Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §289 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Innsbruck in 6020 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 6. November 2008, GZ. RV/0086-F/07, miterledigt RV/0087-F/07, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 1999 und Körperschaftsteuer 1999, (mitbeteiligte Partei: Egesellschaft mbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Bei der mitbeteiligten Partei, einer Steuerberatungsgesellschaft, fand eine abgabenbehördliche Prüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG statt, in deren Gefolge das Finanzamt das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1999 mit Bescheid vom 28. Mai 2003 wiederaufnahm.
In der Bescheidbegründung verwies das Finanzamt auf "die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind". Im Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Buch und Betriebsprüfung vom 9. April 2003 finden sich dazu folgende Ausführungen:
"D. Wiederaufnahme des Verfahrens
Tz. 24 Wiederaufnahme des Verfahrens
Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen:
Abgabenart Zeitraum
Hinweis auf Tz
Körperschaftsteuer 1999
18 - 20
Tz. 25 Begründung des Ermessensgebrauches
Die Wiederaufnahme erfolgte gemäß § 303 Abs. 4 und Abs. 1
lit. a BAO unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten
abgabenrechtlichen Wiederholungsprüfung gemäß § 99 FinStrG in
Zusammenhang mit der laufenden Voruntersuchung des Landesgerichtes
Innsbruck unter GZl. 30 Ur nn/02a gegen (Dr. A.) und andere wegen
§ 33 Abs. 1 und 2 FinStrG in Tateinheit mit dem Verbrechen des
Amtsmissbrauches gemäß § 12 in Verbindung mit § 302 StGB, da davon
auszugehen ist, dass die im Zuge der Erstprüfung ergangenen
Bescheide bzw. die Nichtänderung von Bescheiden durch ebendiese
gerichtlich strafbare Handlungen herbeigeführt wurden. Bei der im
Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem
Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung)
der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit
(Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen."
In der u.a. gegen den Wiederaufnahmebescheid gerichteten Berufung bestritt die mitbeteiligte Partei das Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Tat. Der Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. a BAO sei nicht gegeben. Selbst die für eine "normale" Wiederaufnahme des Verfahrens erforderlichen neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel existierten aus näher dargestellten Gründen nicht.
Mit Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 21. Juli 2005 wurde der Berufung stattgegeben, der Wiederaufnahmebescheid aufgehoben und die Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1999 als unzulässig zurückgewiesen.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgebenden Rechtslage begründete der unabhängige Finanzsenat seine Entscheidung wie folgt:
"Nach den Ausführungen des Prüfungsberichts, auf die sich die Begründung des angefochtenen Verfahrensbescheides bezieht, erfolgte die Wiederaufnahme gemäß § 303 Abs. 4 BAO deshalb in Verbindung mit § 303 Abs. 1 lit. a BAO, weil davon auszugehen sei, dass 'im Zuge der Erstprüfung ergangene Bescheide bzw. die Nichtänderung von Bescheiden' durch gerichtlich strafbare Handlungen bewirkt worden sind.
Eine Begründung des Inhalts, dass die im Zuge der Vorprüfung 'ergangenen' Bescheide auf strafbare Handlungen zurückzuführen sind, ist aufgrund der Tatsache, dass die Vorprüfung ohne Ergebnis und daher ohne neue Bescheide endete, jedenfalls unzutreffend. Soweit sich die Ausführungen des Prüfungsberichts hingegen darauf beziehen, dass die genannten Handlungen zur 'Nichtänderung' von Bescheiden (gemeint: der vorerst erklärungsgemäß ergangenen Bescheide) geführt haben, ist darauf zu verweisen, dass der Wiederaufnahmegrund des § 303 Abs. 1 lit. a BAO ein solches Tatbestandsmerkmal nicht erfasst. Voraussetzung ist nach der bezogenen Gesetzesstelle, dass 'ein Bescheid' (und folglich nicht das 'Nichtergehen' eines Bescheides) durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist. Vom Finanzamt wird nicht behauptet, dass (auch) der Erstbescheid betreffend Körperschaftsteuer 1999, mit welchem eine erklärungsgemäße Veranlagung vorgenommen wurde, durch gerichtlich strafbare Handlungen herbeigeführt worden wäre.
Sollte jedoch die Begründung der Wiederaufnahme dahingehend zu verstehen sein, dass bereits der Erstbescheid (infolge des seitens der Ermittler vermuteten Netzwerkes) 'sonstwie erschlichen' worden sei, so fehlt es an konkreten Darstellungen, wer welche Tathandlung wie ausgeführt hat. Mangels Konkretisierung des Vorwurfes einer gerichtlich strafbaren Tat ist eine Nachprüfung dahingehend nicht möglich, ob (und in welchem Ausmaß) der Vorprüfer oder andere Personen im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Abgabenverfahren tatsächlich einen Missbrauch der Amtsgewalt zu verantworten haben. Allein der Hinweis auf eine laufende Voruntersuchung des Landesgerichtes reicht nicht aus, den Wiederaufnahmegrund der 'anderen gerichtlich strafbaren Tat' in § 303 Abs. 1 lit. a BAO herzustellen, solange keine Konkretisierung erfolgt, in welcher Weise damit sowohl von der objektiven als auch von der subjektiven Tatseite her der Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt worden sein soll (vgl. dazu VwGH 24.3.1980, 810/79, 539/80, 540/80; ergangen zu dem mit § 69 Abs. 1 Z 1 AVG 1991 identischen § 69 Abs. 1 lit. a AVG 1950).
Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzugeben. Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung deswegen anzuführen, weil sich die Berufungsbehörde nach der Rechtsprechung des VwGH bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Berufung auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde erster Instanz angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen (vgl. Ritz, Bundesabgabenordung, Kommentar, § 307 Tz 3).
Das Finanzamt hat bei der Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 1999 einen unzutreffenden Wiederaufnahmegrund (Herbeiführen der im abgeschlossenen Verfahren ergangenen Bescheide durch eine gerichtlich strafbare Tat) angeführt. Die Berufungsbehörde darf die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aufgrund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt nicht herangezogen hat. Im Berufungsverfahren dürfen nur jene Wiederaufnahmegründe berücksichtigt werden, die in der Bescheidbegründung des Finanzamtes genannt sind (zB VwGH 21.7.1998, 93/14/0187, 0188). Abweichend von dem Grundsatz, dass Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide im Berufungsverfahren saniert werden können (zB VwGH 4.9.1986, 86/16/0083; VwGH 17.2.1994, 93/16/0117), ist eine hinsichtlich der Darstellung der Wiederaufnahmegründe fehlende bzw. mangelhafte Begründung im Berufungsverfahren nicht sanierbar. Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Körperschaftsteuer für das Jahr 1999 ist daher stattzugeben und der angefochtene Wiederaufnahmebescheid aufzuheben. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen der Wiederaufnahmebescheid angefochten wurde."
Mit (Sammel-)Bescheid vom 21. Dezember 2005 nahm das Finanzamt das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1999 neuerlich wieder auf und setzte die Körperschaftsteuer wiederum im Sinne der Prüfungsfeststellungen fest. Die Wiederaufnahme erfolge gemäß § 303 Abs. 4 BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Zur Begründung des Körperschaftsteuerbescheides wurde auf eine gesonderte Bescheidbegründung hingewiesen, in der sich das Finanzamt inhaltlich im Einzelnen damit auseinander setzte, welche abgabenrechtlich relevanten Tatsachen im Zuge der Wiederholungsprüfung neu hervorgekommen seien.
Auch gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Berufung, die sie damit begründete, dass die Wiederholungsprüfung zu Unrecht erfolgt sei, die im Rahmen der Wiederholungsprüfung gewonnenen Erkenntnisse dem Beweisverwertungsverbot unterlägen, zwischen "Erst- und Zweitprüfung" keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, weil dem Erstprüfer bereits die gesamten Unterlagen des Rechnungswesens zur Kenntnis gebracht worden seien, und insbesondere auch zwischen erstem und zweitem Wiederaufnahmebescheid keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung betreffend Wiederaufnahme Folge. Der Wiederaufnahmebescheid wurde aufgehoben und die Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1999 als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und allgemeinen Ausführungen zur Auslegung der Bestimmung des § 303 BAO in Verbindung mit den §§ 289 und 307 BAO in Lehre und Rechtsprechung vertrat die belangte Behörde im Erwägungsteil die Ansicht, dass der Berufung aus zwei Gründen stattzugeben sei.
Zum einen werde im Wiederaufnahmebescheid vom 21. Dezember 2005 lediglich "das Gesetz zitiert, aber kein einziger Wiederaufnahmsgrund angeführt". Zum anderen wäre die erstinstanzliche Vorgangsweise aber auch dann nicht zu bestätigen, wenn die gesondert ergangene Bescheidbegründung auch als Begründung des Wiederaufnahmebescheides gewertet würde. Diesfalls läge nämlich res iudicata vor, weil in dieser gesonderten Bescheidbegründung "mit Ausnahme des Erschleichungstatbestandes genau jene drei Wiederaufnahmsgründe geltend gemacht (wurden), auf die sich bereits der Wiederaufnahmebescheid vom 28.5.2003 bzw. der Prüfungsbericht vom 9.4.2003 stützte. Oder mit anderen Worten: Der Grundsatz 'ne bis in idem' untersagt es der Berufungsbehörde, Wiederaufnahmsgründe anzuerkennen, denen in einem vorangegangenen Verfahren (aus welchen Gründen immer) die Anerkennung rechtskräftig versagt worden ist."
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Das Finanzamt wendet sich zunächst gegen die Ansicht der belangten Behörde, die mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 erfolgte Wiederaufnahme sei begründungslos geblieben. Auch wenn sich der Hinweis auf die gesondert ergehende Bescheidbegründung infolge einer technisch mangelhaften Programmierung nicht schon im Anschluss an den Wiederaufnahmebescheid, sondern erst am Ende des Sammelbescheides und dort "zweimal hintereinander" finde, ergebe sich aus dem Inhalt der "(gesonderten) Bescheidbegründung" zweifelsfrei, auf welche neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel das Finanzamt die Wiederaufnahme konkret gestützt habe.
Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift entgegen, dass auch die mit gesonderten Schriftsatz ergangene Begründung ausdrücklich nur auf den Körperschaftsteuerbescheid verweise.
Im Beschwerdefall wurde mit dem erstinstanzlichen "Sammelbescheid" vom 21. Dezember 2005 einerseits die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer für 1999 verfügt und andererseits die Körperschaftsteuer für dieses Jahr neu festgesetzt. In dem kombinierten (Pkt. 1) Wiederaufnahme- und (Pkt. 2) Sachbescheid findet sich unter Pkt. 2 der (zweifach ausgedruckte) Hinweis auf eine gesondert versandte Bescheidbegründung. In dieser Bescheidbegründung sind - auch von der belangten Behörde unbestritten - im Einzelnen jene Umstände dargestellt, die vom Finanzamt als neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO beurteilt wurden. Diese Tatsachen (unrichtige Erfassung von Bestandsveränderungen und von Fremdwährungsverlusten sowie das Vorliegen fingierter Beschäftigungsverhältnisse) seien erst anlässlich der Wiederholungsprüfung hervorgekommen. Bei dieser Sachlage kann kein Zweifel bestehen, welche Wiederaufnahmsgründe vom Finanzamt herangezogen wurden. Derartige Zweifel hegten auch die mitbeteiligte Partei, wie deren Berufung zeigte, und die belangte Behörde, was aus der Alternativbegründung des angefochtenen Bescheides hervorgeht, nicht.
Gegen die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides wendet sich die Beschwerde mit dem Vorbringen, es sei aktenwidrig, vom Vorliegen einer entschiedenen Sache auszugehen. Die "erstgetroffene" Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom 21. Juli 2005 habe den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass das Finanzamt einen unzutreffenden Wiederaufnahmsgrund, nämlich den "Erschleichungstatbestand" des § 303 Abs. 1 lit. a BAO herangezogen habe und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, die Rechtsmittelbehörde könne den Wiederaufnahmebescheid nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt nicht als Wiederaufnahmsgrund herangezogen habe. Es liege am Finanzamt, ob es andere Wiederaufnahmsgründe aufgreife und zu einer neuerlichen Wiederaufnahme heranziehe. Dies sei in der Folge geschehen. Es sei höchst widersprüchlich, zum einen auf das Erfordernis einer neuerlichen erstinstanzlichen Wiederaufnahme hinzuweisen, wenn dann zum anderen dieser Wiederaufnahme das Verfahrenshindernis der "bereits entschiedenen Sache" entgegenstehen würde.
§ 303 BAO lautet auszugsweise:
"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
...
(4) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."
Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 Abs. 1 BAO der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Gemäß § 289 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz außer in hier nicht interessierenden Fällen des Abs. 1 immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Bei einer Berufung gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt ist Sache, über welche die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 2 BAO zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme des Verfahrens aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs. 1 leg. cit. zuständige Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2006, 2002/15/0076, mwN).
Mit der Berufungsentscheidung vom 21. Juli 2005 wurde der Wiederaufnahmebescheid vom 28. Mai 2003 betreffend Körperschaftsteuer 1999 aufgehoben. Mit dieser Aufhebung ist das Besteuerungsverfahren gemäß § 307 Abs. 3 BAO in die Lage zurückgetreten, in der es sich vor der verfügten Wiederaufnahme befunden hat. Dies hatte nicht zur Folge, dass das Finanzamt nicht neuerlich die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Körperschaftsteuer für das Jahr 1999 hätte verfügen dürfen. Allerdings darf die neuerliche Wiederaufnahme des Verfahrens nur aus anderen Gründen verfügt werden als jenen, auf die sich der aufgehobene Bescheid vom 28. Mai 2003 gestützt hatte. Diesfalls liegt eine andere, keine entschiedene "Sache" vor. Was "Sache" ist, orientiert sich am Wiederaufnahmsgrund (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juli 1999, 97/13/0131, sowie Stoll, BAO-Kommentar, 2954).
Die Wiederaufnahmsgründe des § 303 Abs. 4 sind die des Absatzes 1 lit. a und c und der gegenüber Absatz 1 lit. b bezüglich der Verschuldenskomponente modifizierte Neuerungstatbestand.
Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass der in einem Betriebsprüfungsbericht gegebene Hinweis auf einzelne Textziffern im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 BAO im Regelfall den Schluss zulässt, dass das Finanzamt die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand gestützt hat und die in den einzelnen Textziffern getroffenen Prüfungsfeststellungen jenen Tatsachenkomplex bilden, der nach Ansicht des Finanzamtes im Zuge der Prüfung neu hervorgekommen ist. Ein derartiger Regelfall liegt jedoch gegenständlich nicht vor.
Das Finanzamt hat die Wiederaufnahme des Verfahrens nämlich explizit mit der Bestimmung des § 303 Abs. 4 und Abs. 1 lit. a BAO begründet und zudem näher ausgeführt, welche der in lit. a genannten Umstände (das Herbeiführen des Bescheides durch eine gerichtlich strafbare Tat) sie im vorliegenden Fall als erfüllt erachtet. Vor diesem Hintergrund stellt der Hinweis auf die Tz. 18 - 20 (unrichtige Erfassung der Bestandsveränderungen, Fremdwährungsverluste, Nichtanerkennung von Lohnaufwendungen) lediglich eine Darlegung jener Positionen dar, welche zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führen. Am objektiven Erklärungswert der verwiesenen Bescheidbegründung vermag auch die Stellungnahme des Prüfers zur Berufung nichts zu ändern. Dass die Klarstellung des vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmegrundes unter der Tz. 25 "Begründung des Ermessensgebrauches" erfolgt ist, lässt schon angesichts der unzweifelhaften Formulierung der dort getroffenen Aussagen keine andere Beurteilung zu.
Die belangte Behörde hat daher auch mit ihrer alternativ herangezogenen Begründung, es liege eine entschiedene Sache vor, die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Wien, am 4. März 2009
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2009:2008150327.X00Im RIS seit
08.04.2009Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013