TE Vwgh Erkenntnis 2009/3/4 2008/15/0270

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Veröffentlicht am 04.03.2009
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §236;
BAO §240 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des S B in K, vertreten durch Bröll Gasser Steuerberater GmbH in 6850 Dornbirn, Färbergasse 15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 5. August 2008, GZ RV/0157-F/08, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war bis zum 31. Dezember 2003 handelsrechtlicher Geschäftsführer der B-GmbH. In dem im Jahre 1995 abgeschlossenen Anstellungsvertrag war ihm eine Firmenpension zugesagt worden.

Zum Ablauf des Jahres 2000 vereinbarten der Beschwerdeführer und seine Arbeitgeberin, die B-GmbH, die Abfindung der Pensionsanwartschaft des Beschwerdeführers mit einem Betrag von 16.000.000 S. Von der Arbeitgeberin wurde die Lohnsteuer gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 idF BGBl. I. Nr. 106/1999 mit dem halben Durchschnittssteuersatz berechnet.

Mit Schreiben vom 24. August 2007 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2000 gemäß § 295a BAO. Er brachte vor, 4 Mio. S aus der Pensionsabfindung sei ihm im Jahr 2000 gar nicht zugeflossen. Er habe der Gesellschaft im Hinblick auf deren Ertrags- und Finanzlage 4 Mio. S des Nettobetrages der Pensionsabfindung gestundet. Dieser Teilbetrag sei ihm auch in der Folge nicht ausbezahlt worden. Im Juli 2007 sei die B-GmbH "in Konkurs geraten". Der Beschwerdeführer habe nur mehr die Konkursquote erhalten. Bei der Abrechnung und Besteuerung der Pensionsabfindung im Jahr 2000 sei er noch davon ausgegangen, dass ihm letztendlich doch die gesamte Nettopensionsabfindung ausbezahlt werde. Auf Grund des nunmehr eingetretenen teilweisen Forderungsausfalls sei ein Ereignis eingetreten, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Umfang der Einkommensteuer 2000 entfalte. Es liege ein rückwirkendes Ereignis iSd § 295a BAO vor. Die Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2000 habe in der Weise zu erfolgen, dass nicht eine Bruttopensionsabfindung von 16.000.000 S, sondern lediglich eine Pensionsabfindung in Höhe von zwei Drittel dieses Betrages, sohin

10.666.667 S, der Besteuerung mit dem halben Durchschnittssteuersatz zu unterziehen sei.

Das Finanzamt Bregenz wies den Antrag nach § 295a BAO ab. Bei der Veranlagung blieben Bezüge gemäß § 67 Abs. 3 bis 8 EStG 1988 außer Ansatz (§ 41 Abs. 4 EStG 1988). Eine Änderung des Einkommensteuerbescheides würde sich daher selbst dann nicht ergeben, wenn das Antragsvorbringen zutreffend wäre. Im Hinblick auf die "Steuerverschärfung" für Pensionsabfindungen ab dem Jahr 2001 gehe das Finanzamt jedenfalls davon aus, dass der Bezug auch zur Gänze im Jahr 2000 zugeflossen sei, der Beschwerdeführer jedoch gleichzeitig einen Teil der Dienstgeberin wieder als Darlehen zur Verfügung gestellt habe.

In der Folge stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 23. Oktober 2007 den Antrag auf Nachsicht der Lohnsteuer, soweit sie auf den Teil der Pensionsabfindung entfalle, die seiner Ansicht nach im Jahr 2000 nicht zugeflossen sei. Es handle sich dabei um Lohnsteuer in Höhe von 1.333.333,33 S.

In der Begründung wurde ausgeführt, zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Arbeitgeberin sei von vorneherein klar gewesen, dass auf Grund der anhaltenden Liquiditätsschwierigkeiten der GmbH die sofortige Auszahlung des gesamten Nettobetrages nicht möglich sei. Allein auf Grund dieser Tatsache ergebe sich die sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Hinblick auf den nicht ausbezahlten Teilbetrag der Nettopensionsabfindung. Nach § 236 Abs. 2 BAO finde Abs. 1 auch auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten Anwendung. Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung würde sich selbst unter Berücksichtigung der Ansicht des Finanzamtes, die Bezüge seien zur Gänze zugeflossen, ergeben. Tatsächlich sei es aber nicht zum Zufluss gekommen. Hätte der Beschwerdeführer die volle Verfügungsmacht über den Geldbetrag erlangt, so hätte er diesen keinesfalls weiter bei der Arbeitgeberin belassen, zumal er ja über deren finanzielle Verhältnisse und Probleme informiert gewesen sei. Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liege vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Im Beschwerdefall bestehe dieses in der Besteuerung eines nicht zugeflossenen Bezuges.

Mit Bescheid vom 2. Jänner 2008 wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, aus der ergänzenden Vereinbarung zum Geschäftsführervertrag, insbesondere aus den Regelungen über die Sofortauszahlung der gesamten Pensionsabfindung und die umgehende Rückzahlung des Teilbetrages von 4.000.000 S, sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über den verfahrensgegenständlichen Teil der Pensionsabfindung verfügt habe. Die damalige Hausbank habe dafür gesorgt, dass der betreffende Teilbetrag dem Beschwerdeführer nicht ausbezahlt werde. Deshalb seien am 28. Dezember 2000 zwar 12 Mio. S auf ein Konto des Beschwerdeführers überwiesen worden, bereits am 29. Dezember 2000 habe aber die Bank per Eilüberweisung die Rücküberweisung eines Teiles dieser Zahlung durchgeführt. Dieser Vorgang sei ohne direkte Einbindung des Beschwerdeführers in Vollziehung der der Bank bekannten ergänzenden Vereinbarung zum Geschäftsführervertrag erfolgt. Somit sei die Besteuerung des Betrages von 4. Mio. S zu Unrecht erfolgt und daher unbillig im Sinne des § 236 BAO.

Als Beilage zur Berufung legte der Beschwerdeführer die am 24. April 2001 und 9. Mai 2001 unterfertigte "Ergänzende Vereinbarung zum Geschäftsführervertrag" vor. Aus dieser Vereinbarung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die Geschäftsführungstätigkeit bis zum 31. Dezember 2003 zu erbringen hatte, ihm aber "das Recht zur Sofortauszahlung des gesamten Pensionsanspruches in Höhe des vereinbarten Wertes von ATS 16.000.000 von den Gesellschaftern einvernehmlich" eingeräumt wurde.

Im Rahmen eines Erörterungsgespräches vor der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer vor, erst nach seinem Ausscheiden im Dezember 2003 sei es zu falschen unternehmerischen Entscheidungen bei der B-GmbH gekommen, die zum Konkurs geführt hätten. Zum Vorwurf, er habe - im Falle eines nur teilweisen Zuflusses der Pensionsabfindung im Jahr 2000 - die lediglich bis Ende dieses Jahres 2000 existierende Steuerbegünstigung für Pensionsabfindungen in § 67 Abs. 8 EStG 1988 zu Unrecht ausgenutzt, merkte der Beschwerdeführer an, diese Vorgangsweise sei damals allgemein übliche Praxis gewesen.

In einem ergänzenden Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer vor, ein unterlassener Antrag auf Lohnsteuererstattung nach § 240 BAO führe nicht eo ipso zum Ausschluss einer Nachsicht. Auf Grund der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Tatsache, dass der Beschwerdeführer jahrelang von Seiten seines Arbeitgebers hingehalten worden sei und im Endeffekt wider Erwarten die ihm zustehende Pensionsabfindung nicht zur Gänze erhalten habe, liege eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, nämlich der Eintritt eines vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigten Ergebnisses, vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit könne entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Das Vorliegen einer persönlich bedingten Unbilligkeit behaupte der Beschwerdeführer nicht.

Der Beschwerdeführer erblicke die sachliche Unbilligkeit im wesentlichen darin, dass eine Pensionsabfindung in Höhe von brutto 16 Mio. S besteuert worden sei, er jedoch lediglich zwei Drittel dieses Betrages erhalten habe.

Die maßgebende Norm für die zeitliche Zuordnung von Einnahmen im Bereich der außerbetrieblichen Einkunftsarten sei § 19 Abs. 1 EStG 1988. Danach sei der Zufluss zu jenem Zeitpunkt verwirklicht, zu dem der Empfänger von Einnahmen über diese rechtlich und wirtschaftlich frei verfügen könne.

Sollte es zu keinem Zufluss gekommen sein, wäre hinsichtlich eines Betrages von brutto 5.333.333,33 S von der Arbeitgeberin Lohnsteuer zu Unrecht einbehalten und abgeführt worden. Diese unrichtige Abfuhr von Lohnsteuer wäre korrigierbar gewesen, und zwar im Wege der Erlangung eines "Gutschriftenbescheides" gemäß § 202 BAO durch den Abfuhrpflichtigen oder im Wege eines Erstattungsantrages gemäß § 240 Abs. 3 BAO durch den Lohnsteuerpflichtigen. Auf Grund dieser Korrekturmöglichkeit und der Untätigkeit des Beschwerdeführers sei eine sachliche Unbilligkeit zu verneinen. Sachliche Unbilligkeit setzte nämlich unter anderem voraus, dass das vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigte Ergebnis vom Abgabepflichtigen nicht beeinflussbar sei.

Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung sei aber auch zu verneinen, wenn der Auffassung des Finanzamtes gefolgt und ein gänzlicher Zufluss der Pensionsabfindung im Dezember 2000 bejaht werde. Für eine solche Deutung spreche insbesondere der Inhalt der ergänzenden Vereinbarung zum Geschäftsführervertrag. Dort werde ausgeführt, dass die gesamte Nettoabfindungssumme am 28. Dezember 2000 ausbezahlt und anschließend ein Drittel dieser Summe der Arbeitgeberin wieder als Darlehen zur Verfügung gestellt werde.

Bei Annahme eines gänzlichen Zuflusses der Abfindung im Dezember 2000 sei die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer im Einklang mit den im betreffenden Veranlagungsjahr in Kraft stehenden materiell-rechtlichen Normen (§ 67 Abs 8 lit. b EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 106/1999) erfolgt.

Da sohin keine Unbilligkeit der Einhebung vorliege und es damit schon an der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 236 BAO fehle, habe eine Ermessensentscheidung über das Nachsichtsgesuch nicht mehr zu erfolgen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Gemäß § 236 Abs. 2 findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in dieser Bestimmung vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein. Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt vor, wenn die Abstattung der Abgaben mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten verbunden wäre, die außergewöhnlich sind (vgl. das hg Erkenntnis vom 24. September 2008, 2006/15/0101). Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat (vgl. das hg Erkenntnis vom 20. September 2007, 2002/14/0138).

Im Beschwerdefall steht ausschließlich die sachliche Unbilligkeit in Streit.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde gehe einerseits davon aus, dass der in Rede stehende Teil der Pensionsabfindung im Jahr 2000 nicht zugeflossen sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei in einem solchen Fall die Besteuerung für diesen Teil der Pensionsabfindung zu Unrecht erfolgt. Darin liege eine sachliche Unbilligkeit. Ein Erstattungsantrag sei wegen des Verstreichens der Zeit nicht mehr möglich. Der Grund dafür, dass der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig einen Erstattungsantrag nach § 240 Abs. 3 BAO gestellt habe, liege darin, dass er jahrelang geglaubt habe, dass seine Arbeitgeberin den ausständigen Teil der Pensionsabfindung nachzahlen werde. Die belangte Behörde gehe andererseits davon aus, dass auch der in Rede stehende Teil der Pensionsabfindung im Jahr 2000 zugeflossen und damit zu Recht in diesem Jahr besteuert worden sei. Nach Ansicht des Beschwerdeführers treffe es aber nicht zu, dass es zu einem Zufluss dieses Teils der Abfindung gekommen sei.

Der Beschwerdeführer geht sohin davon aus, dass ein Teil der als Pensionsabfindung bezeichneten Zahlung im Jahr 2000 nicht zugeflossen ist. Auch vor diesem Hintergrund zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ist nämlich im Jahr 2000 der Bezugsteil zu Unrecht der Lohnsteuer unterzogen worden, so ist - wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid aufzeigt - dem Beschwerdeführer die Möglichkeit offen gestanden, durch einen Antrag auf Lohnsteuererstattung nach § 240 Abs. 3 BAO eine Korrektur herbeizuführen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einem Zufließen dieses Bezugsteiles in einem späteren Jahr gerechnet hat, stellt in keiner Weise einen Grund für das Unterlassen eines solchen Erstattungsantrages dar. Das Zufließen in einem späteren Jahr hätte nämlich wieder für sich Steuerpflicht in diesem späteren Jahr ausgelöst.

Das Beschwerdevorbringen zeigt keine sachliche Unbilligkeit auf, sondern einen bloßen Fehler in der Lohnsteuerberechnung, der in der vom Gesetz festgelegten Weise hätte beseitigt werden können. Das Unterlassen eines für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausreichenden Erstattungsantrages nach § 240 Abs. 3 BAO begründet keine Unbilligkeit iSd § 236 BAO. Entscheidend ist, dass dem Steuerpflichtigen von der Rechtsordnung ein Weg zur Beseitigung der allfälligen Fehlerhaftigkeit bereitgestellt worden ist.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II. Nr. 455/2008.

Wien, am 4. März 2009

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2009:2008150270.X00

Im RIS seit

07.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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