TE OGH 2009/1/29 2Ob240/08w

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Veröffentlicht am 29.01.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny in der Pflegschaftssache der Antragstellerin mj Denise I*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft A***** (Jugendwohlfahrt), *****, gegen den Antragsgegner Gerhard P*****, vertreten durch HASLINGER/NAGELE & PARTNER RECHTSANWÄLTE GMBH in Linz, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Sankt Pölten als Rekursgericht vom 9. Juli 2008, GZ 23 R 202/08s-U11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Haag vom 15. Mai 2008, GZ 1 P 108/05m-U6, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 17. Dezember 2008, GZ 7 Ob 223/08g, eine Wortfolge in § 42 sowie § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters (Antragsgegner) für seine Tochter (Antragstellerin) ab 1. 1. 2008 mit 293 EUR fest und wies das Mehrbegehren von weiteren 31 EUR monatlich ab. Der Vater sei unter anderem für seine Ehegattin sorgepflichtig; diese beziehe zwar Kinderbetreuungsgeld für ein 2007 geborenes Kind, gemäß § 42 KBGG sei Kinderbetreuungsgeld jedoch seit 1. 1. 2008 nicht mehr als anrechenbares Einkommen anzusehen, weshalb dem Vater nunmehr in Anwendung der Prozentwertmethode ein Abzug von 3 % für seine Ehegattin zustehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Tochter nicht Folge und ließ den Revisionsrekurs zu, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 42 KBGG in der Fassung BGBl I 2007/76 fehle, die Auslegung dieser Bestimmung (im Hinblick auf allfällige verfassungsrechtliche Bedenken) eine besonders bedeutsame Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG darstelle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Tochter mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass „das Kinderbetreuungsgeld als Einkommen deklariert" und die monatliche Unterhaltspflicht des Vaters mit 315 EUR festgesetzt werde. Der Vater begehrt in der Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Verfahren über den Revisionsrekurs ist von Amts wegen zu unterbrechen.

Die einschlägigen Bestimmungen des KBGG idF BGBl I 2007/76 lauten wie folgt:

„§ 42. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche.

§ 43. (1) Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind gemäß § 290 der Exekutionsordnung (EO), RGBl Nr 79/1896, nicht pfändbar."

Nachdem zwar der 6. Senat in zwei Entscheidungen jeweils vom 6. 11. 2008 (6 Ob 200/08t, 6 Ob 219/08m) gegen die genannten Bestimmungen in der dort (und auch hier) vorliegenden Konstellation keine verfassungsrechtlichen Bedenken hatte, hat der 7. Senat am 17. 12. 2008 zu 7 Ob 223/08g in einer anderen Fallkonstellation den Antrag an den Verfassungsgerichtshof gestellt, in § 42 KBGG die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" und § 43 Abs 1 KBGG jeweils idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben (G 9/09).

Der Bestand der angefochtenen Wortfolge in § 42 KBGG ist auch im vorliegenden Fall präjudiziell, wäre doch im Falle der Aufhebung das von der Ehefrau des Antragsgegners bezogene Kinderbetreuungsgeld als deren Einkommen anzusehen, was die Unterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin erhöhen würde. Gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG kann das Verfahren ganz oder zum Teil von Amts wegen oder auf Antrag unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.

Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren nicht vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch im vorliegenden Fall zutrifft (vgl 2 Ob 63/02g).

Anmerkung

E898872Ob240.08w

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00240.08W.0129.000

Zuletzt aktualisiert am

16.03.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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