S4 232.268-3/2009/2E
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des G.M., StA. der Türkei, vertreten durch RAe Kocher & Bucher, Sackstraße 36, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.2.2009, Zahl: 02 04.783-BAW, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 32 Abs. 2 AsylG 1997, idF BGBl. I Nr. 126/2002, stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Durchführung des materiellen Verfahrens und Erlassung eines neuerlichen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger der Türkei, hat die Türkei eigenen Angaben zufolge per Flugzeug am 10.7.1995 verlassen und ist am selben Tag in Deutschland eingereist, wo er am 28.9.1995 und weiterer Folge am 3.8.1996 Asylanträge stellte (vgl. Aktenseite 263 u. 243). Er reiste sodann von Deutschland kommend - nach Abschluss seiner dortigen Asylverfahren - am 12.2.2002 nach Österreich, wo er am 19.2.2002 einen Asylantrag stellte (vgl. Aktenseite 243 u. 115).
Mit Schreiben vom 10.6.2002 (Aktenseite 51) ersuchte Österreich Deutschland um Übernahme des Asylwerbers. Deutschland hat mit Schreiben vom 24.9.2002 seine Zuständigkeit gem. Art. 8 des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages, BGBl. III 1997/165 (Dubliner Übereinkommen) und die Aufnahme des Asylwerbers akzeptiert (Aktenseite 83).
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9.10.2002, Zahl: 02 04.783, wurde der Asylantrag gem. § 5 Abs. 1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen und wurde Deutschland gemäß Art. 8 und Art. 10 Abs. 1 lit. e des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages, BGBl. III 1997/165 (Dubliner Übereinkommen) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber durch seinen rechtlichen Vertreter fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde genannt) erhoben.
Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz) vom 18.7.2007, Zahl:
232.268/0/2E-X/28/02, behob dieser den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes gem. § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
Mit Schreiben vom 6.9.2007 stellte Österreich zunächst an Deutschland ein Informationsersuchen gem. Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) (Aktenseite 239). Mit Schreiben vom 4.9.2007 übermittelten die deutschen Behörden Österreich die auf die in Deutschland geführten Asylverfahren bezogenen Daten sowie die diesbezüglich ergangenen Entscheidungen betreffend den Asylwerber (Aktenseite 241 ff.).
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.12.2007, Zahl: 02 04.783-BAW, wurde der Asylantrag erneut gem. § 5 Abs. 1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen und wurde Deutschland gemäß Art. 8 und Art. 10 Abs. 1 lit. e des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages, BGBl. III 1997/165 (Dubliner Übereinkommen) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber fristgerecht Berufung.
Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.6.2008, Zahl:
232.268-2/2E-X/28/08, behob dieser erneut den angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes gem. § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6.2.2009, Zahl: 02 04.783-BAW, wurde der Asylantrag wiederum gem. § 5 Abs. 1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen und wurde Deutschland gemäß Art. 8 und Art. 10 Abs. 1 lit. e des Übereinkommens über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages, BGBl. III 1997/165 (Dubliner Übereinkommen) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde der Asylwerber aus dem Bundesgebiet nach Deutschland ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber durch seinen rechtlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und hierbei u. a. geltend gemacht, dass seine Ausweisung nach Deutschland aufgrund des Umstandes, dass er bereits seit 7 Jahren in Österreich aufhältig sei, ihn in seinen Rechten gem. Art. 8 EMRK verletzen würde.
Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am 5.3.2009 beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der Novelle BGBl I Nr. 101/2003 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 126/2002 geführt.
Da gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBI I Nr. 101/2003 auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abzustellen ist, waren gegenständlich die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl I Nr 76/1997 idF BGBI I Nr 126/2002 heranzuziehen.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.
Gem. § 32 Abs. 2 erster Satz AsylG 1997 ist der Berufung stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet oder es bestehe aus Gründen der §§ 4, oder 5 Unzuständigkeit, nicht zutrifft.
Vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer ohne Unterbrechung seit nunmehr 7 Jahren im Bundesgebiet befindet, die lange Verfahrensdauer nicht auf ein verzögerndes Verhalten des Asylwerbers zurückzuführen ist, muss im vorliegenden Fall - unter der besonderen Berücksichtigung, dass in sog. Dublin-Fällen" eine andere Gewichtung der öffentlichen Interessen insofern vorgenommen wird, als die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Asylwerbers hier "leichter" überwiegen können als im allgemeinen Asylverfahren (vgl. VwGH (vgl. Schmid/Filzwieser, Dublin II-Verordnung2 (2006) 21 ff.) - letztlich verneint werden, dass das öffentliche Interesse am Vollzug des Dubliner Übereinkommens gegenüber dem privaten Interesse des Asylwerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt (vgl. hierzu auch VwGH vom 19.1.2006, Zahl: 2005/21/0297). Hieruas ergibt sich, dass sich seine Ausweisung im Rahmen des gegenständlichen Dublin-Verfahrens nach 7-jähriger Verfahrensdauer als unzulässig erweist.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass sich die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung allenfalls im weiteren meritorischen Verfahren, in dem letztlich nicht bloß das öffentliche Interesse am Vollzug des Dubliner Übereinkommens, sondern das schwerwiegendere öffentliche Interesse am geordneten Vollzug der fremdenpolizeilichen Bestimmungen (Einreise- und Aufenthaltsregeln) gegenüber dem Privatinteresse des Asylwerbers am Verbleib im Bundesgebiet abzuwägen sein wird, anders darstellen kann.
In verfassungskonformer Interpretation des § 5 AsylG 1997 war daher in casu gem. Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens vom Selbsteintrittsrecht Österreichs zur Prüfung des Asylantrages des Antragstellers Gebrauch zu machen und trifft demnach die Feststellung, dass gem. § 5 AsylG 1997 Unzuständigkeit vorliegt, nicht zu.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.