Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Marcin K*****, geboren am 14. März 1999, vertreten durch die Mutter Magdalena P*****, beide wohnhaft in *****, über den Ordinationsantrag der Mutter den Beschluss
gefasst:
Spruch
Als zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung des Beschlusses des Bezirksgerichts Szczecin vom 18. März 2002, AZ RVIIIC 98/02, örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Leopoldstadt bestimmt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Antragstellerin beantragte, der Oberste Gerichtshof möge im Wege der Ordination ein Bezirksgericht bestimmen, bei welchem sie den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Beschlusses des Bezirksgerichts Szczecin vom 18. 3. 2002, AZ RVIIIC 98/02, stellen könne. Sie brachte dazu vor, sie und ihr minderjähriger Sohn Marcin seien polnische Staatsbürger und wohnten nunmehr in Wien. Der Vater des Minderjährigen sei aufgrund des erwähnten Beschlusses des Bezirksgerichts Szczecin vom 18. 3. 2002 verpflichtet, dem Minderjährigen einen monatlichen Unterhalt von 300 PLN ab 13. 2. 2002 zu bezahlen. Dieser Beschluss sei in Polen vollstreckbar. Der Vater des Minderjährigen sei in Polen selbstständig erwerbstätig und habe in Österreich kein Vermögen. Der Ordinationsantrag werde gestellt, weil der unterhaltsverpflichtete Vater in Österreich keinen Wohnsitz habe und auch sonst kein Anknüpfungspunkt nach § 82 EO gegeben sei. Die Vollstreckbarkeitsbestätigung werde benötigt, um die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen für den Minderjährigen zu erreichen. Gemäß § 28 Abs 1 Z 1 JN besteht eine Ordinationspflicht, wenn ein Gerichtsstand in Österreich nicht gegeben ist, Österreich aber aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung der Gerichtsbarkeit verpflichtet ist. Eine Ordination kann auch in Exekutionssachen erfolgen (vgl Mayr in Rechberger, ZPO³ § 28 JN Rz 1 mwN). Das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des polnischen Unterhaltsbeschlusses vom 18. 3. 2002 richtet sich nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. 9. 1988, BGBl 1996/448 (LGVÜ). Die Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. 12. 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ist hier noch nicht anwendbar. Die Übergangsbestimmung des Art 66 Abs 2 lit a EuGVVO kommt nicht zur Anwendung, weil sowohl der Zeitpunkt der Klageerhebung als auch der Entscheidung des polnischen Titelgerichts vor dem Inkrafttreten der EuGVVO in Polen (1. 5. 2004) liegen (3 Ob 157/07w; 3 Ob 272/06f). Gemäß Art 31 LGVÜ werden die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Es wurde bereits ausgesprochen, dass auch das LGVÜ eine Ordinationspflicht auslösen kann (2 Nc 39/03p). Das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel im Inland richtet sich nach den §§ 79 ff EO. Nach § 82 EO ist für die Vollstreckbarerklärung das Bezirksgericht, bei dem der Verpflichtete seinen Wohnsitz oder Sitz hat oder das nach §§ 18 und 19 EO bezeichnete Bezirksgericht, in Wien das nach dem Bezirksgerichts-Organisationsgesetz für Wien in Exekutionssachen zuständige Gericht zuständig. Hat der Verpflichtete keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland und mangelt es an einem Sachverhalt, der die Zuständigkeit eines inländischen Exekutionsgerichts nach § 82 EO begründet, ist das zur Erteilung der Vollstreckbarerklärung zuständige Gericht unter den Voraussetzungen des § 28 JN im Wege der Ordination durch den Obersten Gerichtshof zu bestimmen (Jakusch in Angst² § 82 EO Rz 3).
Da somit für den beabsichtigten Antrag der Mutter auf Erteilung der Vollstreckbarerklärung zwar die inländische Gerichtsbarkeit gegeben wäre, jedoch ein Gericht weder nach der JN noch nach den Bestimmungen der EO örtlich zuständig wäre, war zweckmäßigerweise das Bezirksgericht Leopoldstadt, in dessen Sprengel die Mutter des Minderjährigen wohnt und das bereits mit der Behandlung der von der Mutter gestellten Anträge befasst ist, als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
Anmerkung
E8991310Nc1.09tSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZfRV-LS 2009/26XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0100NC00001.09T.0216.000Zuletzt aktualisiert am
28.07.2009