TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/06 B4 259117-0/2008

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Veröffentlicht am 06.03.2009
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Spruch

B4 259.117-0/2008/9E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des L.I., serbischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.3.2005, Zl. 05 01.894-EAST West, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) mit der Maßgabe abgewiesen, dass in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides die Wortfolge "Serbien und Montenegro" durch "Serbien" ersetzt und die in seinem Spruchpunkt III. verfügte Ausweisung "nach Serbien" ausgesprochen wird.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer stellte den gegenständlichen, am 10.2.2005 beim Bundesasylamt eingelangten Asylantrag schriftlich in serbischer Sprache während einer Anhaltung in Strafhaft. Darin brachte er im Wesentlichen vor, er verbüße zurzeit eine zweieinhalbjährige Haftstrafe, welche am 11.3.2005 ablaufe. Er befinde sich seit 1995 in Österreich, weil er vor dem Krieg und der Politik in seinem Land geflüchtet sei. Er sei mehrmals während der Kriege in Bosnien und im Kosovo zum Militär einberufen worden und habe den Ladungen keine Folge geleistet. Seine Mutter sei Katholikin und sein Vater Serbe; deswegen sei er ein großer Gegner des Krieges und des Mordens. Seine Frau und sein Sohn hätten große Probleme, da man sich ständig nach ihm erkundige. Er dürfe nicht nach Serbien zurückfahren, da man ihn sofort festnehmen und einem Militärgericht übergeben würde. Es sei mehrmals auf ihn und sein Haus geschossen worden. Mit der genannten Haft verbüßte der Beschwerdeführer eine (unbedingte) Freiheitsstrafe von zehn Monaten, zu der er mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15.1.2003, gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 und 4, 130 und 15 StGB rechtskräftig verurteilt worden war.

 

2. Am 1.3.2005 beim Bundesasylamt zu seinem Asylantrag einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Er sei jugoslawischer Staatsangehöriger serbischer Volksgruppenzugehörigkeit und orthodoxen Glaubens und sei 00.00.00. im Belgrader Bezirk Z. geboren, wo er auch aufgewachsen sei. Dort lebe auch seine (nunmehrige) Lebensgefährtin F.V.. In den Jahren 1981 und 1982 habe er seinen Militärdienst in Zagreb absolviert, danach sei er bis 1991 auf dem Flughafen in Belgrad beim Wachdienst beschäftigt gewesen. Von 1992 bis 1995 habe er bei seiner ehemaligen Freundin in Wien gelebt. 00.00.00. sei ihre gemeinsame Tochter geboren worden. Er habe keine Aufenthaltsberechtigung und keine Arbeit in Österreich gehabt. Deshalb habe er Probleme bekommen und sei im September oder Oktober 1995 nach Belgrad zurückgekehrt. Dort habe ihn das Militär gesucht, weil man ihn als Reservist einziehen habe wollen. Er habe nicht am Krieg teilnehmen wollen und sei deshalb Ende November oder Anfang Dezember 1995 wieder nach Österreich gereist, wo er sich seither aufhalte. Seine frühere Lebensgefährtin (und Mutter seiner Tochter) habe ihn verlassen; es sei zehn Jahre her, dass er sie zuletzt gesehen habe. Beide lebten in Wien. Er befinde sich nun das fünfte Mal in Österreich in Strafhaft. Er stelle einen Asylantrag, weil er in der Heimat nichts mehr habe und mit der Politik im Heimatland nicht einverstanden sei. Er entstamme einer gemischten Ehe, seine Mutter sei Kroatin, sein Vater Serbe, deshalb sei er in Serbien unerwünscht. Sein Vater sei 1977 gestorben, seine Mutter 1987. Bei einer Rückkehr nach Serbien würde er Probleme mit dem Militärgericht bekommen und auch deshalb, da seine Mutter Kroatin sei; überdies habe er in Serbien kein Zuhause mehr. Die Wohnung seiner Mutter in Z. sei vom Staat übernommen worden.

 

3. Am 8.3.2005 im Beisein eines Rechtsberaters beim Bundesasylamt einvernommen, führte der Beschwerdeführer aus, seine zuvor gemachten Angaben seien richtig, wahrheitsgetreu und vollständig. Er könne nicht in sein Heimatland zurück, weil er dort nichts mehr habe. Er wolle in der Nähe seiner Tochter sein, zu der er zuletzt im Jahre 2002 persönlichen Kontakt gehabt habe.

 

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien und Montenegro" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und wies gemäß § 8 Abs. 2 AsylG den Beschwerdeführer ohne Bestimmung eines Zielstaates aus dem österreichischem Bundesgebiet aus. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges traf das Bundesasylamt Feststellungen zur Lage in Serbien, aus denen sich unter anderem ergebe, dass mit dem am 7.3.2002 in Kraft getretenen Minderheitengesetz Minderheitenrechte gemäß dem internationalen Standard verankert worden seien, dass die Grundversorgung mit Lebensmitteln gesichert sei und dass Bürger, die arbeitsunfähig seien und keine sonstigen Mitteln zum Unterhalt nachweisen könnten, sowie Bürger, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit, durch den Unterhalt von Verwandten, durch Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern könnten, einen Anspruch auf Sozialhilfe hätten. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bewertete das Bundesasylamt für unglaubwürdig: Es sei zu allgemein gehalten, unschlüssig und zu wenig detailreich. Weiters habe der Beschwerdeführer den Asylantrag erst mehrere Jahre nach seiner Einreise nach Österreich gestellt, was zeige, dass er mit der Antragstellung bloß der drohenden Schubhaft und Ausweisung zuvorkommen habe wollen. Auch könne der Herkunftsländerinformation nicht entnommen werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat deshalb verfolgt werde, weil seine Mutter Kroatin sei. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, ihm sei ihm Herkunftsstaat keine Existenz mehr möglich sei, könne nicht zur Asylgewährung führen, da dies keine asylrelevante Verfolgung sei; überdies lebe seine nunmehrige Lebensgefährtin in Z.. In einer Eventualbegründung führte das Bundesasylamt zur Aussage des Beschwerdeführers, ihm drohe wegen der Volksgruppenzugehörigkeit seiner Mutter Verfolgung, aus, dass in dessen Herkunftsstaat ausreichender staatlicher Schutz vor Übergriffen Privater bestehe. Die Refoulement-Entscheidung begründete das Bundesasylamt damit, dass der Beschwerdeführer ein erwachsener, arbeitsfähiger Mann sei und für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen könne. Zur Ausweisung hielt es fest, es gebe keine Nachweise dafür, dass der Beschwerdeführer überhaupt Kontakt zu seiner Tochter und seiner ehemaligen Lebensgefährtin pflege, weshalb die Ausweisung kein ungerechtfertigter Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben sei.

 

5. Dagegen richtet sich die rechtzeitige - nun als Beschwerde zu wertende - Berufung. Diese wiederholt im Wesentlichen das bisher Vorgebrachte und führt zusätzlich aus, der Beschwerdeführer sei seit 1995 in Österreich aufhältig und demnach sozial integriert, wohingegen er zu seinem Heimatland keinen Bezug mehr habe.

Zusätzlich fürchte er Verfolgung aus Gründen der Religion: Seine Mutter sei Kroatin, sein Vater Serbe, deshalb fürchte er auch in Serbien wieder Probleme zu bekommen. "Serbien und Montenegro" sei ein "Pulverfass", das jederzeit explodieren könne; es sei mit sozialen Unruhen zu rechnen. Aus einer Verbesserung der extrem schlecht gewesenen Situation für Minderheiten könne nicht geschlossen werden, dass diese nun ausreichend geschützt seien. Entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes sei das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ausreichend substantiiert, er habe glaubhaft dargelegt, dass er für den Fall der Rückkehr Angst vor Verfolgung und Tod habe. Seine Furcht beziehe sich allgemein auf die in seinem Heimatland vorherrschende Situation und darauf, dass wieder ein Krieg kommen könnte.

 

6. Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 23.1.2006, gemäß §§ 127, 15, 130 1. Satz, 15 StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie mit Urteil vom 20.5.2008, gemäß §§ 127, 15, 130 1. Satz StGB rechtkräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Festgestellt wird:

 

Der Asylgerichtshof schließt sich den Feststellungen an, die das Bundesasylamt zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers sowie zur Lage in dessen Herkunftsstaat getroffen hat. Denn das Bundesasylamt hat diesbezüglich ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammengefasst. Auch ist die Beweiswürdigung im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein wesentlicher neuer Sachverhalt wird in der Beschwerde diesbezüglich nicht vorgebracht und die Argumentation des Bundesasylamtes nicht substantiiert gerügt. Dem Bundesasylamt ist zuzustimmen, wenn es davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer, der seinen Angaben gemäß bereits seit 1995 in Österreich aufhältig ist, mit der Asylantragsstellung im Jahr 2005 seine Außerlandesschaffung zu vereiteln sucht und sein Vorbringen, das tatsächlich wenig Substrat enthält, unglaubwürdig ist. Inwiefern der Beschwerdeführer einer erhöhten Gefährdungslage ausgesetzt sei, weil seine (bereits verstorbene) Mutter Kroatin gewesen und er somit einer Minderheit angehöre, ist nicht nachvollziehbar, zumal die Beschwerde dem zutreffenden Argument des Bundesasylamtes, in der Herkunftsländerinformationen fänden sich keine Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung, nicht substantiiert (etwa unter Hinweis auf anderslautende Berichte) entgegengetreten ist (vgl. dazu auch Council of Europe: Secound Report submitted by Serbia persuant to article 25, paragraph 1 of the framework convention for the protection of national minorities, Strasbourg 4 March 2008, 46, 50 und 85f, wonach der Schutz der kroatischen Minderheit durch ein völkerrechtliches Vertragswerk mit Kroatien eine besondere völkerrechtlich abgesicherte Garantie erfährt und Kroaten im gesellschaftlichen Leben Serbiens einen überproportionalen Einfluss genießen). Festzuhalten ist auch, dass der (sich zum orthodoxen Glauben bekennende) Beschwerdeführer sich am Beginn des Verfahrens noch als Angehöriger der serbischen Volksgruppe bezeichnet hatte. Weiters fällt auf, dass der Beschwerdeführer in seinem schriftlichen Asylantrag noch ausgeführt hatte, es sei mehrmals auf ihn und sein Haus geschossen worden, was er aber im Verlauf des Verfahrens mit keinem Wort mehr erwähnte. Wären solche Schüsse tatsächlich abgefeuert worden, hätte sie der Beschwerdeführer (wie angenommen werden muss) bei der eingehenden Befragung beim Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen von sich aus erwähnt.

 

1.2. Der Asylgerichtshof geht davon aus, dass der Beschwerdeführer nunmehr Staatsangehöriger Serbiens ist (zur Frage der Staatsbürgerschaft vgl. etwa das Papier des [deutschen] Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom September 2006, Republik Serbien, Republik Montenegro, Staatsangehörigkeitsregelungen, 8f).

 

2. Rechtlich folgt:

 

2.1.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nach dem 1.5.2004 gestellt. Das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und ist daher nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) zu führen.

 

2.1.1.2. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I Nr. 147/2008, in der Folge: AsylGHG) ist auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 AsylG 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das AsylGH-EinrichtungsG nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 AsylG 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des AsylG 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. dazu AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2.1.1.3. Gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Diese Bestimmung ist auch in Verfahren, die nach dem Asylgesetz 1997 zu führen sind, anzuwenden (vgl. dazu ebenfalls AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2.1.2.1. Gemäß § 7 AsylG. hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318).

 

2.1.2.2. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

§ 8 Abs. 1 AsylG verweist auf § 57 Fremdengesetz; BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG), wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der der Todesstrafe verletzt würde.

 

Überdies ist gemäß § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder die Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 FrG ist jedoch durch § 8 Abs. 1 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das jeweilige andere Bundesgesetz nunmehr auf die entsprechenden Bestimmungen des FPG verweist. Demnach wäre die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechende Bestimmung" des FPG zu beziehen, di. § 50 FPG. Ob dies wirklich der Absicht des Gesetzgebers entspricht - da doch Asylverfahren, die am 31.12.2005 bereits anhängig waren, nach dem AsylG 1997 weiterzuführen sind - braucht nicht weiter untersucht zu werden, da sich die Regelungsgehalte beider Vorschriften (§ 57 FrG und § 50 FPG) nicht in einer Weise unterscheiden, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre und da sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - unmittelbar oder mittelbar - auf § 57 FrG bezieht, insoweit auch auf § 50 FPG übertragen ließe. Angemerkt sei jedoch, dass ein Verweis des § 8 Abs. 1 AsylG auf § 50 FPG nicht etwa jene Rechtslage herstellte, die dem Asylgesetz 2005 entspricht; § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (der inhaltlich dem § 8 Abs. 1 AsylG entspricht) verweist nämlich nicht auf § 50 FPG, sondern regelt den subsidiären Rechtsschutz etwas anders als § 8 Abs. 1 AsylG, er zählt auch die maßgeblichen Bedrohungen selbst auf, und zwar in einer Weise, die nicht wörtlich dem § 50 FPG entspricht (vgl. dazu den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.2.2006, Zl. 252.076/0-X/47/04).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214). Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und 2 FrG ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

 

2.2. Weder kann angenommen werden, dass es dem Beschwerdeführer gelungen wäre, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK glaubhaft zu machen; noch ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr nach Serbien einer Bedrohungssituation iSd § 57 FrG ausgesetzt wäre.

 

2.2.1. Zum einen hat sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers (wie oben ausgeführt) als tatsachenwidrig erwiesen; zum anderen hätte er selbst bei hypothetischer Zugrundelegung seines Vorbringens, er sei zwischen September und Anfang Dezember 1995 vom Militär gesucht worden, um ihn als Reservist einzuziehen, keine asylrelevanten Gefährdung glaubhaft gemacht, da in seinem Herkunftsstaat bereits 1996 ein (auch in der Praxis eingehaltenes) Amnestiegesetz in Kraft getreten ist, das alle Fälle der Wehrdienstentziehung und der Desertion zwischen 1982 und dem 14.12.1995 erfasst und davon lediglich aktive Offiziere und Unteroffiziere ausnimmt; inzwischen sind überdies zwei Amnestiegesetze in Kraft getreten, mit denen Fälle von Wehrdienstentziehung vor dem 7.10.2000 bzw. zwischen dem 7.10.2000 und dem 18.4.2006 erfasst werden (vgl. [dt.] Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien, Stand August 2008, 16, sowie unabhängiger Bundesasylsenat, Amnestiegesetze in Serbien, Stand 8.5.2006).

 

2.2.2. Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, eine asylrechtlich relevante Gefahr im Sinne der GFK darzutun, scheidet auch die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG von vornherein aus. Weiters sind derart exzeptionelle Umstände, die eine Rückführung im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen lassen könnten, im Fall des Beschwerdeführers nicht ersichtlich (vgl. zu Art. 3 EMRK z.B. VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443). Dass in Serbien eine extreme Gefährdungslage bestünde, in der gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre, zeigen auch die Beschwerdeausführungen, in denen der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers als "Pulverfass" bezeichnet wird, das jederzeit explodieren könne, und darauf hingewiesen wird, dass mit sozialen Unruhen zu rechnen sei, nicht auf. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückführung nach Serbien - über bloß schlechte Lebensbedingungen (die keine Gefährdung iSd § 57 FrG darstellen [vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2001/01/0021]) hinausgehend - in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (wie etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Dass der Beschwerdeführer ein arbeitsfähiger Mann sei, der für die Befriedigung seiner existentiellen Bedürfnisse selbst Sorge tragen könne, stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede. Außerdem ergibt sich aus den (in der Beschwerde ebenfalls nicht gerügten) Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Situation in Serbien, dass dort die Grundversorgung gesichert und Bürger, die ihren Unterhalt nicht auf andere Weise sichern können, Sozialhilfe erhalten (vgl. dazu auch die Berichte des [dt]. Auswärtiges Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 22.9.2008, 20, sowie des U.S. Department of State vom März 2008, Serbia [includes Kosovo], Country Report on Human Rights Practices 2007, 26).

 

2.3.1. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abzuweisen ist und wenn die Überprüfung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehen Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH 15.10.2004, G 237/03 ua., VfGH 17.03.2005, G 78/04 ua.). Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

2.3.2. Die Beschwerde bringt vor, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich deswegen unzulässig sei, da sich seine Tochter in Österreich aufhältig sei und er selbst in Österreich sozial integriert sei, während er zu seinem Herkunftsstaat keinen Bezug mehr habe. Den mit einer Ausweisung allfällig verbundenen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben erachtet der Asylgerichtshof jedoch als durch die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung - und zwar zur Verhinderung von Straftaten sowie eines geordneten Fremdenwesens - gerechtfertigt: Dabei ist zunächst auf die im Verfahrensgang dargestellte (jeweils unbedingt ausgesprochenen) strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers hinzuweisen (vgl. dazu auch VwGH 16.11.2003, 2002/21/0181, wonach die für die Integration bedeutsame soziale Komponente durch eine vom Fremden begangene Straftat wesentlich beeinträchtigt wird). Mangels Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. den Aktenvermerk vom 26.2.2009) kann weiters nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage wäre, für seinen Unterhalt in Österreich (auf legale Weise) selbst aufzukommen. Auch haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass der Beschwerdeführer das Familienleben mit seinen in Österreich aufhältigen Familienangehörigen nicht auch in Serbien fortsetzen könnte, wo im Übrigen nach seinen Aussagen vor dem Bundesasylamt seine nunmehrige Lebensgefährtin lebt (vgl. dazu etwa EGMR 31.7.2008, Darren OMOREGIE and others v Norwegen, Rs 265/07, wonach die Ausweisung des Antragstellers, der während seines unsicheren Aufenthaltes in Norwegen als Asylwerber geheiratet und mit seiner Ehefrau ein Kind gezeugt hat, nicht gegen Art. 8 EMRK verstößt, wobei aus Sicht des EGMR keine unüberwindbaren Hindernisse für eine Fortsetzung des Familienlebens in Nigeria, dem Herkunftsstaat des Antragstellers, vorliegen). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer jedenfalls seit 1996, als ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen wurde (vgl. dazu die Abfrage des elektronischen Fremdeninformationssystems [FI] vom 26.2.2009), zum Aufenthalt in Österreich nicht oder bloß aufgrund seines (zu keinem Zeitpunkt berechtigten) Asylantrages berechtigt war (vgl. mit ähnlichen Überlegungen zu Ausweisungen nach § 33 Abs. 1 FrG z.B. VwGH 20.2.2004, 2003/18/0347; 26.2.2004, 2004/21/0027; 27.4.2004, 2000/18/0257; sowie EGMR 8.4.2008, NNYANZI Vereinigtes Königreich, Rs 21878/06, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß aufgrund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen).

 

2.2.2. Der Beschwerdeführer war jedoch in seinen Herkunftsstaat als Zielstaat und daher nach Serbien auszuweisen.

 

3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 abgesehen werden.

Schlagworte
Amnestie, Aufenthaltsverbot, Ausweisung, bestehendes Familienleben, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, Lebensgrundlage, mangelnde Asylrelevanz, Militärdienst, non refoulement, Privatleben, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
21.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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