Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Edith S*****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Heinz-Peter E*****, vertreten durch Dr. Helmut Sommer und Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 6.635,24 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 5.000 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 25. April 2008, GZ 1 R 289/07f-16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 23. August 2007, GZ 20 C 148/07v-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 445,82 EUR (darin 74,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Eine am 24. 6. 2006 verstorbene Person (in der Folge „Erblasser") übergab der Klägerin zu Lebzeiten zwei legitimierte Sparbücher mit einem Einlagestand von je 10.000 EUR und äußerte sich dazu - in Anwesenheit der Mutter der Klägerin, deren Vater, deren Großmutter, deren damaligem Lebensgefährten (und nunmehrigem Ehemann) und dessen Mutter - mit den Worten: „Falls ich stirb, gehören sie dir." In der Folge wurde der Nachlass zu einem Viertel dem Beklagten und zu drei Viertel einer dritten Person eingeantwortet. Die Klägerin übergab die Sparbücher dem Gerichtskommissär.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin unter anderem - nur dies ist noch Gegenstand des Revisionverfahrens - vom Beklagten 5.000 EUR sA mit dem Vorbringen, der Erblasser habe ihr die beiden Sparbücher in Anwesenheit von drei fähigen Zeugen vermacht und übergeben, weshalb sie vom Beklagten den seiner Erbquote entsprechenden Anteil fordere. Der Beklagte bestritt das Vorliegen eines Vermächtnisses. Das Erstgericht sprach der Klägerin die begehrten 5.000 EUR sA zu. Nach § 594 ABGB sei ein Erbe oder Legatar „in Rücksicht" des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge, ebensowenig dessen Gatte, Eltern, Kinder, Geschwister oder eben in dem Grade verschwägerte Personen und die besoldeten Hausgenossen. Der Personenkreis des § 594 ABGB sei abschließend aufgezählt; eine Ausdehnung auf dort nicht Genannte sei nicht vorzunehmen. Im vorliegenden Fall handle es sich bei der durch den Erblasser erfolgten Übergabe der Sparbücher an die Klägerin samt seinen begleitenden Worten in Anwesenheit von drei fähigen Zeugen - der Großmutter der Klägerin, deren damaligem Lebensgefährten (und nunmehrigem Ehemann) und dessen Mutter - um ein formgültiges Vermächtnis.
Das Berufungsgericht wies dieses Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es liege in Ermangelung von drei fähigen Zeugen keine formgültige letztwillige Verfügung vor. Auch die Großmutter der Klägerin sei unfähig im Sinne des § 594 ABGB, zumal gemäß § 42 ABGB unter „Eltern" alle Verwandten in der aufsteigenden Linie zu verstehen seien. Die Revision sei zuzulassen, weil - mit Ausnahme der Entscheidung 2 Ob 639/90 - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Großeltern einer in einer letztwilligen Verfügung bedachten Person fähige Testamentszeugen im Sinne des § 594 ABGB seien, fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin erhobene Revision ist entgegen dem - gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Das in Frage stehende Vermächtnis datiert aus der Zeit vor dem 1. 1. 2005, weshalb die §§ 584 bis 586 ABGB noch zur Anwendung kommen (FamErbRÄG BGBl I 2004/58).
§ 585 ABGB verlangt für die Gültigkeit eines außergerichtlichen mündlichen Testaments die Gegenwart von drei fähigen Zeugen. Gemäß § 594 ABGB ist ein Erbe oder Legatar in Rücksicht des ihm zugedachten Nachlasses kein fähiger Zeuge, und ebensowenig dessen Gatte, Eltern, Kinder, Geschwister oder in eben dem Grade verschwägerte Personen und die besoldeten Hausgenossen.
Gemäß § 42 ABGB werden unter dem Namen Eltern in der Regel ohne Unterschied des Grades alle Verwandte in der aufsteigenden und unter dem Namen Kinder alle Verwandte in der absteigenden Linie begriffen. In einer Entscheidung aus 1890 (GlU 13120) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass der im § 594 ABGB vorkommende Ausdruck „Eltern" nach dem Wortlaut dieses Paragraphen in Verbindung mit anderen Gesetzesstellen (§§ 735, 738 ABGB) nur auf die Eltern des Erben oder Legatars selbst bezogen werden könne, zumal dort, wo im Kontext des Gesetzes der Ausdruck „Eltern" ohne weiteren Beisatz vorkomme, darunter nur die „nächsten Eltern" - und nicht auch die Großeltern - verstanden würden.
In der Entscheidung 2 Ob 639/90 erachtete der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf § 42 ABGB den Großvater des präsumtiven Vermächtnisnehmers als gemäß § 594 ABGB unfähigen Zeugen, denn unter „Eltern" seien alle Verwandten in der aufsteigenden Linie zu verstehen. Von der früheren, gegenteiligen Meinung sei schon vor langer Zeit abgegangen worden.
Dieses Verständnis wird auch von der herrschenden Lehre geteilt. Schon Weiß (in Klang, ABGB2 III 340) führte aus, dass die herrschende Lehre unter Eltern und Kinder alle Aszendenten und Deszendenten einbeziehe. Ihr sei beizutreten, weil § 42 ABGB nicht ausnahmslos gelte und der Gesetzesgrund der Befangenheit für alle vermöge ihres nahen gesetzlichen Erbrechts besonders interessierten Verwandten bestehe und das Gesetz selbst erheblich fernerstehende Angehörige (Schwäger) ausschließe. Dem schlossen sich Kralik (Erbrecht 143), Welser (in Rummel, ABGB3, §§ 591-596 Rz 3), Eccher (in Schwimann, ABGB3 § 594 Rz 3) und Apathy (in KBB, ABGB2 § 594 Rz 2), an. Auch Knoll (in JBl 1985, 596 [601]) bezeichnet diese Auslegung des Begriffs „Eltern" als auf einem sehr überzeugenden Argument (weil der sonst im Gesetz vorgenommene Ausschluss sich auf einen erheblich fernerstehenden Personenkreis erstreckte) beruhend. Lediglich von Krasnopolski/Kafka (Lehrbuch V 72) wurde eine Interpretation iSd § 42 ABGB „aussagearm" (so Knoll aaO) abgelehnt.
Somit ist festzuhalten, dass gemäß jüngerer Rechtsprechung und nahezu einhelliger Lehre Großeltern als „Eltern" im Sinne von § 594 ABGB und demnach als zeugnisunfähig angesehen werden.
Der Einwand der Klägerin, dass in der Entscheidung 2 Ob 639/90 die Großeltern nur deshalb als zeugnisunfähig qualifiziert worden seien, weil sie konkret die „Elternrolle" wahrgenommen hätten, ist unzutreffend. Aus dem entsprechenden Textteil dieser Entscheidung ergibt sich vielmehr, dass der Großvater des Begünstigten als gemäß § 594 ABGB unfähiger Zeuge betrachtet wurde, zumal gemäß § 42 ABGB unter „Eltern" alle Verwandten in der aufsteigenden Linie zu verstehen seien. Die Begründung für die Zeugnisunfähigkeit lag sohin in der Eigenschaft als „Großvater".
Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen 7 Ob 64/03t und 3 Ob 233/04t stehen zu dem aus der Entscheidung 2 Ob 639/90 abgeleiteten Rechtssatz, dass Großeltern zeugnisunfähig im Sinne von § 594 ABGB seien, nicht im Widerspruch. In 7 Ob 64/03t wurde betreffend den Lebensgefährten des Bedachten judiziert, dass die Aufzählung des Personenkreises in § 594 ABGB eine erschöpfende und dass eine analoge Anwendung des § 594 ABGB abzulehnen sei. Dasselbe soll gemäß 3 Ob 233/04t für den Arbeitskollegen des eingesetzten Erben und für den Lebensgefährten von dessen Mutter gelten. Keine der beiden Entscheidungen befasste sich mit der Frage der Zeugnisfähigkeit von Großeltern im Zusammenhang mit § 42 ABGB.
Für die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ist ohne Relevanz, dass in einzelnen Bestimmungen des ABGB die Auslegungsregel des § 42 ABGB in abweichender Bedeutung vorkommt (vgl Stabentheiner in Rummel, ABGB3, §§ 40-42 Rz 1). Unerheblich ist auch, ob diese Bestimmung als „gesetzgeberische Fehlleistung" zu qualifizieren ist (so Posch in Schwimann, ABGB3 § 42 Rz 1 f mwN). Die genannte Gesetzesbestimmung (§ 42 ABGB) wurde im Zusammenhang mit § 594 ABGB vom Obersten Gerichtshof - im Einklang mit der herrschenden Lehre - in einer bestimmten Weise nachvollziehbar und logisch einwandfrei ausgelegt, sodass zur hier relevanten Rechtsfrage Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs existiert. Insbesondere das von Weiß verwendete, bereits oben zitierte und von Knoll als „sehr überzeugend" bewertete Argument für die Zeugnisunfähigkeit von Großeltern erachtet auch der erkennende Senat für schlagkräftig.
Folglich mangelt es aber am Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Eine solche wäre etwa dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen wäre, eine solche Rechtsprechung fehlte oder uneinheitlich wäre. Eine einzige Entscheidung, die ausführlich begründet wurde und der nur eine einzige ältere gegenteilige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1890 gegenübersteht, reicht für die Annahme des Vorliegens einer gesicherten Rechtsprechung aus, zumal auch in der Literatur fast ohne Ausnahme - abgesehen von einer Kritik am vom Gesetzgeber gewählten Wortlaut - die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 2 Ob 639/90 gebilligt bzw die gleiche Meinung vertreten wurde (RIS-Justiz RS0042690; RS0103384).
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Anmerkung
E902311Ob181.08mSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2009/295 S 195 - Zak 2009,195 = iFamZ 2009/175 S 244 - iFamZ2009,244 = EF-Z 2009/128 S 195 - EF-Z 2009,195XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00181.08M.0226.000Zuletzt aktualisiert am
08.09.2009