TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/11 D6 308025-3/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2009
beobachten
merken
Spruch

D6 308025-3/2008/6E

 

Im Namen der Republik

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Christine AMANN als Beisitzerin über die Beschwerde der B.E., StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.11.2007, FZ. 06 12.145-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.1.2009 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und B.E. gemäß §§ 3, 34 Asylgesetz 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass B.E. kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine russische Staatsangehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste - gemeinsam mit ihrem Ehemann (dem Beschwerdeführer zu D6 308023-3/2008) sowie ihren beiden Töchtern (den Beschwerdeführerinnen zu D6 308027-3/2008, D6 308026-3/2008) - am 11.11.2006 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 12.11.2006, am 16.11.2006 und am 7.11.2007 wurde die Beschwerdeführerin vor der Polizeiinspektion Schwechat-Flughafen und der Erstaufnahmestelle-Flughafen bzw. dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

1. Zu ihren Fluchtgründen gab die Beschwerdeführerin an, dass sie und ihre Familie in ihrer Heimat Tschetschenien bedroht worden seien. Eine Gruppe von Männern habe ihren Mann und dessen Onkel verhaftet. Im Zuge des Vorfalls seien ihrer Tochter beide Beine gebrochen worden. Sie hätten Anzeige erstattet, woraufhin es zu Bedrohungen gekommen und in der Folge das Haus niedergebrannt worden sei.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.11.2006, FZ. 06 12.145 EAST-Flh, wurde der Antrag auf internationalen Schutz - ohne in die Sache einzutreten - gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100 (im Folgenden: AsylG 2005), als unzulässig zurückgewiesen und für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen für zuständig erklärt. In der dagegen erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf die schwere Knochenkrankheit ihrer Tochter I. sowie auf die dringend erforderlichen medizinischen Behandlungen.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 15.12.2006, Zl. 308.025-C1/E1-XII/26/06, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid im Hinblick auf das Fehlen gutachterlich untermauerter Feststellungen zur Krankheit der Tochter und deren Behandelbarkeit in Polen behoben.

 

2. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin am 7.11.2007 vor dem Bundesasylamt zu ihren Fluchtgründen einvernommen; sie führte zusammengefasst aus, dass im Juli 2005 Männer in Militäruniform in das Haus eingedrungen seien und ihren Ehemann und dessen Cousin mitgenommen hätten. Der Cousin habe sich aufgrund einer Erkrankung bei ihnen versteckt gehalten. Dass sie im Rahmen der Erstbefragung vom Onkel ihres Ehemannes gesprochen habe, sei wohl auf eine Verwechslung zurückzuführen. Warum bekannt geworden sei, dass sich der Cousin ihres Ehemannes in ihrem Haus aufgehalten habe, wisse sie nicht. Während des Vorfalles der Festnahme seien ihrer Tochter beide Beine gebrochen worden. Von den Drohbriefen könne sie nur wenig berichten, da sie damals bereits bei den Schwiegereltern gelebt habe und um ihre kranke Tochter besorgt gewesen sei. Ihr Schwiegervater habe wegen der Vorkommnisse Anzeige erstattet. Ende Juli 2005 sei ihr Haus niedergebrannt worden. Sie glaube, dass ihr im Falle der Rückkehr selbst nichts passieren würde, fürchte dies jedoch für ihren Ehemann.

 

3. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 16.11.2007, FZ. 06 12.145-BAT, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab und erkannte der Beschwerdeführerin den Status des Asylberechtigten nicht zu. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 leg. cit. wurde der Beschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr gemäß § 8 Abs. 4 leg. cit. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.11.2008 erteilt.

 

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht (als Berufung) eingebrachte Beschwerde.

 

5. Am 15.1.2009 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann sowie ihre Beschwerdevertreterin teilnahmen; das Bundesasylamt war nicht erschienen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau des Beschwerdeführers zu D6 308023-3/2008, dessen Beschwerde der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tag Folge gegeben und dem er den Status des Asylberechtigten zuerkannt hat.

 

2. Dies ergibt sich aus den Asylakten der Beschwerdeführerin und jenen ihres Ehemannes.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1 Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I 147/2008) sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nicht anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

3.2 Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das AsylG 2005 am 1.1.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 auf alle Verfahren anzuwenden, die - wie im vorliegenden Fall - am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Familienangehöriger ist gemäß § 2 Z 22 AsylG 2005, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Z 22 AsylG 2005 von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 2 aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens iSd Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Im vorliegenden Fall wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt: Der Beschwerdeführerin ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. nach dem AsylG 2005 nunmehr der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499). Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführerin die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrem Ehemann in einem anderen Staat möglich wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

 

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren
Zuletzt aktualisiert am
20.04.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten