Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Dr. T. Solé, als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Valentina D***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 13 Hv 122/08x des Landesgerichts Leoben, über die Grundrechtsbeschwerden 1./ der Angeklagten Valentina D***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 8. Jänner 2009, AZ 10 Bs 536/08m (ON 384) sowie
2./ der Angeklagten Michaela W***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 8. Jänner 2009, AZ 10 Bs 537/08h (ON 383),
nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Valentina D***** und Michaela W***** wurden im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerden werden abgewiesen.
Text
Gründe:
Gegen Valentina D*****, Michaela W***** und weitere Angeklagte ist beim Landesgericht Leoben ein im Stadium der Hauptverhandlung befindliches Verfahren wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen anhängig. Nach der vorliegenden Anklage vom 19. September 2008 werden der Angeklagten D***** ua die Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB, weiters die Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 StGB, der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 StGB und das Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 2 StGB als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall StGB angelastet. Der Angeklagten W***** wiederum liegen die Verbrechen des teils versuchten grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB iVm § 15 StGB, weiters die Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 StGB und der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 StGB zur Last. Mit Beschlüssen des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 25. November 2008, GZ 13 Hv 122/08-350 und 351, wurde die über Valentina D***** und Michaela W***** jeweils am 29. Mai 2008 verhängte Untersuchungshaft nach Beginn der Hauptverhandlung aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fortgesetzt. Den dagegen gerichteten Beschwerden gab das Oberlandesgericht Graz mit den angefochtenen Beschlüssen vom 8. Jänner 2009 (ON 384 betreffend D*****, ON 383 betreffend W*****) nicht Folge und ordnete - mit unbegrenzter Wirksamkeit (§ 175 Abs 5 StPO) - die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem oben angeführten Haftgrund an.
Gegen diese Beschlüsse richten sich die Grundrechtsbeschwerden der Angeklagten Valentina D***** und Michaela W*****; sie schlagen fehl. Nach den Annahmen der angefochtenen Beschlüsse sind die Angeklagten dringend verdächtigt wie folgt:
Valentina D***** soll in Trofaiach und an anderen Orten teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Miroslava T***** und Yulia Y*****
A./ nachgenannte Personen, mögen sie teilweise auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat, als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, der Prostitution nachgehen, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, der Prostitution in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt und sie hiefür angeworben haben, und zwar
I./ gemeinsam mit Miroslava T*****, Yulia Y***** und anderen Personen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter durch arbeitsteiliges Vorgehen, indem sie die nachangeführten Prostituierten in Bulgarien teils für die Prostitution in Österreich rekrutierten, teils aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses nach Österreich „versendeten", die Bustickets von Sofia nach Wien und Graz besorgten, die Prostituierten in Wien abholten, in die Bordelle R***** und S***** nach Graz brachten und dafür Sorge trugen, dass sie in das jeweilige Bordell unmittelbar nach ihrer Ankunft eingegliedert und ihnen dort Unterkunft zur Ausübung der Prostitution gegen die Abnahme eines großen Teils des Lohns und der Provisionen für Getränke gewährt wurden, sowie die Verpflegung und das kontinuierliche Bereitstellen von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution gewährleisteten, und zwar
1./ im Jahr 2003 eine bulgarische Staatsangehörige mit dem Spitznamen „Gabi";
2./ im Herbst/Winter 2003 Tanja M***** sowie eine Person mit dem Spitznamen „Cveti";
3./ Anfang 2004 Marina P*****;
4./ Anfang 2004 Stanmira N*****;
5./ im Jahr 2004 Elka S*****;
6./ im Jahr 2004 Tsvetalina M*****;
7./ von Anfang 2004 bis 23. Oktober 2007 weitere acht Prostituierte
mit bulgarischer Staatsangehörigkeit;
II./ indem sie die nachangeführten Prostituierten in Bulgarien teils für die Prostitution in Österreich rekrutierte bzw rekrutieren ließ, in die Bordelle R***** und S***** in Graz brachte bzw bringen ließ und dafür Sorge trug, dass sie in die Bordelle unmittelbar nach ihrer Ankunft eingegliedert wurden, ihnen dort Unterkunft zur Ausübung der Prostitution gegen Beteiligung am Schandlohn und den Provisionen für Getränke gewährte, sowie die Verpflegung und das kontinuierliche Bereitstellen von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution gewährleistete, und zwar
1./ von Anfang 2004 bis Anfang 2005 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter mit dem abgesondert verfolgten Rumen O***** eine bulgarische Staatsangehörige mit dem Spitznamen „Lili" sowie eine weitere bulgarische Staatsangehörige; 2./ von Anfang 2004 bis Anfang 2005 die bulgarischen Staatsangehörigen Lyubomira I***** und Teodora I***** B./ zu nachgenannten Zeitpunkten mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, teils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nachgenannte Personen ausgenützt, ausgebeutet, sie teils eingeschüchtert, ihnen die Bedingungen der Ausübung der Prostitution vorgeschrieben haben und mehrere solche Personen zugleich ausgenützt haben, indem sie den Nachgenannten den gesamten bzw einen Großteil des Schandlohns abnahm bzw abnehmen ließ, ihnen die Bedingungen vorschrieb bzw vorschreiben ließ, unter welchen die Prostituierten der Prostitution nachzugehen hatten, so insbesondere hinsichtlich Zeit, Ort, Art der Ausübung der Prostitution und Anordnungen darüber, welche Kunden sie zu bedienen hatten sowie hinsichtlich des zu verlangenden Entgelts, es ihnen untersagte, außerhalb der jeweiligen Bordellbetriebe der Prostitution nachzugehen und sie teils durch massive Gewaltausübung bereits im Vorfeld in Bulgarien in einen psychischen Zustand versetzte, in welchem sich die Prostituierten aus Angst nicht mehr frei entscheiden konnten (mitverfolgte Gewalttätigkeiten gegen Dritte, Einsperren, Strafen bei nicht zufriedenstellenden Prostitutionsleistungen, Schilderungen von Gewalttätigkeiten gegenüber anderen Prostituierten - insbesondere auch für den Fall der versuchten Flucht - durch die Angeklagte), und zwar
I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Miroslava T*****, Yulia Y***** und anderen Personen als unmittelbare Täter, teils als Beitragstäter, teils als Bestimmungstäter
1./ im Herbst/Winter 2003 bis Ende 2004 Tanja M*****;
2./ von Herbst/Winter 2003 bis Anfang 2004 eine Person mit dem Spitznamen „Cveti";
3./ von Anfang 2004 bis Jänner/Februar 2006 Stanimira N*****;
4./ von Anfang 2004 bis Jänner/Februar 2005 Marina P*****;
5./ im Herbst/Winter 2003 bis Anfang 2004 Tsvetelina M*****;
6./ von 23. Februar bis zumindest 26. Juli 2004 Elka S***** C./ durch die zumindest konkludente Vereinbarung künftig gemeinsam mit den nachangeführten Mittätern und weiteren nicht näher bekannten Personen Verbrechen nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB durch Verbringung von im Ausland lebenden Ausländerinnen in die Bordelle V*****, R*****, S***** bzw J***** zum Zwecke der Prostitutionsausübung zu begehen, eine kriminelle Vereinigung gegründet haben, und zwar seit zumindest Anfang 2004 gemeinsam mit Miroslava T*****, Yulia Y***** und anderen Personen, sowie sich durch die zu A./I./ geschilderten Tathandlungen an der kriminellen Vereinigung als Mitglied beteiligt haben;
...
E./ als Bestimmungstäterin im Dezember 2004 mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, Tanja M***** und Alois M***** durch die unter dem Eindruck der zu B./I./ gesetzten Tathandlung gemachten Äußerungen, wenn sie nicht 5.000 Euro an „Strafe für die Flucht" bezahlen würden, würden sie Tanja M***** finden, zusammenschlagen und umbringen, sowie, dass sie um ihre Familie Angst haben müsse, wobei die Drohungen durch die Anwesenheit und Drohgebärden des Lyudmil V***** und einer weiteren männlichen Person untermauert wurden, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod sowie zumindest einer Verletzung am Körper und an der Freiheit, zur Übergabe des genannten Geldbetrags, sohin zu einer Handlung, die Alois M***** am Vermögen schädigte, genötigt haben, wobei Valentina D***** gemeinsam mit Miroslava T***** und Yulia Y***** den Tatplan besprach und Lyudmil V***** sowie die weitere männliche Person gegen Bezahlung eines Entgelts für die dargestellte Tathandlung anheuerte. Michaela W***** wiederum soll
A./ zu nachangeführten Zeitpunkten in Trofaiach und anderen Orten im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täterin mit Miroslava T*****, Simeon D***** und anderen Personen nachgenannte Personen, mögen sie bereits der Prostitution nachgegangen sein, mit der Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, der Prostitution in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt haben, indem sie die nachgenannten Prostituierten von Bulgarien nach Österreich verbringen ließ, nach ihrer Verbringung nach Österreich durch die Mitangeklagten für ihre Eingliederung im Betrieb „J*****" in Trofaiach sorgte, ihnen dort Unterkunft zur Ausübung der Prostitution gegen die Abnahme eines großen Teils des Lohns und der Provisionen für Getränke gewährte, sowie die Verpflegung und das kontinuierliche Bereitstellen von Räumlichkeiten zur Ausübung der Prostitution gewährleistete, und zwar
1./ im April 2007 die bulgarische Staatsangehörige Desislava V*****, 2./ im April 2007 die bulgarische Staatsangehörige Dilyana T*****, 3./ im Jahr 2007 die bulgarische Staatsangehörige Borislava B*****, 4./ im Jahr 2007 die bulgarische Staatsangehörige Diana B*****, 5./ von Ende April bis 9. Mai 2007 die bulgarische Staatsangehörige Nevilina P*****,
6./ von Ende April bis 9. Mai 2007 die bulgarische Staatsangehörige Galena M*****, wobei es beim Versuch blieb, weil diese die Passkontrolle in Sofia nicht passieren durfte;
B./ im Zeitraum ab zumindest Anfang 2007 in Trofaiach mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung nachgenannte Personen ausgenützt haben, ihnen die Bedingungen der Ausübung der Prostitution vorgeschrieben und mehrere Personen zugleich ausgenützt haben, indem sie Nachgenannten einen Großteil des Schandlohns sowie die Getränkeprovisionen abnahm, teilweise an die Mitangeklagte Miroslava T***** weiterleitete und ihnen die Bedingungen vorschrieb, unter denen die Prostituierten der Prostitution nachzugehen hatten, insbesondere Zeit, Ort, Art der Ausübung der Prostitution sowie hinsichtlich des zu verlangenden Entgelts, und zwar
1./ seit April 2007 die bulgarische Staatsangehörige Desislava V*****,
2./ seit April 2007 die bulgarische Staatsangehörige Dilyana T*****, 3./ im Jahr 2007 die bulgarische Staatsangehörige Borislava B*****, 4./ im Jahr 2007 die bulgarische Staatsangehörige Diana B*****, 5./ von Anfang Mai bis August 2007 die bulgarische Staatsangehörige Nevilina P*****;
C./ seit zumindest Anfang 2007 in Trofaiach durch die zumindest konkludente Vereinbarung, künftig gemeinsam mit Miroslava T*****, Valentina D*****, Simeon D***** und anderen Personen Verbrechen nach § 217 Abs 1 StGB durch Verbringung von im Ausland lebenden Ausländerinnen in das Bordell „J*****" zum Zweck der Prostitutionsausübung zu begehen, eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich durch die oben geschilderten Tathandlungen an der kriminellen Vereinigung als Mitglied beteiligt haben.
Rechtliche Beurteilung
Zur Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten Valentina D*****:
Die Grundrechtsbeschwerde bekämpft der Sache nach das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts, den angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr und macht überdies eine Unangemessenheit der Dauer der Untersuchungshaft und eine Verletzung des Beschleunigungsgebots geltend.
Nach ständiger Rechtsprechung kann die Begründung des dringenden Tatverdachts im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nur nach den Kriterien des § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO in Frage gestellt werden (vgl RIS-Justiz RS0110146).
Diesem Gebot wird die Beschwerde nicht gerecht. Das Beschwerdegericht hat ohne Verstoß gegen die Kriterien logischen Denkens und grundlegende Erfahrungen begründet, weshalb die Angaben der Mitangeklagten Miroslava T***** ungeachtet der geänderten Verantwortung und Belastungen der Genannten in der Hauptverhandlung nach wie vor den Tatverdacht - auch in Richtung des Verbrechens der schweren Erpressung - als dringend ansehen lassen (vgl ON 384/S 9 f und 11 f). Mit ihrem der Sache nach den dringenden Tatverdacht kritisierenden Vorbringen vermag die Beschwerde weder Begründungsmängel aufzuzeigen, noch erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs hervorzurufen, gibt sie doch lediglich gestützt auf die geänderte Verantwortungslinie der Erstangeklagten Miroslava T***** mit eigenen Beweiswerterwägungen die - vom Beschwerdegericht erörterte (vgl ON 384/S 10) - Aussage der Zeugin Elka S***** in der Hauptverhandlung wieder.
Die rechtliche Annahme einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin erliegende Ermessensentscheidung als unvertretbar (willkürlich) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).
Die vom Oberlandesgericht zur Annahme des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr ins Treffen geführte Verdachtslage des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels als Tat mit schweren Folgen und die zumindest faktische Führung von Bordellbetrieben durch die Angeklagte Valentina D***** sowie die damit verbundene ständige Rekrutierung neuer Prostituierter zur Aufrechterhaltung des Betriebs lassen einen formal einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO zu. Mit dem Hinweis darauf, dass der Tatzeitraum 2006 endete und die Angeklagte ihr Lokal „S*****" ohne Beanstandung seitens der Exekutive geführt habe, gelingt es nicht, eine willkürliche Prognoseentscheidung aufzuzeigen.
Von einer - von der Beschwerde bloß substratlos behaupteten - Unverhältnismäßigkeit der seit Ende Mai 2008 andauernden Untersuchungshaft kann mit Blick auf den Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren und die Bedeutung der Sache ungeachtet der Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin keine Rede sein. Soweit die Beschwerde eine Abschwächung des Tatverdachts mit Bezugnahme auf Ergebnisse der Hauptverhandlungen vom 19., 20. und 21. Jänner 2009 behauptet, argumentiert sie mit Verfahrensergebnissen, die dem Oberlandesgericht zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung noch nicht zur Verfügung standen und verstößt damit gegen das im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0106584).
Die Erkrankung eines Familienangehörigen stellt keinen bei Prüfung der gesetzlichen Kriterien für eine Untersuchungshaft bedeutsamen Umstand dar.
Soweit die Beschwerde behauptet, die Rechtshilfevernehmung der Zeugin S***** in Bulgarien sei wegen der Beiziehung einer gerichtlich nicht beeideten Dolmetscherin beweismäßig nicht verwertbar, leitet sie diese Behauptung nicht aus der Prozessordnung ab.
Auch ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liegt nicht vor. Mit ihrer Kritik an der Dauer vom Einbringen der Beschwerde am 28. November 2008 (ON 357) bis zur Entscheidungsfindung durch das Oberlandesgericht Graz am 8. Jänner 2009 wird die Angeklagte darauf verwiesen, dass zwar die Vorlage des Akts an das Oberlandesgericht erst am 11. Dezember 2008 (ON 368 und 369) erfolgte, dem aber zunächst die zur Vermeidung von Verzögerungen erforderliche Vervollständigung des Kopienakts voran gehen musste (vgl Vermerk auf ON 363: „Akt = 4.12. Kopierstelle"). Unter Berücksichtigung des Aktenumfangs von zwölf Bänden, der in den Zeitraum der Bearbeitung der Beschwerde durch das Oberlandesgericht fallenden Weihnachtsfeiertage sowie des auch mit dem Aktenumfang verbundenen logistischen Aufwands kann insgesamt von einer ins Gewicht fallenden, sohin grundrechtswidrigen Säumigkeit nicht die Rede sein.
Zur Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten Michaela W*****:
Die Grundrechtsbeschwerde bekämpft das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts, den herangezogenen Haftgrund, die Nichtannahme der Substituierbarkeit des Haftgrunds und behauptet Unangemessenheit der Untersuchungshaft sowie eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Auch diese Beschwerde wird den gesetzlichen Kriterien zur Anfechtung der Begründung des dringenden Tatverdachts nicht gerecht, indem sie jenen ohne konkrete Bezugnahme auf die Begründung des Oberlandesgerichts bestreitet. Sie übergeht damit die Ausführungen des Beschwerdegerichts, wonach aus den Angaben der im Ermittlungsverfahren im Rechtshilfeweg vernommenen Zeugen Nevilina P*****, Desislava V*****, Dilyana T*****, Galena M*****, Borislava B***** und Diana B***** sowie aus den die Angeklagte W***** belastenden Angaben der Mitangeklagten Miroslava T***** der dringende Tatverdacht abgeleitet und auch ausführlich dargelegt wurde, weshalb das geänderte Aussageverhalten der Letztgenannten in der Hauptverhandlung diesen nicht entkräften konnte (vgl ON 383/S 6 bis 11).
Soweit die Beschwerdeführerin isoliert ihre mangelnde Belastung durch Simeon D***** ins Treffen führt, ohne Bezugnahme auf die Ausführungen des Beschwerdegerichts darauf verweist, dass die Erstangeklagte sie nicht mehr belaste, und das Nichterscheinen von fünf Belastungszeugen in der Hauptverhandlung zu ihrem Vorteil ausgelegt haben will, orientiert sie sich neuerlich nicht an den gesetzlichen Anfechtungskriterien für das Grundrechtsbeschwerdeverfahren. Das Oberlandesgericht durfte die lediglich als Teilaspekt der Vorwürfe angenommene Mitwirkung der Angeklagten W***** am Transport (ON 383/S 7) auf die Angaben der Zeugin P***** gründen (vgl ON 188/S 23 und S 35 betreffend Identifizierung der Beschwerdeführerin). Mit dem Verweis auf ihre eigene Verantwortung macht die Beschwerdeführerin keine Begründungsmängel geltend. Soweit die Beschwerde die Beweiskraft der Vernehmungsprotokolle mit der Behauptung der Vorformulierung von Fragen und der Übersetzung durch „nicht amtliche Dolmetscher" in Frage stellt, vermag sie keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs zu erzeugen. Soweit auch diese Grundrechtsbeschwerde auf Ergebnisse der Hauptverhandlungen vom 19., 20. und 21. Jänner 2009 Bezug nimmt, verstößt sie in gleicher Weise gegen das Neuerungsverbot. Die vom Oberlandesgericht zur Annahme des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr ins Treffen geführte dringende Verdachtslage des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels als Tat mit schweren Folgen und die zumindest faktische Führung eines Bordellbetriebs durch die Angeklagte Michaela W***** sowie die damit verbundene ständige Rekrutierung neuer Prostituierter zur Aufrechterhaltung des Betriebs lassen einen formal einwandfreien Schluss auf das Vorliegen des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO zu.
Der Verneinung der Subsituierbarkeit der Haft durch das Oberlandesgericht wird durch die bloße Bestreitung der Richtigkeit dieser Prognose nicht wirksam begegnet, trifft es doch zu, dass die in der Beschwerde angebotene Leistung des Gelöbnisses, sich jeglicher Tätigkeit in einem Nachtklub zu enthalten, und die Betriebsführung ihres Nachtklubs gänzlich und nicht nur zum Schein anderen zu überlassen, nicht überprüfbar ist. Ebenso wenig vermag die Aufnahme eines anderen Arbeitsverhältnisses aufgrund der längeren und intensiven Einbindung in den Bordellbetrieb die Gefahr der Tatbegehung hintanzuhalten.
Von einer Unverhältnismäßigkeit der seit Ende Mai 2008 andauernden Untersuchungshaft kann mit Blick auf den Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren und die Bedeutung der Sache auch ungeachtet der Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin keine Rede sein; eine bloß untergeordnete Tatbeteiligung ist aus der angenommenen Verdachtslage nicht abzuleiten.
Mit ihrem eine Verletzung des Beschleunigungsgebots reklamierenden Vorbringen wird die Angeklagte auf die Ausführung zur Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten D***** verwiesen. Beide Beschwerdeführerinnen wurden demnach durch die Entscheidungen des Oberlandesgerichts im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb ihre Grundrechtsbeschwerden ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen waren.
Anmerkung
E9021415Os18.09zEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00018.09Z.0302.000Zuletzt aktualisiert am
20.04.2009