Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus N***** wegen § 169 Abs 1 StGB, AZ 17 HR 123/08x des Landesgerichts St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 12. Jänner 2009, AZ 19 Bs 4/09s (ON 38 des HR-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Markus N***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Markus N***** befindet sich seit 19. November 2008 im Verfahren AZ 17 HR 123/08x des Landesgerichts St. Pölten aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO in Untersuchungshaft. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Beschuldigten gegen die am 23. Dezember 2008 beschlossene (ON 30) Fortsetzung der Untersuchungshaft durch das Landesgericht St. Pölten nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Haft aus dem genannten Grund an (ON 38).
Rechtliche Beurteilung
Die (den Beschluss des Oberlandesgerichts zum dringenden Tatverdacht nicht beanstandende) Grundrechtsbeschwerde wendet sich gegen die Bejahung des angeführten Haftgrunds und behauptet Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft.
Nach der vom Oberlandesgericht Wien zum Gegenstand seiner eigenen Überzeugung gemachten Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts (ON 38 S 2; zu dem Erfordernis eigener Sachverhaltsannahmen des Beschwerdegerichts in einem Haftfortsetzungsbeschluss Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 182 [aF] Rz 10) und dessen rechtlicher Beurteilung ist Markus N***** dringend verdächtig, am 7. August 2008 (in zwei Angriffen) und am 4. September 2008 jeweils in Z***** Brandanschläge im Sinn des § 169 Abs 1 StGB verübt sowie zwischen 29. Juli 2008 und 7. November 2008 weitere Brandlegungen begangen zu haben.
Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zu Grunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellen. Dabei kann die in der Begründung des Haftbeschlusses zum Ausdruck kommende sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung bloß einzelner von mehreren erheblichen Umständen, die erst in der Gesamtschau mit anderen die Prognoseentscheidung tragen, nach § 10 GRBG iVm § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht in Frage gestellt werden, es sei denn, eine als willkürlich kritisierte bestimmte Tatsache bildete erkennbar eine notwendige Bedingung für die Prognose (RIS-Justiz RS0117806). Die vom Oberlandesgericht zur Begründung ins Treffen geführten Umstände (ON 38 S 3 und 4) lassen einen formal einwandfreien Schluss auf das Vorliegen von Tatbegehungsgefahr zu. Die Grundrechtsbeschwerde vermag dagegen keine substantiellen Argumente ins Treffen zu führen und demgemäß keine Willkür der bekämpften Prognoseentscheidung aufzuzeigen.
Indem die Beschwerde mit einer Passage im Gutachten der Sachverständigen argumentiert, wonach der Beschuldigte im Fall seiner Enthaftung ein ihm nicht nur freundlich zugewandtes, sohin kränkungsgeneigtes Umfeld vorfinden werde, auf die sich die angefochtene Entscheidung weder stützt noch aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 StPO (§ 10 GRBG) beziehen musste, bedarf sie ebenso keiner sachlichen Erwiderung wie zu ihrer nicht nachvollziehbaren Behauptung, dass nach dem Sachverständigenkalkül weder Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB noch eine höhergradige seelische und geistige Abartigkeit im Sinn des § 21 Abs 2 StGB vorliegen, weswegen „der Haftgrund des § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO nicht Platz greifen" könne.
Entgegen den weiteren Ausführungen der Grundrechtsbeschwerde begründete das Oberlandesgericht die Tatbegehungsgefahr unter Heranziehung der „hohen Anzahl der Brandlegungen binnen einer relativ kurzen Zeitspanne und der augenscheinlich geringen Frustrationstoleranz des Beschuldigten", dessen Tatmotivation nach eigener Einlassung jeweils in privaten Problemen gelegen war, keineswegs willkürlich, sondern auf bestimmten Tatsachen fußend. Der Behauptung der Grundrechtsbeschwerde zuwider, die Haft wäre im Hinblick auf das dem Beschuldigten attestierte „geringe Rückfallsrisiko" sowie sein „Trachten nach psychotherapeutischer Behandlung" unverhältnismäßig, stand die zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung rund siebenwöchige Dauer der Untersuchungshaft weder zur Bedeutung der dem Beschuldigten angelasteten strafbaren Handlungen noch zu der im Fall einer Verurteilung zu gewärtigenden Sanktion außer Verhältnis. Die keine Verletzung des verfassungsmäßig geschützten Rechts auf persönliche Freiheit aufzeigende Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
Anmerkung
E8993711Os17.09yEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00017.09Y.0217.000Zuletzt aktualisiert am
01.04.2009