Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung von Bundesverfassungsgesetzenund Staatsverträgen im Zusammenhang mit dem Beitritt Österreichs zurEuropäischen Union mangels Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs indie Rechtssphäre der Antragsteller im Einzelnen; EU-Reformvertrag vonLissabon noch nicht kundgemachtSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit den beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1
B-VG und Art140a Abs1 iVm 140 Abs1 B-VG und §§62 ff. und §66 VfGG gestellten Anträgen begehren die Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge:
"Gemäß Art140 Abs3 B-VG iVm §64 Abs1 VfGG zur Gänze als verfassungswidrig aufheben:
* Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs
zur Europäischen Union vom 9. September 1994 (BGBl. 1994/744),
* Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, abgekürzt (EU-BegleitBVG, BGBl. 1994/1013),
* Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam vom 4. Juni 1998 (BGBl. I 1998/76), in Kraft getreten am 12. Mai 1998,
* Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza vom 8. November 2001 (BGBl. I 2001/120), in Kraft getreten am 19. November 2001.
Gemäß Art140a Abs2 iVm §66 VfGG feststellen, dass nachfolgende Staatsverträge (soweit sie den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union betreffen) zur Gänze gegen das Bundesverfassungsgesetz verstoßen und/oder wegen Rechtswidrigkeit von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen nicht anzuwenden sind:
* Vertrag über den Beitritt des Königreichs Norwegen,
der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union vom 26. April 1994 (EU-Beitrittsvertrag, BGBl. 1995/45), in Kraft getreten am 1. Januar 1995, soweit er die Mitgliedschaft der Republik Österreich in der Europäischen Union begründet,
* Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, in Kraft
getreten am 1. Mai 1999,
* Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001, in Kraft
getreten am 1. Februar 2003,
* Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 zur
Änderung des Vertrages für die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABL EU vom 7. Dezember 2007, 2007/C-306/01), welche der Nationalrat am 9. April 2008 genehmigt, dem der Bundesrat am 24. April 2008 zugestimmt und den der Bundespräsident am 28. April 2008 ratifiziert hat.
Gestützt auf Art1 B-VG andere Abhilfe zum Schutz der österreichischen Verfassungsordnung dadurch geben, dass nachfolgende Rechtsakte wegen Verstoßes gegen Art1 und Art2 B-VG und die weiteren Baugesetz[e] der Republik Österreich in Österreich für unanwendbar erklärt werden:
* Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs
zur Europäischen Union vom 9. September 1994 (BGBl. 1994/744),
* Vertrag über den Beitritt des Königreichs Norwegen,
der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union vom 26. April 1994 (EU-Beitrittsvertrag, BGBl. 1995/45), in Kraft getreten am 1. Januar 1995, soweit er die Mitgliedschaft der Republik Österreich in der Europäischen Union begründet,
* Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, abgekürzt (EU-BegleitBVG, BGBl. 1994/1013),
* Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam vom 4. Juni 1998 (BGBl. I 1998/76), in Kraft getreten am 12. Mai 1998,
* Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, in Kraft
getreten am 1. Mai 1999,
* Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza vom 8. November 2001 (BGBl. I 2001/120), in Kraft getreten am 19. November 2001
* Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001, in Kraft
getreten am 1. Februar 2003,
* Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 zur
Änderung des Vertrages für die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABL EU vom 7. Dezember 2007, 2007/C-306/01), welche der Nationalrat am 9. April 2008 genehmigt, dem der Bundesrat am 24. April 2008 zugestimmt und den der Bundespräsident am 28. April 2008 ratifiziert hat.
Gemäß §63 VfGG eine Verhandlung anordnen.
Gemäß §§27 und 65a und §66 iVm 65a VfGG erkennen, der Bund ist schuldig, die den Antragstellern durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten in gesetzlichem Ausmaß zu Handen der Vertreterin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der
Anträge erwogen:
A) Zu den Anträgen auf Aufhebung des Bundesverfassungsgesetzes über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. 744/1994, des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I 76/1998, des Bundesverfassungsgesetzes über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I 120/2001, und des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung 1929 geändert wird, BGBl. 1013/1994, jeweils zur Gänze:
1. Abgesehen von einem abstrakten Normenkontrollverfahren bzw. einem auf Antrag eines hiezu legitimierten Gerichtes, eines unabhängigen Verwaltungssenates oder des Bundesvergabeamtes eingeleiteten Normenkontrollverfahren kommt die Prüfung einer Norm durch den Verfassungsgerichtshof dann in Betracht, wenn diese Norm in einem beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren im Sinne des Art140 B-VG anzuwenden wäre (s. dazu etwa VfSlg. 16.241/2001, 16.404/2001 und 17.416/2004).
Darüber hinaus räumt Art140 Abs1 letzter Satz B-VG unter bestimmten Voraussetzungen auch einem Einzelnen die Möglichkeit eines Individualantrages auf Normenkontrolle ein.
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Norm - im Hinblick auf deren Rechtswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Norm für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Norm in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Rechtswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
Gemäß §62 Abs1 VfGG hat ein Antrag auf Normenkontrolle, der von einer Person gestellt wird, die unmittelbar durch die Rechtswidrigkeit einer Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, darzutun, inwieweit die Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist, inwieweit die Norm also in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift. Wird eine Norm zur Gänze angefochten, ist darzulegen, dass der Antragsteller hinsichtlich jeder einzelnen Regelung der angefochtenen Norm unmittelbar betroffen ist (vgl. VfSlg. 11.610/1988, 14.031/1995). Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001). Das Fehlen dieser Darlegung ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis. Sie zählt zu den Inhaltserfordernissen eines zulässigen Normprüfungsantrages (vgl. etwa VfSlg. 11.432/1987, 13.228/1992, 17.111/2004).
2. Die Antragsteller haben nicht im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen jede einzelne dieser Regelungen der zur Gänze angefochtenen Bundesverfassungsgesetze unmittelbar in ihre Rechtssphäre eingreifen:
Die Antragsteller bringen vor, durch die "im Antrag aufgeführten (...) Bundesverfassungsgesetze (...)" in ihren "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der politischen Freiheit und politischen Gleichheit aus Art1 B-VG und auf Vertretung durch den Nationalrat aus Art26 Abs1 und Art24 B-VG und auf Abstimmung bei Gesamtänderungen der Bundesverfassung aus Art44 Abs3 B-VG selbst, unmittelbar und aktuell verletzt" zu sein. Darüber hinaus trage "auch das Recht des Widerstandes aus Art1 B-VG (...) ebenso wie der Grundsatz der Menschenwürde" die Zulässigkeit. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die von den Antragstellern angeführten Regelungen überhaupt subjektive Rechte einräumen (vgl. zB VfSlg. 17.588/2005), da der Antrag keine näheren Ausführungen darüber enthält, aus welchen Gründen die angefochtenen Bundesverfassungsgesetze zur Gänze, also durch jede ihrer Regelungen, unmittelbar in die Rechtssphäre, also in konkrete, bestehende Rechte der Antragsteller eingreifen. Es wird auch nicht dargetan, inwieweit die Bestimmungen der Bundesverfassungsgesetze ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Antragsteller wirksam geworden sind. Dem Antrag fehlen sohin jene Angaben, anhand derer die unmittelbare rechtliche Betroffenheit der Antragsteller durch die Bestimmungen der angefochtenen Bundesverfassungsgesetze beurteilt werden könnte. Der auf Aufhebung der Bundesverfassungsgesetze gerichtete Antrag erweist sich daher bereits aus diesem Grund als unzulässig.
3. Im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. 744/1994, das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I 76/1998, und das Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I 120/2001, die auf das Wesentliche zusammengefasst allesamt besondere Regelungen betreffend die Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates beim Abschluss der jeweiligen Staatsverträge treffen, ist außerdem angesichts dieses Inhaltes von vornherein auszuschließen, dass die Antragsteller Adressaten dieser Normen sind (vgl. VfSlg. 17.588/2005). Diesbezüglich ist daher nach Lage des Falles bereits von vornherein ausgeschlossen, dass die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller eingreifen.
B) Zu den Anträgen auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und der Unanwendbarkeit des EU-Beitrittsvertrages, BGBl. 45/1995, des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, des Vertrages von Nizza vom 26. Februar 2001 und des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007, zur Gänze:
1. Gemäß Art140a Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen. Dabei ist auf die mit Genehmigung des Nationalrates gemäß Art50 B-VG abgeschlossenen Staatsverträge und die gesetzesändernden oder gesetzesergänzenden Staatsverträge gemäß Art16 Abs1 B-VG der Art140 B-VG, auf alle anderen Staatsverträge der Art139 B-VG anzuwenden.
Bei den von den Antragstellern angefochtenen Staatsverträgen handelt es sich grundsätzlich um mit Genehmigung des Nationalrates abgeschlossene Staatsverträge. Der Abschluss des EU-Beitrittsvertrages, des Vertrages von Amsterdam und des Vertrages von Nizza erfolgte jedoch jeweils auf Grundlage eines eigenen Bundesverfassungsgesetzes, sodass die Genehmigung des Nationalrates nicht gemäß Art50 B-VG erteilt worden ist (Bundesverfassungsgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, BGBl. 744/1994, Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Amsterdam, BGBl. I 76/1998, Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages von Nizza, BGBl. I 120/2001). Der Vertrag von Lissabon wurde vom Nationalrat gemäß Art50 Abs1 Z2 iVm Abs4 B-VG idF BGBl. I 2/2008 genehmigt.
Ob sich die Antragslegitimation jedoch konkret nach Art139 B-VG (und damit nach den Bestimmungen des Abschnittes E des VfGG betreffend die Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen, §§57 bis 61a VfGG) oder nach Art140 B-VG (und damit nach den Bestimmungen des Abschnittes G des VfGG betreffend die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, §§62 bis 65a VfGG) bestimmt, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben. Die in Punkt A)1. dargelegten Voraussetzungen gelten nämlich sowohl für Individualanträge nach Art139 B-VG als auch für Individualanträge nach Art140 B-VG.
Für die Prüfung der Antragslegitimation gemäß Art140a B-VG sind daher generell die in Punkt A)1. dargelegten Voraussetzungen relevant.
2. Wie dargelegt, hat ein Individualantrag auf Normenkontrolle darzutun, dass sämtliche Bestimmungen einer angefochtenen Norm unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen, sowie dass die Norm insgesamt für den Antragsteller tatsächlich und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (vgl. §57 Abs1 VfGG, §62 Abs1 VfGG). Das Fehlen dieser Darlegung ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis. Sie zählt zu den Inhaltserfordernissen eines zulässigen Normprüfungsantrages.
3. Dieses Erfordernis erfüllen die Anträge auf Aufhebung des EU-Beitrittsvertrages, BGBl. 45/1995, des Vertrages von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 und des Vertrages von Nizza vom 26. Februar 2001 nicht.
Wie bereits zu dem gegen die Bundesverfassungsgesetze gerichteten Vorbringen zur Zulässigkeit der Anträge festgestellt wurde, verweisen die Antragsteller auch für die Verträge lediglich darauf, in ihren "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der politischen Freiheit und politischen Gleichheit aus Art1 B-VG und auf Vertretung durch den Nationalrat aus Art26 Abs1 und Art24 B-VG und auf Abstimmung bei Gesamtänderungen der Bundesverfassung aus Art44 Abs3 B-VG selbst, unmittelbar und aktuell verletzt" zu sein. Darüber hinaus trage "auch das Recht des Widerstandes aus Art1 B-VG (...) ebenso wie der Grundsatz der Menschenwürde" die Zulässigkeit. Auf Grund der "grundsätzliche(n) Bedeutung" der "Verfassungsrechtssache" sei es "unzumutbar", "(e)inzelne Gesetze oder sonstige Rechtsakte, deren Grundlage der Beitrittsstaatsvertrag und/oder die weiteren Unionsverträge" seien, anzugreifen. Soweit die Behauptung der rechtlichen Betroffenheit im Übrigen überhaupt näher konkretisiert wird, wird lediglich auf die genannten Verträge ihrem gesamten Inhalt nach Bezug genommen. Im Antrag wird daher auch in Bezug auf die angefochtenen Verträge nicht dargetan, inwieweit sämtliche Bestimmungen der Verträge unmittelbar in konkrete, bestehende Rechtssphären der Antragsteller eingreifen. Die Anträge erweisen sich daher bereits aus diesem Grund als unzulässig.
4. Der gegen den Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 gerichtete Antrag enthält zwar näher begründete Ausführungen betreffend die Rechtswidrigkeit einzelner seiner Bestimmungen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob diese Ausführungen nachteilige Auswirkungen auf die Rechtssphäre der Antragsteller zu begründen vermögen, da sich der Antrag bereits auf Grund der - wie die Antragsteller selbst vorbringen - fehlenden Kundmachung des Staatsvertrages als unzulässig erweist. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. September 2008, SV2/08 ua., klargestellt, dass erst mit der Kundmachung im Bundesgesetzblatt ein innerstaatlich verbindlicher Staatsvertrag vorliegt (s. Öhlinger, Art50 B-VG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 3. Lfg., 2000, Rz 27, 92), der Auswirkungen auf die Rechtssphäre der Antragsteller zeitigen könnte.
Der Vertrag von Lissabon wurde vom Nationalrat mit Beschluss vom 9. April 2008 genehmigt. Der Bundesrat hat am 24. April 2008 beschlossen, dem Beschluss des Nationalrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen. Die Ratifikation des Vertrages durch den Bundespräsidenten erfolgte am 28. April 2008. Die Kundmachung des Vertrages im Bundesgesetzblatt durch den Bundeskanzler ist bis zum 11. März 2009 nicht erfolgt. Eine Kundmachung im Bundesgesetzblatt kann aber erst nach dem völkerrechtlichen In-Kraft-Treten des Vertrages erfolgen (vgl. Thienel, Art48, 49 B-VG, in:
Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht,
1. Lfg., 1999, Rz 26). Der Vertrag kann erst nach erfolgter Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten in Kraft treten (s. Art6 Abs2 des Vertrages von Lissabon).
Der Vertrag von Lissabon ist daher schon deshalb - mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt - kein taugliches Anfechtungsobjekt im Verfahren gemäß Art140a B-VG. Der Antrag auf Feststellung seiner Verfassungswidrigkeit und seiner Unanwendbarkeit ist unzulässig.
C) Zum Antrag "auf andere Abhilfe":
Schließlich erweist sich auch der Antrag "auf andere Abhilfe zum Schutz der österreichischen Verfassungsordnung" dadurch, dass die mit den Anträgen nach Art140 B-VG und nach Art140a iVm Art140 B-VG angefochtenen Rechtsakte wegen Verstoßes gegen Art1 und Art2 B-VG und die weiteren Baugesetze der Republik Österreich für unanwendbar erklärt werden, als unzulässig.
Dem Verfassungsgerichtshof ist weder durch Art140 B-VG noch durch andere Rechtsvorschriften die Zuständigkeit eingeräumt, in Geltung stehende Bundes(verfassungs)gesetze für unanwendbar zu erklären.
Die Erklärung der angefochtenen Staatsverträge als unanwendbar gemäß Art140a B-VG kommt auf Grund der festgestellten Unzulässigkeit der diesbezüglichen Anträge (s. oben Punkt B) nicht in Betracht.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
EU-Recht, Völkerrecht, Staatsverträge, Kundmachung, VfGH /Staatsvertragsprüfung, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH /Individualantrag, VfGH / Zuständigkeit, VfGH / FormerfordernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2009:G149.2008Zuletzt aktualisiert am
26.11.2010