Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl S*****, vertreten durch Dr. Erich Trachtenberg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F***** AG, *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen 17.150 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 1.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsstreitwert 9.075 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2008, GZ 16 R 234/07k-47, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 19. September 2007, GZ 1 Cg 50/04b-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils - insgesamt wie folgt lautet:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 17.150 EUR samt 4 % Zinsen aus 11.150 EUR vom 1. 1. 2003 bis 26. 6. 2007 und aus 17.150 EUR ab 27. 6. 2007 zu zahlen, sowie das Begehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche aus dem Unfall vom 14. 7. 2001 in Zukunft entstehenden Schäden hafte, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit 11.158,54 EUR (darin 1.426,09 EUR USt und 2.602 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Polizeibeamter. Er kam am 14. 7. 2001 im Gebäude eines Flughafens, auf dem Weg von der Passkontrollstelle zu den Büroräumlichkeiten der Grenzkontrollstelle zu Sturz. Vor den Büroräumlichkeiten der Grenzkontrollstelle war ein Seuchenteppich aufgelegt. An dieser Stelle war Seuchenmittel vom Teppich ausgeflossen, weshalb der umliegende Steinboden nass war. Der nachfolgende Teppich, der zum Trocknen gedacht war, war ebenfalls bereits von Flüssigkeit durchtränkt, weil er nicht häufig genug gewechselt wurde. Um seine Saugfähigkeit zu behalten, hätte dieser Teppich mindestens alle zwei Tage ausgewechselt werden müssen. Dies geschah aber oft mehr als fünf Tage lang nicht. Der Teppich war auch nicht in voller Breite vor der Tür ausgelegt, da er für diese Stelle zu schmal war. Vom Teppich bis zu einer Steintreppe, wo der Kläger letztlich stürzte, war deshalb der polierte Steinboden sichtbar feucht. Die Gefahrenstelle war nicht hinreichend kenntlich gemacht, obwohl die Probleme, die aufgrund der baulichen Gegebenheiten bestanden, dem Betreiber des Flughafens bekannt waren. Schilder in ca 20 m Entfernung waren zu weit von der Gefahrenstelle weg, um hinreichend auf die Gefahrensituation gerade an dieser Stelle hinzuweisen. Der Kläger kannte diese Gefahrenstelle, weil er diesen Gang etwa zwanzigmal am Tag benutzen musste, sich diese Teppiche schon seit Wochen dort befanden und auch in dieser Zeit immer zu nass gewesen waren. Er wusste, dass es dort rutschig und dass erhöhte Vorsicht geboten war. Dennoch ging er mit normaler Gehgeschwindigkeit. Er bemerkte, dass seine Schuhsohlen durch den Teppich nass geworden waren und der zweite Teppich diese nicht mehr trocknete. Durch die weißen Spuren am Steinboden war ihm auch bewusst, dass der Boden bis hin zur Treppe bzw Tür feucht war. Als er mit dem rechten Bein auf die unterste Stufe der Treppe stieg, rutschte er ab und verletzte sich am Knie. Der Kläger erlitt Verletzungen, die ein Schmerzengeld von 16.000 EUR rechtfertigen, sowie einen Verdienstausfall von 1.150 EUR.
Der Kläger begehrte daher Schadenersatz von insgesamt 17.150 EUR sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 14. 7. 2001. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Der Seuchenteppich sei unsachgemäß derart stark mit Desinfektionsflüssigkeit durchtränkt gewesen, dass die Schuhsohlen des Klägers so nass geworden seien, weshalb er auf der anschließenden Steinstiege gestürzt sei. Auf eine mögliche Rutschgefahr sei nicht hingewiesen worden. Der Seuchenteppich sei nicht an einer allgemein benützten Stelle, sondern am Zugang zu Büroräumlichkeiten für die dort beschäftigten Mitarbeiter aufgelegt worden.
Die Beklagte wendete mangelnde Passivlegitimation ein und bestritt die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Beim Auflegen des Seuchenteppichs sei die Beklagte als in Pflicht genommene juristische Person des Privatrechts hoheitlich tätig geworden. Ihre Inanspruchnahme scheide daher aus. Im Übrigen sei der Seuchenteppich vorschriftsmäßig verlegt und seien danach trockene Teppiche aufgelegt gewesen, um einer Rutschgefahr entgegenzuwirken. Beim Seuchenteppich sei ein Schild mit der Aufschrift „Achtung Rutschgefahr" aufgestellt und sei eine andere Gesellschaft mit der regelmäßigen, täglichen Reinigung der Seuchenteppiche beauftragt gewesen. Der Kläger, dem der Seuchenteppich bekannt gewesen sei, habe nicht die nötige Vorsicht aufgewendet.
Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren aus rechtlichen Erwägungen ab. Das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen habe am 20. 3. 2001 aufgrund der §§ 2c und 5 TierseuchenG (TSG) eine Kundmachung zur Verhinderung der Einschleppung der Maul- und Klauenseuche nach Österreich veröffentlicht, womit verfügt wurde, dass auf allen österreichischen Flughäfen mit internationalem Flugverkehr vom Flughafenbetreiber unter amtstierärztlicher Aufsicht Seuchenteppiche einzurichten seien. Der Flughafenbetreiber sei verpflichtet worden, dafür Sorge zu tragen, dass alle Passagiere, welche aus dem Ausland eintreffen, diese Seuchenteppiche passieren, und dass die Seuchenteppiche in ordnungsgemäßem Zustand gehalten und betreut werden. Die Beklagte habe daher Verwaltungsaufgaben hoheitlicher Natur besorgt, weil sie gemäß der zitierten Kundmachung in Pflicht genommen worden sei, den Seuchenteppich unter amtstierärztlicher Aufsicht einzurichten. Sie habe somit zusammen mit dem Amtstierarzt an der Hoheitsverwaltung mitgewirkt. Nach dem Wortlaut des § 9 Abs 5 AHG könnten Amtshaftungsansprüche gegen ein Organ als physische Person nicht im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden. Wenn eine juristische Person des Privatrechts, der die Besorgung hoheitlicher Aufgaben übertragen worden sei, in Anspruch genommen werde, sei zwar der Rechtsweg zulässig, es fehle aber an der Passivlegitimation der juristischen Person. Eine zusätzliche privatrechtliche Beziehung zu der in Pflicht genommenen Beklagten habe der Kläger nicht behauptet.
Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers dieses im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Beklagte als in Pflicht genommenes Unternehmen anzusehen sei. Die Beklagte sei zur Besorgung hoheitlicher Aufgaben eingesetzt worden. Werde einer juristischen Person des Privatrechts die Besorgung hoheitlicher Aufgaben übertragen, gelte als Organ des Rechtsträgers jene physische Person, die das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten gesetzt habe. Nur in dem Fall, dass eine physische Person als Organ in Anspruch genommen werde, sei gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig. Selbst ein beliehenes Unternehmen sei von der immunisierenden Wirkung des § 9 Abs 5 AHG nicht umfasst, sondern nur die für dieses handelnde physische Person. Der Rechtsweg für die vorliegende Klage sei somit zulässig. Außerhalb des § 9 Abs 5 AHG sei der Geschädigte nicht gehindert, den durch einen Hoheitsakt verursachten, aber nicht auf AHG gestützten Anspruch auf Schadenersatz im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen. So schlössen Amtshaftung einerseits und Gefährdungshaftung des mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Unternehmens oder Haftung des Unternehmens aus Vertrag andererseits einander nicht aus. Der Kläger stütze seinen Schadenersatzanspruch auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Er mache somit einen deliktischen Schadenersatzanspruch geltend. Jeder der einen Verkehr eröffne, müsse im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer schützen und sie vor Gefahren warnen. Darüber hinaus habe jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seinem Bereich bestehen lasse, dafür zu sorgen, dass sie niemanden schädige. Da Verkehrssicherungspflichten deliktische Pflichten seien, hafte der Verkehrssicherungspflichtige für deren Verletzung durch Gehilfen grundsätzlich nach § 1315 ABGB. Es gäbe „außerhalb des § 9 Abs 5 AHG" keine Rechtsvorschrift, die die Geltendmachung eines solchen Schadenersatzanspruchs verbieten würde. Der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei daher inhaltlich zu prüfen. Da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine Amtshaftung außerhalb des § 9 Abs 5 AHG die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten gegenüber einer juristischen Person des Privatrechts ausschließe, wenn diese zur Unterstützung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben herangezogen werde, nicht bestehe, sei der Rekurs gegen die aufhebende Entscheidung zulässig.
Dieser Aufhebungsbeschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von 8.575 EUR sA und stellte fest, dass sie dem Kläger die Hälfte sämtlicher aus dem Unfall vom 14. 7. 2001 in Zukunft entstehenden Schäden zu ersetzen habe. Das Mehrbegehren wies es ab. Die Beklagte hafte als Wegehalterin gemäß § 1319a ABGB. Sie habe grobes Verschulden zu vertreten, weil der Seuchenteppich unsachgemäß betreut, auf die Gefahr nicht hingewiesen und der zum Trocknen gedachte Teppich zu selten ausgetauscht worden sei. Die Gefahr eines Sturzes mit nassen Schuhsohlen auf dem Steinboden sei evident gewesen. Den Kläger träfe jedoch ein Mitverschulden von 50 %. Er habe die Gefahrenquelle gekannt und hätte sich dementsprechend vorsichtig fortbewegen müssen. Ein normales Gehen an dieser Stelle sei offensichtlich sorglos gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Eine Wegehalterhaftung scheide aus, weil der Unfall nicht auf einem Weg im Sinn des § 1319a Abs 2 ABGB passiert sei. Der Kläger stütze sein Klagebegehren aber auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und mache damit einen deliktischen Schadenersatzanspruch geltend. Verkehrssicherungspflichten verstärkten den Schutz absolut geschützter Rechte (wie Leben, Gesundheit, Eigentum), indem einerseits die Unterlassung von Maßnahmen zur Schadensabwendung für rechtswidrig erklärt und andererseits schon Handlungen verboten würden, die eine abstrakte Gefährdung fremder Güter mit sich brächten. Jeder, der einen Verkehr eröffne (zB auf Wegen oder in Gebäuden), müsse im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer schützen und sie vor Gefahren warnen. Darüber hinaus habe überhaupt jeder, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seinem Bereich bestehen lasse, dafür zu sorgen, dass sie niemanden schädige. Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht könne nur von Fall zu Fall bestimmt werden. Entscheidend sei vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar seien. Die Anforderungen an Verkehrssicherungspflichten dürften nicht überspannt werden, sollten sie keine in Wahrheit verschuldensunabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben. Gerade die im Zusammenhang mit dem Seuchenteppich unvermeidbaren Feuchtigkeitsaustritte hätten weitere Maßnahmen erfordert. Die Beklagte habe den sie treffenden Verkehrssicherungspflichten nicht ausreichend entsprochen. Verkehrssicherungspflichten seien deliktische Pflichten, sodass der Sicherungspflichtige für deren Verletzung durch Gehilfen grundsätzlich nach § 1315 ABGB hafte. Der Geschäftsherr habe für das Verschulden des Besorgungsgehilfen unter anderem einzustehen, wenn dieser untüchtig sei. Untüchtigkeit sei im Sinn eines habituellen Zustands zu verstehen, der vorliege, wenn der Besorgungsgehilfe die für eine bestimmte Arbeit erforderlichen Kenntnisse überhaupt nicht besitze oder wenn er infolge persönlicher Eigenschaften - etwa aus Hang zur Nachlässigkeit - nicht geeignet sei. Dem Haftenden müsse die Untüchtigkeit des Besorgungsgehilfen nicht bekannt gewesen sein. Im Fall der Eingliederung in den Herrschafts- und Organisationsbereich (insbesondere Weisungsgebundenheit) sei auch ein Unternehmer Besorgungsgehilfe. Die Beklagte sei aufgrund behördlicher Anordnung zum Auflegen von Seuchenteppichen verpflichtet gewesen. Der dadurch verursachte Feuchtigkeitsaustritt und die Nässe auf dem polierten Steinboden habe große Rutschgefahr geschaffen. Um diese Gefahr zu reduzieren, wäre das Auflegen saugfähiger trockener Teppiche erforderlich gewesen. Dass trotz der Rutschgefahr die Teppiche oft verspätet getauscht worden seien, sodass diese selbst von Feuchtigkeit durchtränkt gewesen seien und die Nässe auf den polierten Steinboden weiter getragen worden sei, stelle eine besondere Nachlässigkeit dar, weshalb von einem habituellen Zustand (gemeint: der Untüchtigkeit) auszugehen sei. Die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung bedürfe keiner Korrektur.
Der klagsabweisende Teil dieser Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
1. (Un-)Zulässigkeit des Rechtswegs:
Die Beklagte wurde bei der Einrichtung des Seuchenteppichs als in Pflicht genommenes Unternehmen zur Besorgung hoheitlicher Aufgaben tätig.
Nach bisher herrschender Rechtsprechung ist der Rechtsweg zulässig, wenn eine juristische Person des Privatrechts, der die Besorgung hoheitlicher Aufgaben übertragen wurde, in Anspruch genommen wird. Der geklagten juristischen Person mangelt es aber nach dieser Rechtsprechung an der Passivlegitimation. Nur für den Fall, dass eine physische Person als Organ in Anspruch genommen wird, ist der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig und daher die Klage von Amts wegen zurückzuweisen. Dies wurde unter anderem mit dem Zweck der Immunität, nämlich das unmittelbar tätig werdende Organ des Rechtsträgers zu immunisieren und jegliche Einflussnahmen auf dieses Organ zu verhindern, begründet (1 Ob 25/01k = SZ 74/55 mwN).
Schragel (AHG3 Rz 258) tritt demgegenüber dafür ein, § 9 Abs 5 AHG ausdehnend dahin auszulegen, dass auch juristische Personen des Privatrechts, die für hoheitliches Handeln in die Pflicht genommen oder beliehen sind, vom Geschädigten nicht geklagt werden dürfen, es wäre denn, sie stünden mit dem Geschädigten auch in vertraglicher Beziehung, aus welcher sie unter Berufung auf diesen Rechtstitel unabhängig von Amtshaftung in Anspruch genommen werden könnten. Dass der Gesetzgeber dies so sehe, könne aus § 57b KFG geschlossen werden, wonach der Rückersatz(-anspruch) des Rechtsträgers gegen den gemäß § 57 Abs 4 oder gemäß § 57a Abs 2 KFG zur Begutachtung Ermächtigten auch dann besteht, wenn es sich dabei nicht um eine natürliche Person handelt. Der Gesetzgeber des AHG habe wahrscheinlich nicht bedacht, dass spätere Gesetze auch juristische Personen des Privatrechts zur Vollziehung von Gesetzen ermächtigen würden.
Schmaranzer (Glosse zu 7 Ob 175/06w in JBl 2007, 389 [391 ff]) schließt sich dem an. Es sei fraglich, ob die Vorstellung des Gesetzgebers des AHG 1949, dem die Beleihung juristischer Personen fremd gewesen sei, heute noch aktuell sei. Angesichts der zunehmenden Verlagerung hoheitlicher Tätigkeiten auch auf juristische Personen sei heute von einer grundlegenden Wandlung des Organbegriffs auszugehen. Da Ausnahmevorschriften nach allgemeiner Ansicht analogiefähig seien, wenn die Ausdehnung im Rahmen ihrer ratio legis bleibe, wäre es angezeigt, die von Schragel (aaO) genannten Bestimmungen des KFG im Anwendungsbereich des § 1 Abs 2 AHG fruchtbar zu machen. Dafür spreche, dass andernfalls eine geschickt vorgenommene Wahl der Rechtsform über die Haftungsfrage bzw in weiterer Konsequenz über den Haftungsumfang entscheide (Direkthaftung juristischer Personen bei jedem Verschulden ihrer Organe bzw bloße Rückersatzpflicht von Einzelunternehmern ab grober Fahrlässigkeit iSd § 3 AHG). Für eine Gleichbehandlung beliehener juristischer und physischer Personen streite nicht zuletzt auch eine breite Analogie aus Haftungsregeln, worin der Bund die direkte Inanspruchnahme ausgegliederter Unternehmen ausgeschlossen habe (vgl § 7 PostG; § 35 BundesstatistikG; § 14 BundesrechenzentrumG; § 9 BibliothekenverbundG; § 13 Arsenal-Gesellschaft-Gesetz; § 5 BuchhaltungsagenturG; § 21 WasserstraßenverwaltungsG; § 18 IAF-Service-GmbH-Gesetz; § 25 Abs 16 BfW-Gesetz).
Angesichts dieser überzeugenden Lehrmeinungen hält der erkennende Senat die Unterscheidung zwischen physischen und juristischen Personen in Bezug auf die Unzulässigkeit des Rechtswegs iSd § 9 Abs 5 AHG nicht aufrecht. In der Tat ist aus den genannten Gründen eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf juristische Personen geboten. Der Geschädigte ist im Fall der Beleihung von juristischen Personen mit hoheitlichen Befugnissen nicht anders zu stellen als im Fall des unmittelbaren Tätigwerdens einer physischen Person als Organ des Rechtsträgers. § 9 Abs 5 AHG wurde vom Gesetzgeber des AHG 1949 unter anderem aus der Erwägung heraus geschaffen, dass der Geschädigte durch den Rechtsträger ausreichend gesichert sei. Dies trifft auch auf das Tätigwerden von beliehenen bzw in Pflicht genommenen Unternehmen zu. In Bezug auf diese hatte aber der Gesetzgeber im Jahr 1949 keine Veranlassung zur Unzulässigerklärung des ordentlichen Rechtswegs, weil derartige Ermächtigungen zur Setzung von Hoheitsakten an juristische Personen des Privatrechts damals noch nicht dem Rechtsbestand angehörten (siehe die Aufzählung der in jüngerer Zeit erfolgten „Beleihungen" in Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht2 Rz 112).
Somit ergäbe sich für die vorliegende Klage die Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 9 Abs 5 AHG. Dieser Nichtigkeitsgrund kann vom Revisionsgericht aber nur aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels aufgegriffen werden, soweit dem keine gegenteilige bindende berufungsgerichtliche Entscheidung entgegensteht (1 Ob 296/03s mwN). Letzteres ist aber hier der Fall, hat doch das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluss vom 23. 3. 2005 im ersten Rechtsgang ausdrücklich - wenngleich nur in der Begründung - den Rechtsweg für zulässig erklärt (S 10 f in ON 15). Mangels Anfechtung dieser Entscheidung wurde damit über die Zulässigkeit des Rechtswegs endgültig und damit auch den Obersten Gerichtshof bindend abgesprochen.
2. Konkurrenz zwischen Amtshaftung und deliktischen Schadenersatzansprüchen:
Der Kläger stützte seine Ansprüche nicht auf Amtshaftung, sondern allgemein auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Es ist daher zu prüfen, ob die Geltendmachung von deliktischen Schadenersatzansprüchen möglich ist, wenn das Klagebegehren - wie hier - aus einem fehlerhaften Hoheitsakt der beklagten Partei abgeleitet wird.
Diesbezüglich judizierte der erkennende Senat bereits, dass es nicht darauf ankomme, ob die Klage ausdrücklich auf das Amtshaftungsgesetz oder ausdrücklich nicht darauf gestützt werde, weil jedenfalls nicht eine solche Rechtsbehauptung des Klägers, sondern der geltend gemachte und allein durch das Gericht zu beurteilende Streitgegenstand maßgeblich sei (1 Ob 296/03s = SZ 2004/145). Im hier zu beurteilenden Fall ist ausschließlich ein Amtshaftungsanspruch gegeben, zumal aus fehlerhaften Hoheitsakten grundsätzlich nur Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können; Ansprüche nach dem allgemeinen bürgerlichen Recht scheiden daher - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen (spezielle Haftungsbestimmungen iSd Entscheidung 1 Ob 129/02f = SZ 2002/87 bzw zusätzlich bestehende vertragliche Haftung) - aus (1 Ob 179/05p; RIS-Justiz RS0082339). Die im vorliegenden Fall bewirkte Gefährdung des Klägers ist gerade nicht auf einen „Sondertatbestand" zurückzuführen, sondern resultiert einzig und allein aus der hoheitlichen Handlung.
3. Nun tritt die Befreiung des Organs eines Rechtsträgers von der persönlichen Haftung nach § 9 Abs 5 AHG aber nur insoweit ein, als der betreffende Schaden nach den Bestimmungen des AHG (vom Rechtsträger) zu ersetzen ist, somit in den Schutzbereich der verletzten Norm fällt (1 Ob 8/03p). Gehaftet wird demnach grundsätzlich nur für Schäden, die gerade in Verwirklichung jener Gefahr verursacht wurden, um deren Vermeidung willen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten fordert oder untersagt. Dabei ist ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Bestimmung und einem eingetretenen Schaden etwa bereits dann anzunehmen, wenn die übertretene Norm die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen lediglich mitbezweckt (1 Ob 251/05a; Schragel aaO Rz 130).
Im gegenständlichen Fall liegt der Schutzzweck des TSG wohl vornehmlich in der Verhinderung des Auftretens und der Verbreitung sowie der Bekämpfung von Tierseuchen. Die der Beklagten überbundene Verpflichtung, Seuchenteppiche einzurichten, sie in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und zu betreuen, dient aber gewiss auch der Verhinderung von Schäden (jeder Art) aufgrund unsachgemäßer Verlegung bzw Betreuung solcher Seuchenteppiche und ist dies von der übertretenen Norm - der nach den §§ 2c und 5 TSG erlassenen Kundmachung - mitbezweckt. Die Schädigung des Klägers hatte ihren Ursprung gerade in der spezifischen Beschaffenheit der angeordneten Maßnahme, nämlich der Verpflichtung, die Seuchenteppiche in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und zu betreuen. Der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und der übertretenen Norm ist somit gegeben.
4. Zufolge bindend bejahter Zulässigkeit des Rechtswegs, der Tatsache, dass die Beklagte als in Pflicht genommenes Unternehmen anzusehen ist, und mangels Vorliegens eines „Sondertatbestands", auf den die Haftung der Beklagten gegründet werden könnte, mangelt es dieser an der passiven Klagslegitimation in Bezug auf den hier zu behandelnden Amtshaftungsanspruch (siehe hiezu nur Schragel aaO Rz 258).
In Stattgebung der Revision ist das gesamte Klagebegehren sohin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E90230European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00176.08A.0226.000Im RIS seit
28.03.2009Zuletzt aktualisiert am
10.12.2013