Index
E1E;Norm
11992E059 EGV Art59;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der L AG in L, vertreten durch Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1013 Wien, Renngasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 21. August 2008, GZ RV/1177-L/06, betreffend Haftung für Abzugsteuer nach § 99 EStG 1988 hinsichtlich des Jahres 2000, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 20. August 2000 schloss die in Österreich ansässige Beschwerdeführerin einen Vertrag mit dem international bekannten Fotomodell N. Darin verpflichtete sich das Fotomodell zu Fotoshooting- und PR-Terminen und zur Einräumung entsprechender Rechte an den Fotos. Als Gegenleistung wurde ein Pauschalhonorar von 310.000 USD zuzüglich Agenturprovision und Umsatzsteuer vereinbart. Darüber hinaus verpflichtete sich die Beschwerdeführerin zur Übernahme der Spesen für Flüge, Transfers und Unterkunft des Fotomodells sowie seiner Begleitung in Höhe von insgesamt 293.000 ATS.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2001 schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin für die in Rede stehenden Bezüge des Fotomodells Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 in Höhe von 1.104.216 ATS vor.
Eine dagegen erhobene Berufung wies die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich mit Berufungsentscheidung vom 1. März 2002, GZ RV 1167/1-6/2001, ab. Sie verwies auf § 3 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum DBA Großbritannien, BGBl. 505/1979, wonach Steuerpflichtige, die zur Erlangung einer abkommensmäßigen Steuerentlastung in Österreich verpflichtet seien, den Nachweis der Ansässigkeit in Großbritannien zu erbringen, diesen durch eine britische Wohnsitzbescheinigung erbringen könnten. Trotz wiederholter Aufforderung habe die Beschwerdeführerin eine derartige Bescheinigung nicht vorgelegt. Der Nachweis der Ansässigkeit des Fotomodells in Großbritannien sei also nicht erbracht worden. Folglich könne - entgegen dem Begehren der Beschwerdeführerin - das DBA Großbritannien im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangen. Nach innerstaatlichem Recht führten die Leistungen des Fotomodells zu Einkünften, welche der beschränkten Steuerpflicht unterlägen.
Diese Berufungsentscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2006, 2006/14/0109 (im Folgenden: Vorerkenntnis), auf welches zur weiteren Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf.
Dass die belangte Behörde nach innerstaatlichem Recht die Steuerabzugspflicht nach § 98 Z. 6 iVm § 99 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 und die Haftungspflicht gemäß § 100 Abs. 2 leg. cit. angenommen habe, erweise sich als nicht rechtswidrig. Würden Einkünfte von einem ausländischen Gewerbetreibenden erzielt und könnten sie in Österreich nicht als gewerbliche Einkünfte erfasst werden, weil der betreffende Unternehmer - wie im Beschwerdefall - weder über eine Betriebsstätte noch über einen ständigen Vertreter im Inland verfüge, so seien diese Einkünfte nicht der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen und in Österreich außer Ansatz zu lassen, sondern als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung iSd § 28 EStG zu erfassen (Isolationstheorie), weil die inländischen Verhältnisse isoliert von den ausländischen zu beurteilen seien. Bei den im Beschwerdefall vom Fotomodell der Beschwerdeführerin zur Nutzung überlassenen Rechten handle es sich um solche iSd § 28 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988.
Gemäß § 99 Abs. 2 EStG 1988 unterliege der Abzugsteuer der volle Betrag der Einnahmen (Betriebseinnahmen) oder der Gewinnanteile. Im Beschwerdefall sei nun allerdings zu beachten, dass im Streitjahr 2000 das Gemeinschaftsrecht der Erfassung der Ersatzzahlungen für nachgewiesene Betriebsausgaben des Fotomodells in der Bemessungsgrundlage der Abzugsteuer entgegen stehen könnte:
Aus dem Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2006, C-290/04, FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH, ergebe sich, dass die Dienstleistungsfreiheit nationalen Rechtsvorschriften entgegen stehe, nach denen im Steuerabzugsverfahren Betriebsausgaben eines Dienstleisters, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stünden, nicht steuermindernd geltend gemacht werden könnten. Allerdings sei die Dienstleistungsfreiheit nicht im Falle eines Dienstleisters anwendbar, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitze.
Sollte die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der EU vorliegen, müssten Betriebsausgaben, welche das Fotomodell der Beschwerdeführerin mitgeteilt habe und die - iSd Urteil des EuGH FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH - im unmittelbaren Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Fotomodells stünden, bei Berechnung der Abzugsteuer (in einer im Vorerkenntnis näher dargestellten Weise) berücksichtigt werden. Indem die Finanzlandesdirektion Feststellungen über die Staatsangehörigkeit des Fotomodells und über Betriebsausgaben unterlassen habe, habe sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Im fortgesetzten Verfahren ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, einen Nachweis über die Staatsbürgerschaft des Fotomodells vorzulegen und eine Ansässigkeitsbescheinigung beizubringen.
Mit Schreiben vom 6. August 2008 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihr die Staatsangehörigkeit des Fotomodells nicht bekannt sei. Es liege ihr auch keine Ansässigkeitsbescheinigung vor. Weiters wird ausgeführt: "Dazu halten wir fest, dass damit nicht ausgeschlossen ist, dass Frau (N) in Großbritannien ansässig ist bzw. die Staatsangehörigkeit von Großbritannien hat."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin im fortgesetzten Verfahren mehrfach aufgefordert, einen Nachweis für die Staatsangehörigkeit des Fotomodells oder eine Bescheinigung über die Ansässigkeit in Großbritannien vorzulegen. Dem habe die Beschwerdeführerin nicht entsprochen. Sie habe weder einen Nachweis über die Staatsangehörigkeit noch eine Ansässigkeitsbescheinigung vorgelegt. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft sei ein Hoheitsakt, sodass der Nachweis der Staatsangehörigkeit durch geeignete Beweismittel zu erfolgen habe. Ohne die Vorlage entsprechender Beweismittel sei es für die belangte Behörde nicht möglich, die Staatsangehörigkeit des Fotomodells zu klären. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sei es bei weltweit tätigen Schauspielern, Künstlern und Sportlern nicht ausgeschlossen, dass sie aus verschiedenen Gründen die Staatsangehörigkeit und die Ansässigkeit wechselten. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht könne sich nur jener Dienstleister auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, der die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates habe. Die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates sei im gegenständlichen Fall nicht nachgewiesen, ja nicht einmal ausdrücklich behauptet worden. Daher sei für die Lösung des Beschwerdefalles ausschließlich innerstaatliches Recht anzuwenden. Nach innerstaatlichem Recht bestehe Steuerabzugspflicht nach § 99 Abs. 2 EStG 1988, und zwar auch für die Aufwandersätze für Flug, Transfer, Unterkunft und sonstige Spesen. Nach innerstaatlichem Recht seien Betriebsausgaben nicht von der Bemessungsgrundlage nach § 99 Abs. 2 EStG 1988 in Abzug zu bringen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerde rügt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die belangte Behörde es unterlassen habe, Feststellungen über die Staatsangehörigkeit des Fotomodells N zu treffen. Die Beschwerdeführerin vermute, dass Frau N britische Staatsbürgerin sei. Von der Beschwerdeführerin könne aber nicht verlangt werden, dass sie Unterlagen über die Staatsangehörigkeit des Fotomodells habe, da sich die vertragliche Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und dem Fotomodell lediglich auf zwei Fototermine beschränkt habe und nunmehr beendet sei. Die Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin ende jedenfalls dort, wo die Mitwirkung unmöglich sei. Demgegenüber hätte die belangte Behörde die Möglichkeit gehabt, im Wege der Amtshilfe an die britische Steuerverwaltung heranzutreten, um zu erfahren, ob das Fotomodell britische Staatsbürgerin sei. Hätte die belangte Behörde eine entsprechende Anfrage, insbesondere auf der Grundlage der Amtshilferichtlinie, gestellt, hätte sich ergeben, dass das Fotomodell entweder britische Staatsangehörige oder Staatsangehörige eines anderen Staates sei, mit dem Österreich ein Doppelbesteuerungsabkommen mit
Staatsangehörigendiskriminierungsverbot abgeschlossen habe. Damit hätte sich ergeben, dass das Fotomodell in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit falle, sodass der Steuerabzug nicht oder bloß in einem verminderten Ausmaß hätte geltend gemacht werden können.
Im weiteren führt die Beschwerde aus, die durch das Gemeinschaftsrecht gewährleistete Dienstleistungsfreiheit werde - aus mehreren im einzelnen ausgeführten Gründen - durch einen Steuerabzug nach § 99 EStG 1988 verletzt. Der angefochtene Bescheid sei aber auch deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet, weil die belangte Behörde keine Feststellungen über Betriebsausgaben des Fotomodells, die unmittelbar mit seinen die Abzugsteuer auslösenden Tätigkeiten zusammenhingen, getroffen habe.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Der EuGH hat im Urteil vom 3. Oktober 2006, C-290/04, FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH, ausgesprochen, die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG (Art. 59 EWG-Vertrag) stehe nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen auf die Vergütung eines Dienstleisters, der im Mitgliedstaat der Leistungserbringung nicht ansässig ist, ein Steuerabzugsverfahren Anwendung findet, obwohl die Vergütung eines in diesem Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters diesem Verfahren nicht unterliegt. Allerdings steht die Dienstleistungsfreiheit nationalen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen im Steuerabzugsverfahren Betriebsausgaben eines Leistungserbringers, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dessen Tätigkeiten im Mitgliedstaat der Leistungserbringung stehen, nicht steuermindernd geltend gemacht werden können, während bei einem gebietsansässigen Dienstleister nur die Nettoeinkünfte der Steuer unterliegen.
In Rn 67 ff seines Urteils führt der EuGH sodann aus, dass die Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr nur dann Anwendung finden, wenn die Dienstleistung innerhalb der Gemeinschaft erbracht wird sowie der Dienstleister die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und in einem Land der Gemeinschaft ansässig ist.
Da das nationale Recht in der im Beschwerdefall anzuwendenden Stammfassung des § 99 Abs. 2 EStG 1988 die Abzugsteuer von den Einnahmen berechnet und einen Betriebsausgabenabzug nicht zugelassen hat, ist im Beschwerdefall von entscheidender Bedeutung, ob ein Anwendungsfall der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG vorliegt und damit, wie im Vorerkenntnis aufgezeigt, eine partielle Verdrängung des nationalen Rechts eintritt.
Ein Anwendungsfall der Dienstleistungsfreiheit hat u.a. zur Voraussetzung, dass der Dienstleister die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU besitzt. Vor diesem Hintergrund hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem Vorerkenntnis den seinerzeit angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die seinerzeit belangte Behörde hatte - wegen Verkennung der Rechtslage - u.a. keine Ermittlungen über die Staatsangehörigkeit der Dienstleisterin unternommen.
Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde Erhebungen angestellt, indem sie die Beschwerdeführerin aufgefordert hat, den Nachweis über die Staatsangehörigkeit der Dienstleisterin zu erbringen. Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht einmal glaubhaft gemacht, dass die Dienstleisterin Angehörige eines Mitgliedstaates ist.
Die Auffassung der belangten Behörde, dass es Sache des Steuerpflichtigen ist, der nationales Recht durch die Dienstleistungsfreiheit verdrängt wissen will, die Mitgliedstaaten-Staatsangehörigkeit (des Dienstleisters) nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, ist nicht rechtswidrig.
Dem Beschwerdevorbringen zur Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABl. L 336, S. 15) ist entgegen zu halten:
Der EuGH hat im Urteil vom 27. September 2007, C-184/05, Twoh International BV, Rn 31ff ausgesprochen, der Mitgliedstaat könne stets die Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen einmahnen. Die Amtshilferichtlinie räume dem Mitgliedstaat bloß die Möglichkeit ein, im Einzelfall die ihm vorgelegten Daten einer Überprüfung zuzuführen. Dem Einzelnen verleihe die Amtshilferichtlinie keine Rechte. Nichts hindere die Finanzbehörden daran, vom Steuerpflichtigen selbst alle Belege zu verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Besteuerungsfragen notwendig erschienen.
Die belangte Behörde hat trotz entsprechender Ermittlungsschritte im fortgesetzten Verfahren nicht die Feststellung treffen können, dass die Dienstleisterin Staatsangehörige eines Mitgliedstaates ist. Solcherart ist sie zu Recht davon ausgegangen, dass kein Anwendungsfall der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG vorliegt. Damit verbietet sich auch ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen betreffend einen Verstoß von Regelungen des nationalen Rechts gegen die Dienstleistungsfreiheit.
Die Ausführungen im Vorerkenntnis zu den Betriebsausgaben der Dienstleisterin, die unmittelbar mit ihrer in Rede stehenden Tätigkeit zusammenhängen, sind vor dem Hintergrund getroffen worden, dass die Dienstleistungsfreiheit die Berücksichtigung derartiger Betriebsausgaben gebietet. Da sich aber - wie vorstehend ausgeführt - im fortgesetzten Verfahren nicht ergeben hat, dass von einem Anwendungsfall der Dienstleistungsfreiheit auszugehen ist, kann es der belangten Behörde nicht als rechtswidrig vorgeworfen werden, dass sie keine weiteren Feststellungen über die angesprochenen Betriebsausgaben getroffen hat.
Erwähnt sei, dass es grundsätzlich einem beschränkt steuerpflichtigen Dienstleister nicht verwehrt ist, die Zurückhaltung bei der Offenlegung der Staatsangehörigkeit erst nachträglich im Rahmen einer beantragten Veranlagung nach § 102 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988 abzulegen.
Gegen welches Doppelbesteuerungsabkommen die mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug vorgenommene Geltendmachung der Haftung für Abzugsteuern verstoßen sollte, wird in der Beschwerde nicht ausgeführt.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II. Nr. 455/2008.
Wien, am 4. März 2009
Gerichtsentscheidung
EuGH 62004J0290 FKP Scorpio VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2009:2008150275.X00Im RIS seit
07.04.2009Zuletzt aktualisiert am
29.11.2016