RS Vfgh 2009/2/26 G128/08 ua

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Veröffentlicht am 26.02.2009
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KinderbetreuungsgeldG §2 Abs1, §8, §9 Abs3, §12, §13, §31 Abs2

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen desKinderbetreuungsgeldgesetzes betreffend die Zuverdienstgrenzehinsichtlich der Berechnung des für die Grenzbeträge und dieFreigrenze maßgeblichen Einkommens; kein in die Verfassungssphärereichendes Ausmaß an Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit derRegelung; keine Bedenken gegen die Rückzahlungsverpflichtung beiÜberschreitung der Zuverdienstgrenze bzw der Freigrenze beim Partner

Rechtssatz

Abweisung der Anträge des OGH und mehrerer Oberlandesgerichte auf Aufhebung (von Teilen) des §2 Abs1, §8, §9 Abs3, §12, §13 und §31 Abs2 KinderbetreuungsgeldG (KBGG) in der Stammfassung BGBl I 103/2001.

Gewährung von Kinderbetreuungsgeld (KBG) unabhängig von Erwerbstätigkeit, finanzielle Unterstützung der Eltern während der ersten drei Lebensjahre des Kindes intendiert.

Die "Zuverdienstgrenze" ist nicht so zu verstehen, dass der Anspruch auf das KBG an die Voraussetzung der sozialen Bedürftigkeit geknüpft ist; es geht vielmehr darum, das KBG nur jenen Eltern(teilen) zu gewähren, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken.

Beim Zuschuss zum KBG handelt es sich hingegen um eine Geldleistung "für sozial schwache Eltern".

Keine Bedenken gegen das Abstellen auf die Einkommenssituation im Anspruchszeitraum.

Wenn der Gesetzgeber den Zufluss "sonstiger Bezüge" in Form des weithin üblichen 13. und 14. Monatsbezuges sowie den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen als typisch betrachtet und durch eine pauschale Erhöhung des Ausgangsbetrags um 30 Prozent berücksichtigt, somit auf eine aufwändige Ermittlung und Kontrolle dieser Zahlungen und Beträge im Einzelfall verzichtet, begegnet das ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch das Abstellen auf den Zufluss (anstelle der Fälligkeit) erscheint nicht unsachlich.

Dass die Ermittlung des maßgeblichen Jahresbetrags auf dieser Basis für die potentiell anspruchsberechtigten Bezieher von KBG unmöglich oder in verfassungswidriger Weise erschwert sei, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden. Es ist auch ohne subtile Sachkenntnis möglich und zumutbar, sich vom Inhalt des §8 KBGG Kenntnis zu verschaffen und - ausgehend von den am Lohnzettel aufscheinenden Daten - den für die im KBGG festgelegten Grenzbeträge bzw Freigrenzen maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte nach dieser Bestimmung zu ermitteln. Bezugsberechtigte erhalten zudem ein Informationsblatt gem §27 KBGG.

Geht der Anspruchswerber von der Annahme aus, er werde die maßgebliche Einkommensgrenze nicht überschreiten, und nimmt er daher das KBG (den Zuschuss zum KBG) in Anspruch, dann trägt er das Risiko, dass seine Annahme nicht zutrifft und er das KBG (den Zuschuss zum KBG) zurückzuzahlen hat. Möglichkeit einer rückwirkenden Antragstellung für sechs Monate; Verzichtsmöglichkeit; Bedachtnahme auf Härtefälle, zB geringfügige Überschreitung der "Zuverdienstgrenze"; beim Zuschuss Rückzahlung nur jenes Betrags, um den das Einkommen die Freigrenze übersteigt.

Keine Verfassungswidrigkeit der Unterschiede in der Berechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und anderer Einkünfte. Bei "anderen Einkünften" aus steuertechnischen Gründen Abstellen auf die Verhältnisse des Kalenderjahres; kein verfassungsrechtliches Gebot, bei Einkünften aus unselbständiger Arbeit eine Option für die Maßgeblichkeit des Jahreseinkommens einzuräumen.

Der Gerichtshof kann nicht finden, dass die hier zu beurteilende Rechtsmaterie einen höheren Grad an Kompliziertheit aufweist als andere Regelungsbereiche, vor allem auch solche des Sozialrechtes mit breitem Adressatenkreis. Ein in die Verfassungssphäre reichendes Ausmaß an Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit ist im vorliegenden Fall (noch) nicht gegeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob es alternative Lösungen gibt, die für die Beteiligten leichter durchschaubar und einfacher handhabbar sind, oder auch solche, die den vom Gesetzgeber angestrebten Zielen eher gerecht werden.

Keine Verfassungswidrigkeit des §31 Abs2 zweiter Satz KBGG betr die Rückforderung von Leistungen bei Überschreiten der "Zuverdienstgrenze" bzw der Freigrenze (beim Partner) ohne Verschulden des Leistungsempfängers.

Beim KBG, das als Sozialleistung ohne Versicherungscharakter konzipiert ist, soll eine Beschäftigung jenseits der "Zuverdienstgrenze" ausgeschlossen werden, um - in typisierender Betrachtung - die Betreuung des Kindes zu gewährleisten. Wenn der Gesetzgeber in einem solchen Fall das Überschreiten der "Zuverdienstgrenze" mit der Sanktion der Rückforderung verbindet, handelt er nicht verfassungswidrig, auch wenn er im Fall des Überschreitens des Grenzbetrags die Rückforderung nicht auf den Differenzbetrag beschränkt.

Entscheidungstexte

  • G 128/08 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 26.02.2009 G 128/08 ua

Schlagworte

Kinderbetreuungsgeld, Rechtspolitik

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2009:G128.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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