeführt habe und danach erst die endgültigen Mengen zu ermitteln gewesen seien bzw hinsichtlich der Berechnung der Mehrkosten eine Sachverständigenberechnung einzuholen gewesen sei, liege eine verspätete Geltendmachung weder hinsichtlich NA [Nachtragsanbot] 3.2 noch auch NA 3.3 vor. Erst im Juli 2002 sei es zur „Schlussfeststellung" durch die Bauleitung der beklagten Partei gekommen. Bis dahin seien die Arbeiten noch nicht endgültig abgenommen gewesen und es habe danach noch letzte Mängelbehebungen gegeben. Es lägen daher keine Anhaltspunkte für eine verspätete Herstellung der Schlussrechnung durch die klagende Partei bzw für eine verspätete Einbringung der Klage vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht, jener der beklagten Partei dagegen dahin Folge, dass es das Klagebegehren insgesamt abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Gericht zweiter Instanz gelangte bei Behandlung der Rechtsrüge der beklagten Partei zur Auffassung, dass das Klagebegehren insgesamt verjährt sei, weshalb es sich auch erübrige, konkret auf die weiteren Berufungsgründe einzugehen. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens beziehe sich nicht auf den zur Lösung der Verjährungsfrage wesentlichen Sachverhalt.
Die Streitteile hätten vereinbart, dass Teilzahlungen grundsätzlich nur für erbrachte Leistungen erfolgen sollten und Teilrechnungen mit den Massenaufstellungen entsprechend den Positionen des Leistungsverzeichnisses zu belegen seien. Das Zahlungsziel habe 30 Tage betragen. Die Schlussrechnung samt überprüfbaren Unterlagen sei gemäß Ö-Norm B 2110 spätestens 90 Kalendertage nach vertragsgemäßer Erfüllung der Leistung (endgültige Fertigstellung und Übernahme durch den Auftraggeber) dem Auftraggeber vorzulegen. Das Zahlungsziel für die Schlussrechnung betrage 90 Tage. Ein fixes Pauschalentgelt sei nicht vereinbart worden. Fehle es an einem solchen, werde der Werklohn nicht schon mit Vollendung des Werks, sondern erst nach Rechnungslegung fällig. Der Unternehmer dürfe allerdings den Beginn der Verjährung nicht durch eine ungebührliche Verzögerung der Rechnungslegung hinausschieben. Fehle es an einer Vereinbarung über den Zeitpunkt der Rechnungslegung, beginne die Verjährung nach Ablauf einer angemessenen Frist zu laufen, innerhalb deren die Rechnungslegung objektiv möglich gewesen wäre. Ihre Dauer werde durch die Verkehrsübung bestimmt.
Die klagende Partei habe ab Jänner 1999 wegen bestehender Auffassungsunterschiede über die von ihr gelegten Nachtragsanbote keine weiteren Arbeiten mehr durchgeführt. Sie habe den ihr erteilten Werkvertrag nicht zur Gänze erfüllt. Obgleich daher nicht von einer Schlussrechnung im vertraglich gemeinten Sinn unmittelbar gesprochen werden könne, sei es unter Zugrundelegung eines redlichen Parteiwillens nur vernünftig, diese vertragliche Vereinbarung auch auf diesen Sachverhalt anzuwenden. Es könne mangels endgültiger Fertigstellung nur auf den von den Parteien gewählten Begriff der „Übernahme" abgestellt werden. Diese erfolge grundsätzlich dann, wenn das Werk in die Verfügungsmacht des Bestellers gelangt sei. In derartigen Fällen bedürfe es einerseits der ausdrücklichen oder doch schlüssigen Erklärung des Werkunternehmers, dass das Werk beendet sei, andererseits aber auch einer ausdrücklichen oder schlüssigen Erklärung des Werkbestellers, die Erfüllung des Werkauftrags zur Kenntnis zu nehmen. Schon im Dezember 1998 sei für beide Teile klar gewesen, dass die klagende Partei keine weiteren Leistungen mehr erbringen werde. Damit sei von einer Beendigung des Werks im Dezember 1998 auszugehen und daraus auch konkludent zu schließen, dass damit die Übergabe des Werks erfolgt sei. Diese unterscheide sich vom Begriff der „Abnahme", der der österreichischen Rechtsordnung fremd sei. Dieser komme aber in der Praxis durchaus in dem Sinn vor, dass bei der Abnahme des Werks gemeinsam die vertragsgerechte Leistung festzustellen und in einem Protokoll festzuhalten sei. Dass die Parteien die beiden Begriffe sinngleich verwenden hätten wollen, könne nicht unterstellt werden, weil bei beiden Teilen Branchenkenntnis vorausgesetzt werden müsse.
Aufgrund dieser Überlegungen sei die klagende Partei verpflichtet gewesen, die Schlussrechnung spätestens 90 Tage nach Beendigung der Arbeiten zu legen. Im Hinblick auf die unbekämpft gebliebenen Negativfeststellungen sei es der klagenden Partei nicht gelungen, den ihr obliegenden Beweis zu erbringen, dass ihr der letzte Ausführungsplan erst am 28. Mai 1999 übermittelt worden sei. Wenn sich die klagende Partei zur „Abnahme" auf die erst im Jahr 2002 erfolgte Endabnahme berufe, sei ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei um die sogenannte Schlussfeststellung (Haftungsendbauabnahme) gehandelt habe, die keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist haben könne, weil sie nur für die Freigabe des Haftrücklasses wesentlich sei. Dass überhaupt Mängel vorgelegen seien, die einen Einfluss auf den Eintritt der Fälligkeit des Werklohns hätten haben können, sei weder behauptet worden, noch ergebe sich dies aus den getroffenen Feststellungen. Im Übrigen nehme auch ein Schreiben einer Zivilingenieurgemeinschaft vom 14. Jänner 2000 (Beil ./B) auf konkrete Mängel nicht Bezug. Daher wäre die klagende Partei verpflichtet gewesen, bis spätestens 31. März 1999 Rechnung zu legen. Unter Berücksichtigung des Zahlungsziels von 90 Tagen sei der Werklohn am 30. Juni 1999 fällig gewesen, womit der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB begonnen habe. Die aufgrund der am 12. Juli 2002 von der Bauleitung des beklagten Verbands verfassten Mängelliste durchgeführten Mängelbehebungsarbeiten berührten die bereits eingetretene Verjährung des Anspruchs schon deshalb nicht, weil die Behebung der Mängel lediglich im Zusammenhang mit der Haftungsendbauabnahme gestanden sei. Selbst wenn man die vertragliche Vereinbarung über die Frist zur Rechnungslegung nicht anwende, erscheine eine Frist von 90 Tagen als durchaus angemessen. Auch die klagende Partei habe keine andere Branchenüblichkeit behauptet. Daher sei der gesamte Anspruch der klagenden Partei im Hinblick auf die erst am 3. September 2002 eingebrachte Klage verjährt.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt. Die Behandlung der Revision in der Sache ist ein Gebot der Rechtssicherheit (§ 502 Abs 1 ZPO). Das Berufungsgericht gelangte im Ergebnis zu einer nicht mehr vertretbaren Auslegung der Verjährungsregeln im Einzelfall.
Der behauptete Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens liegt, wovon sich der erkennende Senat überzeugte, in Wahrheit nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Entgegen der Meinung der Revisionswerberin widerspricht der nicht sofort in der Klagebeantwortung erhobene Verjährungseinwand keineswegs dem Grundsatz Treu und Glauben. Es steht den Parteien grundsätzlich frei, ihr Prozessvorbringen zu ändern. Auch wenn der Verjährungseinwand (in gewissem Widerspruch zur zunächst behaupteten mangelnden Fälligkeit wegen fortbestehender Mängel) erst nach Beginn der mündlichen Streitverhandlung im Schriftsatz ON 9 erhoben wurde, geschah dies doch weniger als sechs Monate nach Beginn des Prozesses und mehr als vier Jahre vor Fällung des Urteils erster Instanz (ON 125). Abgesehen davon, dass in erster Instanz ein Beharren der beklagten Partei auf Mängelbehebung nicht behauptet wurde, kommt es aus den in der Folge darzulegenden Gründen auf einen Verstoß des Verjährungseinwands gegen Treu und Glauben nicht an. Dennoch wendet sich die klagende Partei zu Recht gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ihre Ansprüche wären insgesamt bereits bei Einbringen der Klage verjährt gewesen:
Werklohnforderungen verjähren nach § 1486 Z 1 ABGB binnen drei Jahren. Wurde nicht im Vorhinein ein fixer Werklohn (pauschal) vereinbart, wird dieser nicht mit der Vollendung des Werks, sondern erst mit Übermittlung der Rechnung fällig, damit beginnt auch die Verjährungsfrist (RIS-Justiz RS0021821; RS0034319). Wurde allerdings ein Zeitpunkt für die Rechnungslegung vereinbart, so ist dieser für den Beginn der Verjährung maßgebend (10 Ob 2417/96f mwN). Wer Verjährung einwendet, hat die diese Einrede begründenden Tatsachen vorzubringen und zu beweisen (5 Ob 265/02k; 1 Ob 47/08f). Korrespondiert nun grundsätzlich der Beginn der Verjährungsfrist für Forderungen mit deren Fälligkeit (Dehn in KBB2, § 1478 Rz 2 mwN), dann folgt daraus notwendigerweise, dass die Verjährungsfrist für den Werklohn (oder Kaufpreis) erst von dem Zeitpunkt an läuft, in dem der Unternehmer (bzw Verkäufer) die seinem Anspruch entgegenstehende Einrede des nicht erfüllten Vertrags durch Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden) beseitigt hat (RIS-Justiz RS0020041).
Im vorliegenden Verfahren hat nun die beklagte Partei noch vor Erheben des Verjährungseinwands mangelnde Fälligkeit des Werklohns wegen bestehender Mängel geltend gemacht. Zwar hat sie in der Folge (mit Schriftsatz ON 9) zulässigerweise diesen Einwand nachgetragen, es ergibt sich aber aus ihrem neuen Vorbringen keineswegs, dass sie ihr früheres zu auch behebbaren Mängeln widerrufen oder geändert hätte. Demnach behauptete der beklagte Werkbesteller nach wie vor derartige Mängel, die die Fälligkeit des Werklohns hinauszuschieben geeignet waren.
Es kann daher der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz nicht gefolgt werden, es seien überhaupt keine Behauptungen über Mängel vorgelegen, die einen Einfluss auf den Eintritt der Fälligkeit des Werklohns haben hätten können. Darüber hinaus ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts (S 41 seines Urteils), dass noch vor Mitte Jänner 2000 [von der beklagten Partei] Mängel geltend gemacht und die behebbaren Mängel nach einer Mängelliste vom 12. Juli 2002 über Aufforderung der beklagten Partei bis 12. August 2002 behoben wurden. Zutreffend ging zudem das Erstgericht davon aus, dass das Vorliegen derartiger Mängel zwischen den Parteien ohnehin unstrittig geblieben ist. Mit seiner Ansicht, dass die festgestellten Mängel nur für die „Schlussfeststellung (Haftungsendbauabnahme)", nicht aber für den Beginn der Verjährungsfrist von Bedeutung seien, übersieht das Berufungsgericht den aufrecht gebliebenen Einwand des Werkbestellers der fehlenden Fälligkeit wegen der Mängel. Für die Bejahung der Fälligkeit trotz gegebener Mängel hätte es der Behauptung bedurft, dass das Werk im Wesentlichen mängelfrei sei und die Mängel nur von so geringfügiger Bedeutung gewesen wären, dass die Zurückbehaltung des gesamten (restlichen) Werklohns schikanös wäre und dadurch die Fälligkeit unberührt bliebe (2 Ob 256/05v mwN).
Da der beklagte Verband einen derartigen Sachverhalt nicht behauptete, ist an die Behauptungslast der zum Verjährungseinwand replizierenden klagenden Partei kein strenger Maßstab anzulegen. Immerhin wurden Gespräche nach dem 14. Juni 1999 ins Treffen geführt, was nicht nur Vergleichsgespräche (zu deren Unterbrechungswirkung: RIS-Justiz RS0034450), sondern auch solche über die verlangten Verbesserungsarbeiten inkludiert. Aus den getroffenen Feststellungen ist als Ergebnis dieser Gespräche die einverständliche Fortsetzung der Tätigkeit der klagenden Werkunternehmerin abzuleiten. Dass die klagende Partei mit der Behebung der Mängel säumig geblieben wäre, was zur Folge hätte, dass die Verjährung schon in dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, in welchem dem Unternehmer die Mängelbehebung objektiv möglich gewesen wäre (2 Ob 256/05v mwN), hat die beklagte Partei in erster Instanz nicht geltend gemacht. Damit ist aber der beklagten Partei der Beweis nicht gelungen, dass die Verjährungsfrist vor dem 15. September 1999, wie von der klagenden Partei (in ON 15) selbst zugestanden, zu laufen begonnen hätte. Demnach war die Werklohnforderung bei Einbringen der Klage am 3. September 2002 noch nicht verjährt.
Diese Beurteilung muss zur Aufhebung des Urteils der zweiten Instanz führen, die sich nun der Prüfung der Berufungen beider Parteien ohne Rücksicht auf den Verjährungseinwand zu unterziehen haben wird. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E901573Ob200.08wSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inbbl 2009,149/120 - bbl 2009/120 = ecolex 2009/258 S 674 - ecolex2009,674XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00200.08W.0225.000Zuletzt aktualisiert am
28.08.2009