TE OGH 2009/2/9 6Ob215/08y

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Veröffentlicht am 09.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Nikolaus T*****, vertreten durch Dr. Matthias Göschke, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Renate S*****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 237.983,02 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2008, GZ 12 R 203/07x-22, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 2007, GZ 22 Cg 34/06s-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens können nicht erstmals mit der Revision an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Soweit bereits das Berufungsgericht einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens verneint hat, ist dies mit Revision nicht mehr anfechtbar (RIS-Justiz RS0042963).

Mit dem Einwand des Mitverschuldens hat sich das Berufungsgericht eingehend auseinandergesetzt und mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass die Unterlassung der Erhebung einer außerordentlichen Revision im Pflichtteilsverfahren aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls mangels hinreichender Erfolgsaussicht kein Mitverschulden begründet (Berufungsurteil S 49 und S 60).

Dass der Kläger der Beklagten für das Pflichtteilsverfahren ein Honorar von 12.000 EUR bezahlt und der Gegenseite deren Kosten in Höhe von 12.023,57 EUR ersetzt hat, hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt (Ersturteil S 9). Das Berufungsgericht hat auch ausführlich dargelegt, dass die Beklagte das Klagebegehren hinsichtlich dieser beiden Beträge nicht substantiiert bestritten hat. Stand aber nach Verneinung eines Mitverschuldens des Klägers der Grund des Anspruchs und aufgrund der angeführten Feststellung insoweit auch dessen Höhe fest, so war das Fällen eines Zwischen- und Teilurteils zulässig, waren doch insoweit alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle dem Grund des Anspruchs entgegenstehenden Einwendungen erledigt (RIS-Justiz RS0040935). In der Vorgangsweise der Vorinstanzen liegt auch kein Verstoß gegen §§ 182, 182a ZPO. Vor der Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs hat die Beklagte in der Klagebeantwortung ausdrücklich - unter der Überschrift „2) Zur Höhe des Anspruchs" - zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs Stellung genommen. Auf Seite 10 der Klagebeantwortung bestritt die Beklagte zwar die Ersatzfähigkeit der Verfahrenskosten des Vorprozesses, nicht jedoch deren Tragung durch den Kläger. In der Folge brachte die Beklagte vor Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs noch zwei weitere Schriftsätze (ON 6 und ON 10) ein, in denen gleichfalls nicht behauptet wurde, dass der Kläger die geltend gemachten Kosten des Vorprozesses gar nicht bezahlt habe. Auch in den beiden Tagsatzungen vom 14. 6. 2006 und 27. 11. 2006 wurde dieser Einwand nicht erhoben. Bei dieser Sachlage ist aber die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass es vor Fällung des Teil- und Zwischenurteils keiner neuerlichen Erörterung dieser Beträge bedurfte, nicht zu beanstanden.

Soweit die Beklagte einen Verfahrensmangel darin erblickt, dass das Berufungsgericht das Ersturteil nicht aufgehoben hat, um ihr (neuerlich) Gelegenheit zu geben, das Klagebegehren auch in Ansehung der Kosten des Vorprozesses der Höhe nach zu bestreiten, widerspricht dies der ständigen Rechtsprechung. Demnach ist es unzulässig, ein erstrichterliches Urteil nur zu dem Zweck aufzuheben, um Erörterungen über Tatsachen zu veranlassen, die im bisherigen Verfahren nicht behauptet worden sind (RIS-Justiz RS0042444).

Nach ständiger Rechtsprechung zum - auf das Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser noch anzuwendenden - AußStrG 1854 ist der Noterbe mit Rücksicht auf seine Rechte nach §§ 784, 804, 812 ABGB dem Abhandlungsverfahren beizuziehen (RIS-Justiz RS0008117), und zwar auch dann, wenn das Gericht gemäß § 72 Abs 2 AußStrG 1854 eine Verlassenschaftsabhandlung wegen geringen Nachlasses nicht eingeleitet hat (vgl SZ 32/13; 2 Ob 513/88; 9 Ob 32/03a; NZ 2007/23). Das Unterlassen der Beiziehung des Pflichtteilsberechtigten hatte nach ständiger Rechtsprechung Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens zur Folge, wenn dem Gericht aufgrund der Aktenlage das Vorhandensein von Pflichtteilsberechtigten bekannt war (RIS-Justiz RS0005734). Inwieweit diese Rechtsprechung in Hinblick auf § 153 Abs 1 AußStrG 2003 auch unter der neuen Rechtslage aufrecht zu halten ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Nach der dargestellten Rechtslage nach dem AußStrG 1854 wäre der Gerichtskommissär, dem die Existenz des Klägers und damit eines Noterben bekannt war, jedenfalls zu entsprechenden (einfachen) Erhebungen verpflichtet gewesen (vgl 1 Ob 244/05x), wobei nach den Feststellungen der Vorinstanzen bereits eine einfache Meldeabfrage ausgereicht hätte.

Damit lag aber ein Sorgfaltsverstoß des Gerichtskommissärs, mithin eines Organs der Republik Österreich vor. In der Auffassung der Vorinstanzen, der Schaden im Sinne des § 1 AHG sei (spätestens) mit Eintritt der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs des Klägers eingetreten, ist eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs im Verlassenschaftsverfahren unterbricht die Verjährung nach § 1487 ABGB nicht (RIS-Justiz RS0034406). Die von der Revisionswerberin relevierte Entscheidung SZ 49/118 betrifft nur die Verjährung von Ansprüchen nach § 786 ABGB und ist daher für den vorliegenden Fall nicht aussagekräftig.

Wenngleich die - theoretische - Möglichkeit einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Beginn der Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach § 1487 ABGB bestand, hätte die Beklagte doch den Kläger nicht nur auf das mit einer derartigen Klage verbundene Risiko, sondern auch auf das gleichzeitige Risiko des Eintritts der Verjährung allfälliger Amtshaftungsansprüche hinweisen müssen (vgl 7 Ob 568/89). Die Vertretbarkeit der Rechtsansicht der Beklagten ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, liegt der ihr von den Vorinstanzen angelastete Sorgfaltsverstoß doch nicht in einer unrichtigen Rechtsansicht, sondern darin, den Kläger nicht auf das Risiko der Verjährung allfälliger Amtshaftungsansprüche hingewiesen zu haben, um ihm auf diese Weise eine verständige Disposition zu eröffnen. Eine allfällige Arglist des im Pflichtteilsprozess Beklagten, die dem Eintritt der Verjährung nach § 1487 ABGB entgegengestanden wäre (RIS-Justiz RS0034292), hing von den Feststellungen im Pflichtteilsverfahren ab. Schon weil es hier auch wesentlich auf - vom Kläger im Pflichtteilsprozess zu beweisende - Tatfragen ankam, war die von der Beklagten gewählte Vorgangsweise riskant. Dazu kommt, dass durch die nicht rechtzeitige Erhebung von Amtshaftungsansprüchen zwischenzeitig auch Amtshaftungsansprüche des Klägers verjährten. Auf diese Gefahr hat die Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht hingewiesen.

Damit bringt die Revision aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass diese spruchgemäß zurückzuweisen ist.

Anmerkung

E899856Ob215.08y

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00215.08Y.0209.000

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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