Index
L85004 Straßen Oberösterreich;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der MW in Lasberg, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in 4240 Freistadt, Hauptplatz 22, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. September 2006, Zl. BauR-251163/13-2006- Ba/Gi, betreffend Enteignung nach dem Oö Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Liegenschaftsverwaltung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die hier gegenständliche Enteignung erfolgte zu Gunsten des Straßenbauvorhabens "Baulos Umfahrung Lasberg Einreichprojekt 2001". Nach § 1 der Verordnung der Oö. Landesregierung, LGBl. Nr. 90/2002, betreffend die Umlegung und Umbenennung einer Landesstraße, wurde der bei km 11,365 (neu) von der bestehenden Trasse nach Osten abzweigende, hierauf in gebogener Linienführung zuerst nach Nordosten und anschließend nach Südosten führende und bei km 12,366 (neu) wieder in die bestehende Trasse einbindende, neu herzustellende Abschnitt der Lasberger Straße (Landesstraße Nr. 1471 laut Verzeichnis der Landesstraßen Oberösterreichs) im Gebiet der Marktgemeinde Lasberg dem Gemeingebrauch gewidmet und als Landesstraße eingereiht.
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin von zwei vom Vorhaben erfassten Grundstücken. Das Grundstück Nr. 668/1 wird im Süden von der Wegparzelle Nr. 3575 begrenzt, wobei dieser Weg in der umgelegten Landesstraße aufgehen soll. Im Osten wird das Grundstück von der Wegparzelle Nr. 3573 begrenzt, daraus soll der im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Projekt zu errichtende, in Nordsüdrichtung verlaufende "Siedlungsweg am Kopenberg" entstehen. Weiters erfasst ist ihr östlich vom Weg Nr. 3573 gelegenes, dreieckiges Grundstück Nr. 666/4, welches östlich von der Wegparzelle Nr. 3574/2 begrenzt wird. In Anspruch genommen werden soll das Grundstück der Beschwerdeführerin Nr. 668/1 einerseits durch die zunächst annähernd parallel zur zukünftigen Landesstraße geführte "Spange Anschluss Kopenberg", welche in weiterer Folge in die Landesstraße einmünden wird, sowie durch die Landesstraße selbst, sodass dazwischen eine Restfläche entsteht. Von der Dreiecksspitze des Grundstückes Nr. 666/4 wird eine Fläche von 2 m2 für die Landesstraße benötigt. Die insgesamt mit dem angefochtenen Bescheid in Anspruch genommenen 2.585 m2 lassen sich wie folgt aufschlüsseln:
Grundstücknummer
Teilfläche
Zweck
Quadratmeter
668/1
18/1a
Spange
1.093
668/1
18/1b/2
Restfläche
200
668/1
18/1c
Landesstraße
1.290
666/4
18/2c
Landesstraße
2
In dem dem Einreichplan 2001 angeschlossenen technischen Bericht wird bezüglich der Trasse der Umfahrungsstraße festgehalten, dass im Bereich der Siedlung am Kopenberg ein Halbanschluss (Anschlussstelle "Lasberg Mitte") vorgesehen sei. Die Trasse müsse dort abgesenkt werden, um die notwendige lichte Höhe im Bereich des Brückenbauwerks zu erreichen. Die Spange Anschluss Kopenberg verbinde die Umfahrung mit der Siedlungsstraße. Sie werde unter dem Aspekt geplant, möglichst wenig Grund zu benötigen.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2006 beantragte die Mitbeteiligte unter Vorlage des Projekts und insbesondere der Grundeinlösungspläne für die Durchführung der Baumaßnahmen "Umfahrung Lasberg" die dauernde bzw. vorübergehende Enteignung der erforderlichen Grundflächen und die Einräumung von Dienstbarkeiten in jenem Umfang, wie er in den Grundeinlösungsunterlagen dargestellt wurde. Hingewiesen wurde darauf, dass für die Herstellung einer neuen Gemeindestraße die Marktgemeinde Lasberg bei der Bezirkshauptmannschaft einen Antrag (gemeint offenbar: auf Enteignung) einbringen werde. Da für die Baumaßnahmen entsprechende straßenbehördliche Bewilligungen erforderlich seien, wurde gleichzeitig auch die Abhaltung eines straßenrechtlichen Bewilligungsverfahrens für die Landesstraße beantragt und darauf hingewiesen, dass die Marktgemeinde Lasberg dieses Verfahren für die Gemeindestraßen durchführen werde.
Die belangte Behörde beraumte für die Durchführung des straßenrechtlichen Bewilligungsverfahrens sowie des Grundeinlöse- bzw. Enteignungsverfahrens die Verhandlung an insgesamt fünf Tagen an, der Verhandlungstermin 21. März 2006 betraf unter anderem die Grundstücke der Beschwerdeführerin. In der Verhandlung (es liegt ein gemeinsames Protokoll für alle Verhandlungstage vor) führte der straßenbautechnische Amtssachverständige in seinem Befund aus, dass die bestehenden ungünstigen Anlageverhältnisse für die Verkehrsteilnehmer und Bewohner der Wohnobjekte im Ortszentrum Lasberg große Beeinträchtigungen darstellten. Zur Verbesserung der Verkehrssituation solle die projektierte Umfahrung an der westlichen Ortseinfahrt mit einer Kreisverkehrsanlage beginnen und nördlich von Lasberg über unverbaute Grundstücksflächen den Ortskern umfahren. Bestehende Wegbeziehungen würden durch die projektierten Anschlüsse der Straßen, Wege und Zufahrten aufrecht erhalten bzw. wiederhergestellt werden.
Die Beschwerdeführerin wendete gegen das Projekt ein, es sei nicht ersichtlich und nicht begründet, wieso die Abfahrt bzw. die Anschlussstelle Lasberg Mitte wie vorliegend über ihr Grundstück geplant worden sei und nicht die Anschlussstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Richtung Süden oder nördlich der Straße im östlichen Bereich des Güterweges Edlau. Weiters machte die Beschwerdeführerin geltend, dass es sich bei den zu enteignenden Grundstücksteilen um Bauerwartungsland handle.
Die Mitbeteiligte replizierte auf die Einwendungen dahingehend, dass zu Beginn der Planung eine niveaugleiche Kreuzung vorgesehen gewesen sei; auf Wunsch der Bewohner, vor allem der beiden Siedlungsgebiete Kopenberg und Lindenfeld, sei die Trasse abgesenkt worden, um ein gefahrloses Queren der Umfahrungsstraße zu ermöglichen (Brücke). Da diese Anschlussstelle hauptsächlich von den Bewohnern dieser Siedlungen benützt werde, habe sich diese Lösung in mehreren Besprechungen mit den Grundeigentümern und Anrainern ergeben. Schließlich verwies die Mitbeteiligte darauf, dass die beiden zu enteignenden Grundstücke der Beschwerdeführerin als Grünland gewidmet seien und ausschließlich landwirtschaftlich genutzt würden.
Auf Grund von (nicht beschwerdegegenständlichen) Immissionseinwendungen der Beschwerdeführerin wurde die Verhandlung zur straßenrechtlichen Bewilligung auf den 29. Juni 2006 vertagt; einem Vertagungsantrag bezüglich des Enteignungsverfahrens gab die belangte Behörde keine Folge. Mit Bescheid vom 8. August 2006 erteilte die belangte Behörde die straßenrechtliche Bewilligung für die Umlegung der L 1471 von km 11,025 bis km 12,843 im Baulos "Umfahrung Lasberg" nach Maßgabe der bei der mündlichen Verhandlung vorgelegten Projektsunterlagen. Nach den Feststellungen des der mündlichen Verhandlung beigezogenen Amtssachverständigen trage des Projekt zur Beseitigung der derzeit vorhandenen Engstelle bzw. der beengten Platzverhältnisse bei der Ortsdurchfahrt von Lasberg bei und könne ein homogener Verkehrsablauf auf der neuen Landesstraße gewährleistet werden. Gestützt auf das straßenbautechnische Gutachten könne die Notwendigkeit und somit das öffentliche Interesse am Projekt bestätigt werden, zumal die bestehenden Verkehrsverhältnisse wesentlich verbessert würden. Wegen des vorhandenen öffentlichen Interesses der gegenständlichen Straßenbaumaßnahmen und auf Grund der Tatsache, dass das Projekt den anerkannten Regeln der Straßenbautechnik entspreche, sei die beantragte Bewilligung zu erteilen gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt I.) enteignete die belangte Behörde (u. a.) beide Grundstücke der Beschwerdeführerin im oben dargestellten Ausmaß. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass der Trassenverlauf sowohl durch Verordnung als auch durch eine straßenrechtliche Bewilligung fixiert sei. Wegen der Bindungswirkung sei nicht die Notwendigkeit des Vorhabens, sondern nur mehr zu prüfen, ob die Enteignung im beantragten Umfang erforderlich sei. Aus den von der Bauwerberin vorgelegten Unterlagen und dem eingeholten Gutachten sei die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eindeutig ersichtlich. Die Beschwerdeführerin habe keine Ausführungen gegen die Notwendigkeit der Enteignung für die Umsetzung des Projekts vorgebracht. Zudem bestünden keine wasserrechtlichen bzw. naturschutzrechtlichen Hindernisse. (Der Spruchpunkt II. betrifft die Höhe der Entschädigung; Spruchpunkt III. verpflichtet die betroffenen Grundeigentümer, die Inbesitznahme durch die Mitbeteiligte zu dulden.)
Gegen diesen Bescheid (ohne nähere Differenzierung) richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie auch die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin verweist darauf, dass die Enteignung nur nach Maßgabe der Bewilligung erfolgen dürfe, weshalb auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die straßenrechtliche Baubewilligung vor dem Enteignungsverfahren vorliegen müsse. Hier sei aber das Enteignungsverfahren gemeinsam mit dem Baubewilligungsverfahren abgeführt worden, weshalb die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Schlusses der Enteignungsverhandlung noch nicht habe wissen können, was konkret Gegenstand der Enteignung sein solle, umso mehr, als das Bewilligungsverfahren vertagt worden sei. Sehr wohl habe die Beschwerdeführerin Ausführungen dazu erstattet, dass die Notwendigkeit der von der Enteignung erfassten Grundflächen bestritten werde; sie habe in ihrer Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus dem Projekt nicht ersichtlich sei und von der Antragstellerin nicht begründet worden sei, weshalb die Abfahrt bzw. Anschlussstelle Lasberg Mitte, die ja einen wesentlichen Teil der Inanspruchnahme ihres Grundstückes ausmache, über ihr Grundstück Nr. 668/1 geplant worden sei und nicht etwa auf der gegenüberliegenden Straßenseite in Richtung Süden oder nördlich im Bereich des Güterweges Edlau. Darauf sei die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht eingegangen. Wenn die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Absenkung der Trasse der Landesstraße auf eine in mehreren Besprechungen mit Grundeigentümern und Anrainern erarbeitete Lösung verwiesen habe, so sei diese Lösung nicht mit der Beschwerdeführerin besprochen worden und kein Einvernehmen hergestellt worden. Mit anderen Grundeigentümern und Anrainern sei eine ausschließlich zu ihren Lasten gehende Lösung projektiert worden. Eine Enteignung für ein derartiges Straßenbauvorhaben dürfe nur im unbedingt notwendigen Mindestmaß erfolgen, welches erforderlich sei, um das Straßenprojekt umzusetzen. Allein der Umstand, dass die Absenkung der Trasse und die damit notwendig gewordene Anschlussstelle mit den Anrainern besprochen worden sei, stelle keine zulässige Begründung für die Enteignung in einem über das erforderliche Ausmaß hinausgehenden Flächenausmaß dar, sondern würde von der Beschwerdeführerin ein verfassungswidriges Sonderopfer abverlangt werden. Die Ausführung einer niveaugleichen Kreuzung hätte eine deutlich geringere Inanspruchnahme des Grundstückes der Beschwerdeführerin mit sich gebracht. Die Trassenverordnung enthalte keine Anschlussstelle, weshalb aus ihr das öffentliche Interesse an der "riesigen" Anschlussstelle nicht abgeleitet werden könne.
Weiters rügt die Beschwerdeführerin den Ausspruch, dass sich die Enteignung auch auf die an den Grundstücken allfällig dinglich und/oder obligatorisch Berechtigten erstrecke. Ob der Liegenschaft der Beschwerdeführerin gebe es zahlreiche dingliche Berechtigte, insbesondere Pfandberechtigte, die von der Behörde unverständlicherweise dem Verfahren nicht beigezogen worden seien. Diese Pfandberechtigten hätten ein Interesse am Verfahren, da ihr Haftungsfonds durch die Enteignung entsprechend geschmälert worden sei.
Das Verfahren sei auch deshalb mangelhaft geblieben, weil, wie die Beschwerdeführerin in einem Antrag auf Wiedereröffnung des Verfahrens vorgebracht habe, für einen anderen Grundstückseigentümer für ein "reines LN-Grundstück" einen Preis von EUR 22,-- pro m2 bezahlt worden sei.
Im Beschwerdefall ist das Oberösterreichische Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84 idF der Novelle LGBl. Nr. 44/2002 (StrG), anzuwenden. Die Enteignung wird in deren §§ 35 f geregelt, die auszugsweise lauten:
"§ 35 Enteignung
(1) Für den Bau einer öffentlichen Straße kann das Eigentum an Grundstücken oder die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Auch die für die Anlage von Ablagerungsplätzen, Zufahrten, Bauhöfen und anderen Baulichkeiten, wie Streumaterialsilos, sowie die zur Aufrechterhaltung von Verkehrsbeziehungen und zur Entnahme von Straßenbaumaterial notwendigen Grundstücke können im Wege der Enteignung erworben werden. Für den Bau einer Straße, die einer Bewilligung nach § 32 bedarf, darf die Enteignung nur nach Maßgabe dieser Bewilligung erfolgen. Auch für die Übernahme von bestehenden öffentlichen Straßen können das Eigentum und die erforderlichen Dienstbarkeiten (§ 5 Abs. 1) durch Enteignung in Anspruch genommen werden.
(2) Bei der Inanspruchnahme des Grundeigentums im Sinn des Abs. 1 auf der Grundlage einer gemäß § 11 Abs. 2 erlassenen Widmungsverordnung bleibt für den Enteignungsgegner der Einwand des fehlenden öffentlichen Interesses zulässig.
(3) ...
(4) Zu Enteignender ist der Eigentümer des Gegenstandes der Enteignung, weiters ein anderer dinglich Berechtigter, wenn das dingliche Recht mit einem nicht der Enteignung unterworfenen Gegenstand verbunden ist sowie der dinglich und obligatorisch Berechtigte, sofern dieses Recht für sich allein Gegenstand der Enteignung ist.
§ 36 Enteignungsverfahren
(1) Um die Enteignung ist unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte und des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundfläche sowie der erforderlichen Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind, bei der Behörde anzusuchen. Zudem hat die antragstellende Straßenverwaltung glaubhaft zu machen, dass sie in offensichtlich geeigneter Weise, aber erfolglos, versucht hat, eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über die Grundabtretung zu erwirken.
(2) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung sowie die Kosten des Enteignungsverfahrens entscheidet die Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Bedacht zu nehmen ist.
(3) ...
(4) Der Enteignungsbescheid hat zugleich die Höhe der Entschädigung festzusetzen. Diese ist auf Grund des Gutachtens wenigstens eines beeideten Sachverständigen in Anwendung der in den §§ 4 bis 8 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 aufgestellten Grundsätze zu ermitteln.
(5) Die Höhe der festgesetzten Entschädigung kann im Verwaltungsweg nicht angefochten werden. Jede der Parteien kann aber, wenn sie sich durch die festgesetzte Entschädigung benachteiligt erachtet, innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand der Enteignung befindet. Mit der Anrufung des Gerichtes tritt die verwaltungsbehördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit der Zustimmung des Antragsgegners zurückgezogen werden. Bei Zurückziehung des Antrages gilt mangels anderweitiger Vereinbarung die ursprünglich behördlich festgesetzte Entschädigung als vereinbart. Für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung, für deren Feststellung im Wege eines Übereinkommens sowie für die Wahrnehmung der Ansprüche auf Befriedigung aus der Entschädigung, die dritten Personen auf Grund ihrer dinglichen Rechte zustehen, ist das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 sinngemäß anzuwenden.
(6) ..."
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die strittige Frage der Notwendigkeit der Errichtung einer Straße, die bereits im straßenbaurechtlichen Bewilligungsverfahren zu prüfen ist, im nachfolgenden Enteignungsverfahren nicht mehr neuerlich hinterfragt werden kann (hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2004/05/0085, ergangen zum Niederösterreichischen Straßengesetz 1999, mwN). Im Erkenntnis vom 18. November 2003, Zl. 2001/05/0327, ergangen zum StrG, hat der Verwaltungsgerichtshof ausführlich begründet dargelegt, dass der straßenrechtliche Bewilligungsbescheid die Bedingungen festsetzt, welche bei der Ausführung der beabsichtigten Straßenbauten vom Standpunkt des öffentlichen Interesses und der mit diesem nicht in Widerspruch stehenden Interessen Dritter zu erfüllen sind. Er entfaltet daher für das Enteignungsverfahren eine Bindungswirkung derart, dass die Notwendigkeit des konkreten Vorhabens im Enteignungsverfahren nur mehr sehr eingeschränkt geprüft werden dürfe. Im Enteignungsverfahren ist daher im Wesentlichen nur mehr die Frage zu prüfen, ob die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang erforderlich sei.
Schon aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 dritter Satz StrG ist ersichtlich, dass der Bescheid über die Bewilligung dem Bescheid über die Enteignung vorausgehen muss, weil die Enteignung ja nur nach Maßgabe dieser Bewilligung erfolgen darf. Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 97/05/0083; in jenem Fall ging es um eine Enteignung, der überhaupt keine Straßenbaubewilligung vorangegangen ist. Wörtlich führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem aufhebenden Erkenntnis aus:
"Aus § 35 Abs. 1 OÖ. StrG 1991 ergibt sich somit, dass die straßenbaurechtliche Bewilligung gemäß § 32 leg. cit. vor dem Enteignungsverfahren gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. vorliegen muss, da die Enteignung gemäß dieser Bestimmung nur nach Maßgabe der straßenbaurechtlichen Vorschriften nach § 32 leg. cit. erfolgen darf (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 95/05/0147). ...".
Im Beschwerdefall wurden Enteignungsverfahren und Bewilligungsverfahren zunächst in einer Verhandlung durchgeführt, wobei die Bewilligungsverhandlung noch erstreckt worden war. Sodann erging zunächst die bescheidmäßige Bewilligung des Straßenbauvorhabens und, rund sechs Wochen danach, mittels gesondertem Bescheid die Bewilligung der Enteignung.
Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof im zuletzt zitierten Erkenntnis wörtlich vom "Enteignungsverfahren" gesprochen hat, welchem die straßenbaurechtliche Bewilligung vorangehen muss, war damit nicht über den Fall abgesprochen, dass die beiden Bescheide hintereinander - in der richtigen Reihenfolge - ergangen sind, weil der seinerzeitige Sachverhalt dazu keinen Anlass geboten hat. Entscheidend ist der Gesetzeswortlaut, wonach die Enteignung nur nach der Baubewilligung erfolgen darf; die Enteignung "erfolgt" aber erst mit dem Enteignungsbescheid. Auch unter Bedachtnahme auf die oben dargestellte Bindungswirkung ist nicht erkennbar, inwieweit Rechte der Parteien dadurch geschmälert werden, dass die Baubewilligungs- und Enteignungsverhandlung in einem durchgeführt wird, wenn gesonderte Bescheide in der vorgegebenen Reihenfolge ergehen. Das Argument der Beschwerdeführerin, sie hätte nicht gewusst, was Gegenstand der Enteignung sein soll, ist nach dem Verhandlungsprotokoll und den der Verhandlung zu Grunde gelegten Projektunterlagen nicht nachvollziehbar. Die Einwendungen, die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Bewilligungsverfahren vorbehalten sind, hat sie vorbringen können (was sie auch getan hat). Gegen die erteilte Bewilligung hätte sie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anrufen können. Eine allfällige Aufhebung der Baubewilligung hätte dem Enteignungsbescheid die rechtliche Grundlage entzogen. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin durch die hier gewählte Vorgangsweise in ihrer Rechtsposition im Enteignungsverfahren in irgendeiner Weise geschmälert worden wäre.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich insbesondere durch die Spange Anschluss Kopenberg, die wesentliche Teile ihres Grundstückes Nr. 668/1 in Anspruch nimmt, beschwert. Diese Anschlussstraße wurde auf Grund der Tieferlegung der neuen Landesstraße und der Überbrückung durch die Gemeindestraße "Siedlungsweg am Kopenberg" erforderlich; die Beschwerdeführerin zeigt richtig auf, dass bei einer niveaugleichen Kreuzung eine derartige Anschlussstraße nicht erforderlich gewesen wäre. Die Notwendigkeit der Überbrückung und der Errichtung der Anschlussstraße nördlich der Landesstraße war aber ausschließlich im Straßenbaubewilligungsverfahren zu klären; Gleiches gilt für den Umstand, dass die Trassenverordnung diese Anschlussstelle Lasberg Mitte nicht enthält. Im Enteignungsverfahren geht es allein um die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin in Anspruch genommenen Flächen für die an dieser Stelle bewilligte Spange Anschluss Kopenberg erforderlich sind oder nicht. Ob dieser Anschluss an anderer Stelle oder überhaupt nicht hätte ausgeführt werden müssen, ist nicht Gegenstand des Enteignungsverfahrens. Die Nichterforderlichkeit der in Anspruch genommenen Grundstücksteile für das mit Bescheid vom 8. August 2006 bewilligte Projekt hat die Beschwerdeführerin aber vor der belangten Behörde tatsächlich nicht geltend gemacht; auch die Beschwerde enthält diesbezüglich keine Ausführungen.
Die Beschwerdeführerin rügt die Nichtbeiziehung dinglich Berechtigter, "insbesondere Pfandberechtigter". Dabei verkennt sie, dass gerade Hypothekargläubiger dem Kreis der so genannten "Nebenberechtigten" im Sinne des § 5 Eisenbahn-Enteignungsgesetz nicht zugehören (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen, 161 f; s auch den hg. Beschluss vom 17. November 1964, Zl. 1401/64). Der Pfandgläubiger ist jedenfalls nicht ein "zu Enteignender" im Sinne des § 35 Abs. 4 StrG; im Bewilligungsverfahren sind Parteien gemäß § 31 Abs. 3 Z. 2 StrG die Eigentümer der betroffenen Grundstücke sowie jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein dingliches Recht zum Gebrauch oder zur Nutzung zusteht. Was die von der Beschwerdeführerin monierte Schmälerung des Haftungsfonds der Pfandgläubiger betrifft, sei auf das Urteil des OGH vom 29. November 1990, SZ 63/217, verwiesen, wonach der Enteigner auch die zu Gunsten dinglich Berechtigter bestehenden Schutznormen zu beachten hat und für den Schaden des Pfandgläubigers haftet, wenn er die Entschädigungssumme statt zu hinterlegen dem Enteigneten ausfolgt. Jedenfalls ist nicht erkennbar, inwieweit durch die Nichtbeiziehung des Pfandgläubigers Rechte des Enteigneten im Enteignungsverfahren geschmälert werden.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich rügt, dass ein anderer Liegenschaftseigentümer einen Preis von EUR 22,-- pro m2 bekommen hätte, ist sie auf § 36 Abs. 5 StrG zu verweisen, wonach die Höhe der festgesetzten Entschädigung im Verwaltungsweg nicht angefochten werden kann.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unberechtigt, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 26. Februar 2009
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3EnteignungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2009:2006050249.X00Im RIS seit
31.03.2009Zuletzt aktualisiert am
18.06.2009