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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Abweisung der Individualanträge einer Stadtgemeinde auf Aufhebungzweier Schulsprengelverordnungen hinsichtlich der Änderung desPflichtschulsprengels zweier Hauptschulen; keine Überschreitung desdem Verordnungsgeber durch das Stmk Pflichtschulerhaltungsgesetz 2004eingeräumten Gestaltungsspielraumes durch die Annahme derZumutbarkeit des Schulweges für die Kinder sowie bei Abwägung derfinanziellen Auswirkungen auf die betroffenen GemeindenSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Stadtgemeinde Bad Radkersburg - im Folgenden
Stadtgemeinde - stellt unter Berufung auf Art139 Abs1 B-VG die Anträge,
"a) ... §1 Z3 der Verordnung der Steiermärkischen
Landesregierung vom 19. April 2006 Landesgesetzblatt Nr. 142/2006 sowie den darin festgelegten Zeitpunkt des Inkrafttretens ..."
und
"b) ... die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung
vom 19. April 2006 Landesgesetzblatt Nr. 141/2006
als verfassungs- bzw. gesetzwidrig auf[zu]heben ...".
2. Mit der erstgenannten Verordnung (kundgemacht in der Grazer Zeitung, Amtsblatt für die Steiermark Nr. 142/2006) wurde der Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule St. Anna am Aigen in der Weise neu festgesetzt, dass gemäß §1 Z3 die Marktgemeinde Tieschen (politischer Bezirk Radkersburg) mit ihrem gesamten Gemeindegebiet diesem Schulsprengel zugewiesen wurde; bis zum In-Kraft-Treten der Verordnung waren bestimmte Teile der Marktgemeinde Tieschen, nämlich die KG Pichla bei Radkersburg und der nordöstlich der Landesstraße Tieschen-Frutten gelegene Teil der KG Größing dem Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Bad Radkersburg zugewiesen (§1 Z5 Verordnung über die Bildung des Schulsprengels der Hauptschule Bad Radkersburg [politischer Bezirk Radkersburg], Grazer Zeitung, Amtsblatt für die Steiermark Nr. 299/1978).
Mit der zweitgenannten Verordnung (kundgemacht in der Grazer Zeitung, Amtsblatt für die Steiermark Nr. 141/2006) wurde der Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Bad Radkersburg dahingehend geändert, dass die bisher diesem Schulsprengel zugewiesenen Gebietsteile der Gemeinde Tieschen ausgegliedert wurden. Dies geschah in der Weise, dass im §1 dieser Verordnung, der eine Aufzählung der zum Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Bad Radkersburg gehörenden Gemeinden enthält, die Marktgemeinde Tieschen - mit dem zuvor zu diesem Schulsprengel gehörigen Gebietsteil - nicht aufgenommen wurde.
3. Zur Begründung der Individualanträge führt die antragstellende Stadtgemeinde - auf das Wesentliche zusammengefasst - Folgendes aus:
3.1. Die Antragslegitimation der antragstellenden Stadtgemeinde im Sinne des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG folge daraus, dass durch die angefochtenen Verordnungen unmittelbar in ihre Rechtsposition als gesetzlicher Schulerhalter der Hauptschule Bad Radkersburg eingegriffen werde, weil durch die mit diesen Verordnungen vorgenommene Änderung der Pflichtschulsprengel der Hauptschulen Bad Radkersburg und St. Anna am Aigen der Stadtgemeinde eine - durch den Wegfall des Anspruches auf Schulerhaltungsbeiträge der Marktgemeinde Tieschen bedingte - finanzielle Belastung erwachse. Der gesetzliche Schulerhalter (nach §2 Abs1 erster Satz des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004 - StPEG 2004, LGBl. 71 idF LGBl. 94/2008, die Gemeinde) habe nämlich gemäß §27 StPEG 2004 für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der Pflichtschule aufzukommen. Gemäß §29 Abs1 StPEG 2004 haben jene Gemeinden, die mit ihrem ganzen Gebiet oder mit einem Teil hievon zu einem Schulsprengel gehören, ohne selbst gesetzlicher Schulerhalter zu sein, zur Bestreitung der Kosten des Schulsachaufwandes Schulerhaltungsbeiträge an den gesetzlichen Schulerhalter zu leisten. Mit der Zuweisung des gesamten Gemeindegebietes der Marktgemeinde Tieschen zum Hauptschulsprengel St. Anna am Aigen verliere die Stadtgemeinde den Anspruch des gesetzlichen Schulerhalters auf Schulerhaltungsbeiträge der Marktgemeinde Tieschen. Der Eingriff werde unmittelbar durch §1 Z3 und den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verordnung über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule St. Anna am Aigen (politischer Bezirk Radkersburg) und durch die Verordnung über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Bad Radkersburg wirksam, ohne dass es eines weiteren konkretisierenden Aktes bedürfe; es stehe weiters kein anderer zumutbarer Weg der Geltendmachung der Rechtswidrigkeit der zitierten Verordnungen zur Verfügung.
3.2. Die antragstellende Stadtgemeinde erachtet die angefochtenen Bestimmungen der Verordnungen für rechtswidrig, weil den gesetzlichen Voraussetzungen sowohl des §17 StPEG 2004, wonach der Schulsprengel einer Hauptschule auch nach der Zumutbarkeit des Schulweges jene Ortschaften umfasst, in denen Kinder wohnen, die für den Besuch der Hauptschule in Betracht kommen, als auch des §15 Abs3 StPEG 2004, wonach die Pflichtschulsprengel so zu gestalten sind, dass jede unnötige Belastung der Schulerhalter vermieden wird, nicht entsprochen werde. Die antragstellende Stadtgemeinde habe als gesetzlicher Schulerhalter die Hauptschule im Vertrauen darauf, dass die Schule auch weiterhin von Schülern aus der Marktgemeinde Tieschen besucht werde, an die Bedürfnisse der höheren Schülerzahl adaptiert und insbesondere in den letzten Jahren Investitionen in der Höhe von 200.000 € getätigt. Darüber hinaus seien die Ankunfts- und Abfahrtszeiten des öffentlichen Linienverkehrs an die Bedürfnisse der Schüler aus der Marktgemeinde Tieschen angepasst worden. Durch die Eingliederung der gesamten Marktgemeinde Tieschen in den Schulsprengel der Hauptschule St. Anna am Aigen entstehe der Stadtgemeinde als gesetzlicher Schulerhalter ein erheblicher Mehraufwand. Weiters bedinge die Sprengeländerung insbesondere für jene Schüler eine erhebliche Mehrbelastung, deren Eltern nicht in der Lage seien, ihre Kinder mit einem privaten Verkehrsmittel in die Schule zu bringen, da die Busverbindung nach Bad Radkersburg für die Schüler ungleich günstiger sei als jene nach St. Anna am Aigen.
Weiters werde die antragstellende Stadtgemeinde durch die Verordnungen auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt, weil es die verordnungserlassende Behörde unterlassen habe, die für die Erlassung der Verordnung notwendigen Erhebungen durchzuführen und der Verordnung zu Grunde zu legen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die antragstellende Stadtgemeinde die Investitionen im Hinblick auf die bestehende Schüleraufteilung der Marktgemeinde Tieschen getätigt habe und die Verordnung bereits vier Monate nach Erlassung in Kraft trete, sei sie überdies in ihrem Vertrauen auf den Erhalt von Schulerhaltungsbeiträgen verletzt worden.
Zudem liege eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums vor. Dies sei aus dem Verlust der der antragstellenden Stadtgemeinde auf Grund des Gesetzes zukommenden Berechtigung, Schulerhaltungsbeiträge einzuheben, abzuleiten.
4. Die Steiermärkische Landesregierung hat in ihrer Äußerung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen verteidigt und der Sache nach den Antrag gestellt, die Anträge der Stadtgemeinde Bad Radkersburg abzuweisen. Begründend führt die Steiermärkische Landesregierung - auf das Wesentliche zusammengefasst - dazu Folgendes aus:
4.1. Die Steiermärkische Landesregierung bemerkte in ihrer Äußerung zur Antragslegitimation der antragstellenden Stadtgemeinde, dass es sich bei den von der Stadtgemeinde im Antrag zitierten Verordnungen um zwei Verordnungen handle, die auf Grund des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes erlassen worden seien; die Verordnungen über die Schulsprengel seien nicht im Landesgesetzblatt, sondern in der Grazer Zeitung, Amtsblatt für die Steiermark, kundgemacht worden. Die Anträge würden daher "ins Leere" gehen.
4.2. Hinsichtlich des Verfahrens zur Erlassung der Verordnung weist die Steiermärkische Landesregierung insbesondere darauf hin, dass die Marktgemeinde Tieschen den Antrag gestellt habe, die dem Sprengel der Hauptschule Bad Radkersburg zugewiesenen Gemeindeteile dem Hauptschulsprengel St. Anna am Aigen zuzuordnen, da dadurch das gesamte Gemeindegebiet diesem Schulsprengel zugeordnet werde. Dies entspreche auch dem Wunsch der betroffenen Eltern, welche vermehrt Anträge auf sprengelfremden Schulbesuch nach St. Anna am Aigen stellten. Auf Grund des Antrages der Marktgemeinde Tieschen sei gemäß §20 StPEG 2004 das Anhörungsverfahren eingeleitet worden, in der sich die Marktgemeinde Klöch, die Gemeinde Radkersburg Umgebung, die Marktgemeinde Halbenrain, die Stadtgemeinde Bad Radkersburg sowie der Bezirksschulrat Radkersburg gegen die beabsichtigte Änderung ausgesprochen hätten. Aus Anlass dieser negativen Stellungnahmen sei eine mündliche Verhandlung im Sinne von §20 Abs4 leg.cit. durchgeführt worden, in der insbesondere die Schulwegsituation, die finanzielle Belastung der Gemeinden, die Organisationsform der beiden Hauptschulen sowie die beabsichtigte territoriale Zuordnung des betroffenen Gebietes erhoben worden sei. Hinsichtlich des Schulweges sei festgestellt worden, dass ein zumutbarer Schulweg zu beiden Schulstandorten gegeben sei und auch die unterschiedlichen Buszeiten und Entfernungen diese Zumutbarkeit nicht ausschlössen. Betreffend der von der Stadtgemeinde Bad Radkersburg angesprochenen Investitionen wird ausgeführt, dass es sich bei den Investitionen insbesondere um Sanierungsmaßnahmen bzw. eine Neuausstattung der Lehrküche sowie um die Erstellung und Umsetzung eines Brandschutzkonzepts zur Vermeidung sicherheitstechnischer Mängel gehandelt habe; diese Maßnahmen würden eine Wertsteigerung des Schulgebäudes sowie eine Qualitätsverbesserung des Unterrichts bedingen und hätten - unabhängig von der Anzahl der sprengelzugehörigen Schüler - ohnedies durchgeführt werden müssen. Im Übrigen sei festgestellt worden, dass dem Verlust der jährlichen Schulerhaltungsbeiträge (für das Schuljahr 2005/06 in der Höhe von 22.942 €) nunmehr Gastschulbeiträge für den sprengelfremden Schulbesuch seitens der Marktgemeinde Tieschen an die Gemeinde Bad Radkersburg gegenüberstünden (für das Schuljahr 2006/07 hätten die Gastschulbeiträge 17.019 € betragen). Das Verfahren habe weiters ergeben, dass das Absinken der Schülerzahlen trotz der Geburtenentwicklung für beide Hauptschulen feststellbar sei; der Landesschulrat für die Steiermark habe jedoch die Sprengeländerung befürwortet, da dies zur Absicherung der Achtklassigkeit der Hauptschule St. Anna am Aigen aus pädagogischer Sicht notwendig sei.
In Anbetracht dessen seien die Kriterien für die Änderung der Schulsprengelverordnung erfüllt gewesen. Eine Verletzung der geltend gemachten Rechte habe nicht stattgefunden, weil die Verordnungen auf Grund eines ordnungsgemäßen Verfahrens erlassen worden seien; es werde daher die Abweisung der Anträge beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Individualanträge der Stadtgemeinde Radkersburg erwogen:
A. Zur Zulässigkeit:
1.1. Gemäß §57 Abs1 erster Satz VfGG muss ein Verordnungsprüfungsantrag das Begehren enthalten, die - nach Auffassung des Antragstellers gesetzwidrige - Verordnung ihrem gesamten Inhalt oder in bestimmten Stellen aufzuheben. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG zu erfüllen, muss - wie der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Beschlüssen (vgl. zB zum inhaltsgleichen §62 Abs1 VfGG VfSlg. 11.888/1988, 12.062/1989, 12.263/1990, 14.040/1995, 14.634/1996, 17.570/2005) entschieden hat - die bekämpfte Verordnung genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Verordnungsvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll (VfSlg. 12.062/1989, 12.487/1990, 14.040/1995, 16.340/2001). Ein Antrag, der die konkrete Fassung der zur Aufhebung begehrten Norm nicht nennt, erfüllt das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG nicht; hiebei kommt insbesondere der Angabe der Kundmachungsfundstelle eine wesentliche Bedeutung zu. Es ist dem Verfassungsgerichtshof nämlich verwehrt, Verordnungsbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen, in welcher Fassung ihre Aufhebung begehrt wird, zu prüfen und im Fall des Zutreffens der geltend gemachten Bedenken aufzuheben (vgl. dazu VfSlg. 11.802/1988, 14.261/1995, 14.634/1996, 15.962/2000).
1.2. Die antragstellende Stadtgemeinde hat in ihrem Antrag die Aufhebung zweier Verordnungen beantragt und zum einen als Fundstelle dieser Verordnungen das Landesgesetzblatt für die Steiermark und zum anderen - richtigerweise - die Grazer Zeitung, Amtsblatt für die Steiermark, angeführt. Zum Einwand der Steiermärkischen Landesregierung, dass der Antrag durch die Zitierung der falschen Fundstelle dem Formerfordernis des §57 Abs1 VfGG nicht entspreche, ist zu bemerken, dass es sich nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes bei diesem Fehler um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, weil der Titel, die Nummer und die Fundstelle der Verordnung an anderer Stelle des Antrages richtig zitiert wurde; im Zusammenhang mit den Titeln der Verordnungen ist eindeutig erkennbar, welche (Teile der) Verordnungen Gegenstand des Antrages sind. Das Erfordernis des ersten Satzes des §57 Abs1 VfGG ist somit erfüllt.
2.1. Weitere Voraussetzung für die Legitimation zur Stellung eines (Individual-)Antrages auf Aufhebung einer Verordnung ist, dass diese tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt (vgl. etwa VfSlg. 12.674/1991). Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteterweise rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht (VfSlg. 10.511/1985, 11.726/1988). Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Kriterien des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG entsprechen (s. etwa VfSlg. 8060/1977, 8.553/1979; vgl. dazu auch VfSlg. 14.140/1995).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 14.140/1995 zur Rechtslage nach dem Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetz festgestellt, dass "eine Verordnung, mit der eine Gemeinde (mit ihrem ganzen Gebiet oder mit Teilen davon) dem Pflichtsprengel einer Hauptschule zugewiesen wird, den Anspruch des gesetzlichen Schulerhalters dieser Schule [begründet], von der durch diese Zuweisung 'beitragspflichtig' gewordenen Gemeinde Schulerhaltungsbeiträge zu erhalten. Eine Verordnung, mit der eine solche Zuweisung aufgehoben wird, bewirkt den Untergang dieses Anspruches und somit einen Eingriff in eine Rechtsposition des gesetzlichen Schulerhalters. Dies gilt auch für eine Verordnung, mit der die betreffende Gemeinde (mit ihrem ganzen Gebiet oder mit Teilen davon) dem Pflichtsprengel einer anderen Hauptschule zugewiesen wird, weil eine solche Verordnung mit der die Zuweisung dieser Gemeinde zum Pflichtsprengel einer Hauptschule aufhebenden Verordnung in einem untrennbaren Zusammenhang steht." Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis weiters ausgesprochen, dass der Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Stadtgemeinde unmittelbar durch die Verordnungen bewirkt wird und kein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der Verordnungen zur Verfügung steht.
2.3. Im vorliegenden Fall greift sohin die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Bad Radkersburg insoweit in die Rechtssphäre der antragstellenden Stadtgemeinde ein, als sie durch die Nichtanführung von Gebietsteilen der Marktgemeinde Tieschen die Ausgliederung dieser Teile der Gemeinde, soweit sie zuvor dem Sprengel der Hauptschule Bad Radkersburg angehört hatten, aus diesem Pflichtsprengel bewirkte. Für die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule St. Anna am Aigen trifft dies insoweit zu, als mit ihr in §1 Z3 die Gemeinde Tieschen mit ihrem gesamten Gebiet dem Schulsprengel der Hauptschule St. Anna am Aigen zugewiesen wurde. Die antragstellende Stadtgemeinde verliert nämlich unmittelbar durch die Verordnungen die rechtliche Möglichkeit, der vormals beitragspflichtig gewesenen Marktgemeinde Tieschen Schulerhaltungsbeiträge mit Bescheid vorzuschreiben.
Die Individualänträge erweisen sich somit als zulässig.
B. In der Sache:
1. Die maßgebenden Bestimmungen des StPEG 2004 lauten wie folgt:
"§14
Schulsprengel (Pflicht und Berechtigungssprengel)
(1) Als Sprengel von Pflichtschulen werden im Folgenden jene örtlichen Gebiete bezeichnet, die das Einzugsgebiet einer Pflichtschule bilden. Durch die Sprengel wird der räumliche Umfang der Schulerhaltungspflicht der gesetzlichen Schulerhalter begrenzt.
(2) Unter Pflichtsprengel ist jenes Gebiet zu verstehen, in dem die dort wohnenden schulpflichtigen Kinder, die eine öffentliche Pflichtschule im Sinne dieses Gesetzes (§1 Abs2) besuchen, verpflichtet sind, die betreffende Schule zu besuchen.
(3) Unter Berechtigungssprengel ist jenes Gebiet zu verstehen, in dem die dort wohnenden Kinder, soweit sie die Eignung zum Besuch der betreffenden Schule haben, berechtigt sind, die Schule zu besuchen.
§15
Allgemeines
(1) Für jede Pflichtschule hat ein Schulsprengel zu bestehen.
(2) Alle Gemeinden haben mit allen in ihren Gebieten vorhandenen Liegenschaften je einem Sprengel aller Arten von Pflichtschulen anzugehören.
(3) Die Sprengel sind so zu gestalten, dass einerseits den eingeschulten Kindern der regelmäßige Schulbesuch bei einem ihnen zumutbaren Schulweg ermöglicht, andererseits aber auch jede unnötige Belastung des gesetzlichen Schulerhalters vermieden wird.
(4) Befinden sich in einer Gemeinde mehrere Schulen gleicher Art, können sich die Schulsprengel dieser Schulen decken.
(5) Soweit erforderlich, kann für Expositurklassen, Schulstufen oder für einzelne Unterrichtsgegenstände ein vom allgemeinen Schulsprengel der betreffenden Pflichtschule abweichender Schulsprengel festgesetzt werden.
...
§17
Hauptschulsprengel
(1) Der Schulsprengel einer öffentlichen Hauptschule umfasst den Volksschulsprengel, in dem sich die Hauptschule befindet, und weiters nach der Zumutbarkeit des Schulweges jene Ortschaften, in denen Kinder wohnen, die für den Besuch einer Hauptschule in Betracht kommen.
(2) Jede Gemeinde oder Teile von solchen haben einem Schulsprengel einer öffentlichen Hauptschule anzugehören.
(3) Die Schulsprengel der öffentlichen Hauptschulen haben lückenlos aneinander zu grenzen.
...
§20
Behördenzuständigkeit und Verfahren
(1) Die Festsetzung (Bildung, Änderung und Aufhebung) eines Schulsprengels einer von einer Gemeinde erhaltenen Pflichtschule sowie die Erweiterung des Sprengels einer Sonderschulklasse gemäß §18 Abs4 erfolgt auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters oder von Amts wegen durch Verordnung der Landesregierung nach Anhörung der beteiligten Gebietskörperschaften sowie des Landesschulrates.
(2) Die für die Festsetzung eines Schulsprengels notwendigen Vorverhandlungen mit den beteiligten Gebietskörperschaften hat der Bezirksschulrat zu führen; er hat darüber im Wege des Landesschulrates der Landesregierung zu berichten.
(3) Findet für die Festsetzung eines Schulsprengels eine mündliche Verhandlung gemäß Abs4 nicht statt, sind die im Abs1 genannten Stellen aufzufordern, ihre Stellungnahme zur beabsichtigten Sprengelfestsetzung innerhalb bestimmter Frist dem Amt der Landesregierung schriftlich einzureichen.
(4) Die Landesregierung kann erforderlichenfalls die für die Festsetzung eines Schulsprengels maßgebenden Umstände kommissionell durch Verhandlung an Ort und Stelle erheben lassen. Die Verhandlung führt der Vorstand oder ein von ihm beauftragter rechtskundiger Verwaltungsbeamter der mit den Schulangelegenheiten befassten Abteilung des Amtes der Landesregierung. Zur Verhandlung sind der Landesschulrat, der zuständige Bezirksschulrat sowie alle beteiligten Gebietskörperschaften zu laden. Der hierbei aufgenommenen Verhandlungsschrift sind die Ausfertigungen der von den beteiligten Gemeindevertretungen gefassten Beschlüsse anzuschließen.
(5) Falls das Landesgebiet als Sprengel einer öffentlichen Sonderschule in Betracht kommt und dementsprechend das Land gesetzlicher Schulerhalter ist (§6 und §26 Abs1), gelten die Bestimmungen der Abs1 bis 4 mit der Maßgabe, dass von der Anhörung der Gemeinden sowie von einer mündlichen Verhandlung überhaupt Abstand genommen werden kann. Die Bestimmung des §29 dieses Gesetzes findet in diesem Falle keine Anwendung."
2.1. Zu den von der antragstellenden Stadtgemeinde vorgebrachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Verordnungen ist zu bemerken, dass die Vorschriften des §15 Abs3 StPEG 2004 für alle Arten der im StPEG 2004 geregelten öffentlichen Pflichtschulen - also auch für die Hauptschule - zur Anwendung kommen. Es sind somit die insbesondere gemäß §15 Abs3 StPEG 2004 festzusetzenden Sprengel der Hauptschule derart zu gestalten, dass einerseits den eingeschulten Kindern der regelmäßige Schulbesuch bei einem ihnen zumutbaren Schulweg ermöglicht, andererseits aber auch jede unnötige Belastung des gesetzlichen Schulerhalters vermieden wird. Die die Gestaltung der Pflichtschulsprengel allgemein regelnde Vorschrift des §15 StPEG 2004 wird, was die Abgrenzung der Sprengel von Hauptschulen betrifft, durch die Vorschrift des §17 Abs1 StPEG 2004 ergänzt: Danach ist für die Abgrenzung der Sprengel einer öffentlichen Hauptschule der Volksschulsprengel maßgebend, in dem sich die Hauptschule befindet; weiters hat der Schulsprengel nach der Zumutbarkeit des Schulweges jene Ortschaften zu umfassen, in denen Kinder wohnen, die für den Besuch einer Hauptschule in Betracht kommen.
2.2. Die die Festsetzung der Schulsprengel öffentlicher Hauptschulen betreffenden Vorschriften der §§15 und 17 StPEG 2004 erfordern in ihrem Zusammenhalt die Berücksichtigung und Abwägung verschieden gearteter, zum Teil in unterschiedliche Richtungen weisender Kriterien, die zudem - der Natur der Sache entsprechend - durch eine gewisse Unschärfe gekennzeichnet sind (zumutbarer Schulweg, unnötige Belastung). Die damit gegebene Notwendigkeit der Auslegung dieser Begriffe räumt dem zur Sprengelfestsetzung berufenen Verordnungsgeber ein gewisses Maß an Gestaltungsspielraum ein, welches es ihm gestattet, bei jeder einzelnen Sprengelfestsetzung den konkreten Gegebenheiten und Erfordernissen bestmöglich Rechnung zu tragen (vgl. zB VfSlg. 12.687/1991). Bei der Festsetzung der Schulsprengel kommt daher der Verfahrensvorschrift des §20 StPEG 2004 eine besondere Bedeutung zu, sichert doch das in dieser Bestimmung vorgesehene Verfahren nicht nur den beteiligten Gebietskörperschaften, sondern auch dem Landesschulrat die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme (Abs1), die gegebenenfalls im Zuge einer - wahlweise vorgesehenen - kommissionellen Verhandlung an Ort und Stelle vorgebracht, sonst aber schriftlich erstattet werden kann.
2.3. Soweit die antragstellende Stadtgemeinde behauptet, die verordnungserlassende Behörde habe die für die Erlassung der Verordnungen maßgeblichen Umstände, namentlich hinsichtlich der Zumutbarkeit des Schulweges für die Kinder und der finanziellen Belastungen für den gesetzlichen Schulerhalter, nicht erhoben, kann dem nicht gefolgt werden. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass das Verordnungsverfahren auf Antrag der Marktgemeinde Tieschen eingeleitet wurde. Die verordnungserlassende Behörde hat entsprechend §20 Abs1 StPEG 2004 alle beteiligten Gebietskörperschaften, die in Betracht kommenden Bezirksschulräte und den Landesschulrat um Stellungnahme ersucht und - auf Grund der unterschiedlichen Vorbringen - eine kommissionelle Verhandlung gemäß §20 Abs4 StPEG 2004 durchgeführt. In den eingelangten Stellungnahmen und bei der Verhandlung wurden auch die Frage der Zumutbarkeit des Schulweges und die finanzielle Belastung der Gemeinden erörtert.
Hinsichtlich des Schulweges wurden im Verfahren sowohl die Busverbindungen als auch die Entfernungen von den Haushalten der betroffenen Eltern erörtert und festgestellt, dass grundsätzlich sowohl zur Hauptschule Bad Radkersburg als auch zur Hauptschule St. Anna am Aigen ein zumutbarer Schulweg vorliegt. Die verordnungserlassende Behörde hat die notwendigen Erhebungen durchgeführt; sie hat auch den ihr gesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn sie im Hinblick auf die ausführliche Erörterung dieser Frage in der kommissionellen Verhandlung zur Auffassung kommt, dass der Schulweg zur Hauptschule St. Anna am Aigen zumutbar ist.
Auch die finanziellen Belastungen der Gemeinden wurden im Verordnungsverfahren dargelegt - die antragstellende Stadtgemeinde selbst ist in ihrer im Verfahren abgegebenen Stellungnahme umfassend darauf eingegangen. Wenn nun die verordnungserlassende Behörde in ihrer unwidersprochen gebliebenen Äußerung darauf hinweist, dass es sich bei den an der Hauptschule Bad Radkersburg durchgeführten Investitionen überwiegend um notwendige Sanierungen hinsichtlich Brandschutz und Sicherheitstechnik handelt, die unabhängig von der Anzahl der sprengelzugehörigen Schüler jedenfalls vorgenommen hätten werden müssen, kann ihr nicht vorgehalten werden, dass sie bei der Abwägung der finanziellen Auswirkungen auf die betroffenen Gemeinden den ihr nach der geltenden Rechtslage zukommenden Gestaltungsspielraum in rechtswidriger Weise überschritten hat.
2.4. Soweit die antragstellende Stadtgemeinde die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz darin erblickt, dass sie durch das In-Kraft-Treten der Verordnung nur ca. vier Monate nach deren Erlassung in ihrem Vertrauen auf den Erhalt der Pflichtschulbeiträge der Marktgemeinde Tieschen verletzt sei, genügt es darauf hinzuweisen, dass - soweit ein solches Vertrauen überhaupt dem Grunde nach besteht - nach den unwidersprochenen Ausführungen der Steiermärkischen Landesregierung in ihrer Äußerung der Entfall der von der Marktgemeinde Tieschen zu leistenden Pflichtschulbeiträge durch die von derselben Gemeinde zu leistenden Gastschulbeiträge nahezu kompensiert wird; ins Gewicht fallende plötzliche finanzielle Einbußen waren mit den Verordnungen somit nicht verbunden.
3. Ob sonstige Mängel der Verordnungen vorliegen, war in diesem Verfahren nicht zu prüfen (vgl. zB VfSlg. 11.580/1987).
4. Die Anträge waren daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Schulen, Pflichtschulen, Schulorganisation, Schulsprengel,Verordnungserlassung, Anhörungsrecht, VfGH / Formerfordernisse, VfGH/ IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2009:V69.2007Zuletzt aktualisiert am
26.11.2010