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56 Öffentliche WirtschaftNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Regelung über die Gesamtnachfolge bei der Umwandlung der ÖBB in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit mangels Legitimation; Zumutbarkeit eines mietrechtlichen Verfahrens zur Klärung der Frage eines angemessenen Hauptmietzinses für eine an die ÖBB vermietete Liegenschaft des AntragstellersSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Aufgrund des BundesbahnG 1992 wurde der Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, auf die die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes anzuwenden sind, soweit das BundesbahnG 1992 keine abweichenden Regelungen enthält (§1 Abs1 leg.cit.).
Hinsichtlich des Vermögensüberganges vom Bund auf die neue Gesellschaft trifft der erste Satz des §17 Abs1 BundesbahnG 1992 folgende Regelung (angefochtene Wortfolge hervorgehoben):
"Das bisher im Eigentum des Bundes gestandene, dem Wirtschaftskörper 'Österreichische Bundesbahnen' gewidmete Vermögen einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in das Eigentum der Gesellschaft 'Österreichische Bundesbahnen' über."
(§1 ist mit 1. Jänner 1993, §17 mit 1. Jänner 1994 in Kraft getreten (§25 Abs1 BundsbahnG 1992).)
2. a) Der Antragsteller begehrt - gestützt auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG - die Aufhebung der Wortfolge "im Wege der Gesamtrechtsnachfolge" in §17 Abs1 BundesbahnG 1992, BGBl. 825.
Begründend führt er aus, daß er als Eigentümer einer dem Mietrechtsgesetz (MRG) unterliegenden Liegenschaft das darauf befindliche Gebäude 1971 an den als Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes gebildeten Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesbahnen" gegen Bezahlung eines monatlichen Hauptmietzinses in Höhe von 13 S je m2 Nutzfläche in Bestand gegeben habe. Per 1. Jänner 1994, dem Tag des Inkrafttretens der angefochtenen Bestimmung, habe der Hauptmietzins aufgrund vereinbarter Wertsicherung und einer festgestellten Nutzflächendifferenz 34,90 S pro m2 betragen. Ein angemessener Mietzins wäre zum selben Stichtag zumindest mit 111 S je m2 anzusetzen gewesen.
Der Antragsteller erachtet sich durch die angefochtene Wortfolge in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil er "durch die gesetzliche Interpretation der Unternehmensveräußerung in §17 Abs1 BundesbahnG 1992 als 'Gesamtrechtsnachfolge'" gehindert werde, eine gemäß §12 Abs3 MRG (idF vor BGBl. 800/1993) vorgesehene Mietzinsanpassung auf einen angemessenen Hauptmietzins vorzunehmen. Selbst wenn die Überleitung der "Österreichischen Bundesbahnen" in eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit nicht als Unternehmensveräußerung iSd §12 Abs3 MRG aF zu qualifizieren sei, läge zweifellos eine entscheidende Änderung hinsichtlich der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten bei den "Österreichischen Bundesbahnen" iSd §12a Abs3 MRG idF BGBl. 800/1993, vor (der gemäß §46a Abs1 leg.cit. für alle Änderungen ab dem 1. Oktober 1993 anzuwenden sei). Ein anderer Weg, um die durch die behauptete Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Vorschrift bewirkte Rechtsverletzung abzuwehren, stehe ihm nicht zur Verfügung: Denn ein auf §12 Abs3 MRG aF gestütztes Begehren auf Anhebung des Hauptmietzinses zur Erreichung eines angemessenen Hauptmietzinses gemäß §16 Abs1 MRG würde an der angefochtenen Wortfolge scheitern, weil ein (erfolgreich durchsetzbares) Begehren des Hauseigentümers nach §12 Abs3 MRG aF eine Einzelrechtsnachfolge voraussetze.
b) §12 Abs3 MRG (idF vor BGBl. 800/1993) ordnete folgendes an:
"Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen und führt der Erwerber das erworbene Unternehmen im Mietgegenstand weiter, so gehen die Hauptmietrechte am Mietgegenstand und die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses auf den Erwerber des Unternehmens über. ... Ist der bisherige Hauptmietzins niederer als der angemessene Hauptmietzins, so kann der Vermieter vom Erwerber des Unternehmens und der Mietrechte die Erhöhung des Hauptmietzinses auf den für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag innerhalb von sechs Monaten nach dem Mietrechtsübergang begehren; stellt der Vermieter ein solches Begehren, so hat der Übernehmer des Unternehmens und des Mietrechtes den für den Mietgegenstand angemessenen Hauptmietzins ab dem auf den Zugang des Erhöhungsbegehrens folgenden Zinstermin zu entrichten."
Der am 1. März 1994 in Kraft getretene §12a MRG idF BGBl. 800/1993 bestimmt:
"§12 a. (1) Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt der Erwerber des Unternehmens anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. ... Der Vermieter kann die Rechtsfolgen des durch die Unternehmensveräußerung herbeigeführten Eintritts des Erwerbers in das Hauptmietverhältnis ab dem der Unternehmensveräußerung folgenden Zinstermin geltend machen.
(2) Ist der bisherige Hauptmietzins niederiger als der angemessene Hauptmietzins nach §16 Abs1, so darf der Vermieter bis spätestens sechs Monate nach Anzeige der Unternehmensveräußerung die Anhebung des Hauptmietzinses bis zu dem nach §16 Abs1 zulässigen Betrag, jedoch unter Berücksichtigung der Art der im Mietgegenstand ausgeübten Geschäftstätigkeit, verlangen. Ändert der neue Hauptmieter in der Folge die Art dieser Geschäftstätigkeit, so darf der Vermieter ab diesem Zeitpunkt den nach §16 Abs1 zulässigen Hauptmietzins ohne Berücksichtigung der Art der Geschäftstätigkeit verlangen.
(3) Ist eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechts Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit und ändern sich in ihr die rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten entscheidend, wie etwa durch Veräußerung der Mehrheit der Anteile an einer Gesellschaft, so ist Abs2 anzuwenden, auch wenn die entscheidende Änderung nicht auf einmal geschieht. Die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts sind verpflichtet, solche Änderungen der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflußmöglichkeiten dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. Besteht bei Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsgeschäft zur Umgehung des dem Vermieter zustehenden Rechtes auf Anhebung des Hauptmietzinses geschlossen wurde, so obliegt es dem Hauptmieter, das Fehlen der Umgehungsabsicht zu beweisen.
..."
Gemäß §46a Abs1 MRG idF BGBl. 800/1993 ist §12a Abs3 im Fall eines am 1. März 1994 bestehenden Hauptmietvertrages über eine Geschäftsräumlichkeit mit der Maßgabe anzuwenden, daß solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem 1. Oktober 1993 eingetreten sind.
II. Der Antrag ist unzulässig:
1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides (für diese Person) wirksam wurde. Dazu vertritt der Verfassungsgerichtshof seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen müsse und daß der durch Art140 Abs1 B-VG eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt sei, dem einzelnen Rechtsunterworfenen Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 9062/1981, 9685/1983 uvam.).
Dabei ist lediglich zu untersuchen, ob das angefochtene Gesetz für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Anforderungen des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG genügen. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob das Gesetz für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen entfaltet. Es kommt nämlich im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt (vgl. zB VfSlg. 9185/1981, 10353/1985, 11889/1988).
2. Der Antragsteller macht nun - sinngemäß zusammengefaßt - geltend, daß er aufgrund der bekämpften Wortfolge des §17 Abs1 BundesbahnG 1992 für die Vermietung der genannten Liegenschaft keinen angemessenen Mietzins iSd §12 Abs3 MRG aF bzw. §12a Abs2 MRG (iVm §12a Abs3 MRG) erzielen könne.
Das Interesse des Antragstellers ist offenkundig darauf gerichtet, von den Österreichischen Bundesbahnen einen angemessenen Hauptmietzins zu erhalten. Unter Bedachtnahme auf die Sachlage ist bzw. war es dem Antragsteller - entgegen seiner Auffassung - zumutbar, in einem Verfahren gemäß §37 Abs1 Z8 MRG Bedenken gegen präjudizielle gesetzliche Vorschriften vorzutragen und vor dem Gericht der zweiten Rechtsstufe die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen. Daß ein - für den Antragsteller - positiver Ausgang des anzustrengenden Verfahrens die Aufhebung der angefochtenen Gesetzesstelle als verfassungswidrig - und zwar im Zuge eines vom Rechtsmittelgericht beim Verfassungsgerichtshof zu initiierenden Normenkontrollverfahrens - jedenfalls zur Voraussetzung hätte, ist keine Besonderheit dieser Rechtssache, sondern konsequente Folge der gegebenen Verfassungsrechtslage, die eben (Individual-)Anträge gleichsam nur als letzten Ausweg zuläßt (VfSlg. 8187/1977, 9170/1981, 9285/1981, 9394/1982, 10251/1984). Es kommt dabei nicht auf die Erfolgschancen des den Antragstellern zu Gebote stehenden Weges, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen relevante Normen über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985, 11889/1988).
3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation des Antragstellers ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Mietenrecht, BundesbahnenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G90.1998Dokumentnummer
JFT_10019376_98G00090_00