TE Vfgh Erkenntnis 1998/6/24 B3212/96, B3213/96, B3214/96, B3215/96

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Veröffentlicht am 24.06.1998
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des von der Behörde denkmöglich angewendeten §27 Abs2 Bgld TourismusG 1992 mit E v 24.06.98, G2/97.

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Burgenland ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit jeweils S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den angefochtenen Bescheiden der Burgenländischen Landesregierung vom 11. September 1996 wurden die Berufungen der

D GmbH gegen die Bescheide des Landesverbandes Burgenland Tourismus vom 21. und 22. August 1996, mit denen gemäß §27 des Gesetzes vom 30. Jänner 1992 über die Organisation und Förderung des Tourismus im Burgenland, LGBl. für das Burgenland 36/1992 idF der LGBl. für das Burgenland 7/1994 und 33/1994 (im folgenden: Bgld. TourismusG 1992), hinsichtlich der im Burgenland befindlichen Filialen der beschwerdeführenden Gesellschaft in Neusiedl am See, Mattersburg, Oberwart und Eisenstadt ein Tourismusförderungsbeitrag in der Höhe von insgesamt S 24.280,-- für das Kalenderjahr 1996 vorgeschrieben wurde, abgewiesen.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 B-VG gestützten - am 3. Oktober 1996 rechtzeitig beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten - Beschwerden, in der die Verletzung bestimmter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und jeweils die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

3. Die Burgenländische Landesregierung als belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die angefochtenen Bescheide verteidigt und beantragt, die Beschwerden abzuweisen.

4. Mit amtswegigem Beschluß vom 5. Dezember 1996, B2798/96 leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "im Sinne des Umsatzsteuergesetzes" in §27 Abs2 Bgld. TourismusG 1992 ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tage, G2/97, hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "im Sinne des Umsatzsteuergesetzes" im §27 Abs2 des Bgld. TourismusG 1992 als verfassungswidrig auf.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G2/97 begann am 3. Oktober 1997. Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof jeweils am 3. Oktober 1996 eingelangt, waren also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G2/97 schon anhängig.

Nach dem Gesagten sind die Fälle daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig befundene Vorschrift an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung des Gesetzes für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war.

Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführende Gesellschaft durch die jeweils angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurde, sowie daß die Bescheide aufgehoben werden (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, 10954/1986, VfGH 14.6.1994, B376/94, VfGH 27.11.1995, B314/95).

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B3212.1996

Dokumentnummer

JFT_10019376_96B03212_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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