TE Vfgh Erkenntnis 2009/2/24 U179/08

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Veröffentlicht am 24.02.2009
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art18 Abs1
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1, §61
AsylGHG §23, §28
AVG §60, §67
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1

Leitsatz

Verstoß einer Entscheidung des Asylgerichtshofes über eine Beschwerdegegen die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz gegendas Willkürverbot des Gebots der Gleichbehandlung von Fremdenuntereinander und das Rechtsstaatsprinzip; rechtsstaatliches Gebotder Begründung gerichtlicher Entscheidungen; lediglich kursorischeVerweisung auf die Begründung des letztinstanzlichen Bescheides durchden Asylgerichtshof

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu erstatten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, stellte am 19. Juni 2002 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies den Antrag mit Bescheid vom 30. Juli 2002 gemäß §§7 und 8 AsylG 1997 ab.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 29. Juli 2008 gemäß §§7 und 8 AsylG 1997 abgewiesen. In der Begründung der angefochtenen Entscheidung wird einleitend das Datum des Asylantrages genannt. Weiters wird dargestellt, dass das Bundesasylamt die Aussagen des Asylwerbers in der Einvernahme wiedergegeben und als unglaubwürdig gewertet habe. Sodann wird der Inhalt der vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) wörtlich wiedergegeben. Die rechtlichen Erwägungen des Asylgerichtshofes lauten wie folgt:

"Der Asylgerichtshof hat erwogen:

Die Erstbehörde hat ein ordnungsgemäßes, mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Sachverhalt, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfragen klar und übersichtlich dargestellt. Um Wiederholungen zu vermeiden, bezieht sich die erkennende Behörde zustimmend auf diese Ausführungen und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.

Der Beschwerdeführer ist in seinen schriftlichen Ausführungen weder der erstinstanzlichen Entscheidung entgegengetreten noch hat er dargetan, warum entgegen der Begründung des angefochtenen Bescheides eine Verfolgung des Beschwerdeführers glaubhaft sein sollte. Insbesondere hat er es unterlassen, zu den konkret aufgezeigten Widersprüchen Stellung zu nehmen und dem Vorwurf eines substanzlosen, vagen Vorbringens entgegenzutreten. Konkrete und substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit, seiner Freiheit und seines Lebens ausgesetzt wäre, haben sich ebenfalls nicht ergeben, zumal in der Berufung auch diesbezüglich nichts Konkretes vorgebracht wurde und sich auch aus aktuellen Quellen - auch im Hinblick auf eine Asylantragstellung in Österreich - keine Hinweise dafür ergeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

2. In der gegen diese Entscheidung gemäß Art144 B-VG (gemeint wohl: Art144a B-VG) erhobenen Beschwerde wird die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

3. Der Asylgerichtshof legte die Verwaltungs- und Gerichtsakten vor, erstattet jedoch keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bedenken gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.

Der Beschwerdeführer wurde daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt unter anderem die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander:

2.2. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsbestimmung enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Eine Verletzung dieses Grundrechts liegt unter anderem vor, wenn die Behörde Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (s. etwa VfSlg. 13.302/1992 mit weiteren Judikaturhinweisen, 14.421/1996, 15.743/2000). Für Entscheidungen des Asylgerichtshofes gelten sinngemäß dieselben verfassungsrechtlichen Schranken.

2.3. Derartige in die Verfassungssphäre reichende Fehler sind dem Asylgerichtshof unterlaufen:

2.3.1. Gemäß dem §23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof u.a. die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im Folgenden: AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Nach §60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Der Asylgerichtshof ist - ungeachtet der sinngemäßen Anwendbarkeit des AVG - nicht als Berufungsbehörde eingerichtet. Anders als die Unabhängigen Verwaltungssenate und insbesondere noch der Unabhängige Bundesasylsenat ist der Asylgerichtshof nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern ein Gericht; anders als die Bescheide jener Behörden unterliegen seine Entscheidungen nicht der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes (VfGH 7.11.2008, U67/08).

Bereits aus diesen Unterschieden wird deutlich, dass die zu §67 iVm §60 AVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Berufungsbehörde berechtigt ist, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt ihrer Entscheidung zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (zB VwGH 4.10.1995, 95/01/0045; 24.11.1999, 99/01/0280; 8.3.1999, 98/01/0278; 25.3.1999, 98/20/0559; 30.11.2000, 2000/20/0356), auf Entscheidungen des Asylgerichtshofes nicht übertragbar ist.

Mag eine entsprechende Verweisung auf unterinstanzliche Bescheide in Bescheiden von Berufungsbehörden noch im Interesse der Verfahrensökonomie gelegen sein, so ist diese Begründungstechnik dann nicht mehr hinnehmbar, wenn die verweisende Entscheidung von einem (nicht im Instanzenzug übergeordneten) Gericht erlassen wird, welches überdies seinerseits nicht mehr der Kontrolle durch ein weiteres Gericht unterliegt.

2.3.2. Wenn der Asylgerichtshof die Begründung des bei ihm angefochtenen Bescheides im Wege der Verweisung zum Inhalt seiner eigenen Entscheidung macht, so kommt er nicht nur den Anforderungen des §60 AVG nicht nach, sondern entspricht er auch den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht. Zwar ist es nicht unzulässig, Teile der Begründung der Bescheide der Verwaltungsbehörde wörtlich wiederzugeben. Es widerspricht aber grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen eines (insoweit erstinstanzlich entscheidenden) Gerichts, wenn sich der Sachverhalt, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung nicht aus der Gerichtsentscheidung selbst, sondern erst aus einer Zusammenschau mit der Begründung der Bescheide ergibt. Die für die bekämpfte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen müssen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichthof möglich ist (vgl. VfSlg. 17.901/2006, 18.000/2006).

2.3.3. In der angefochtenen Entscheidung hat der belangte Asylgerichtshof nicht selbst den Anforderungen des §60 AVG entsprochen, sondern zunächst nur die Begründung des Bundesasylamtes mit den Worten des §60 AVG qualifiziert und erklärt, dass sich "die erkennende Behörde zustimmend auf diese Ausführungen [bezieht] und ... diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides [erhebt]". Der Asylgerichtshof selbst verweist lediglich kursorisch auf die Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes und gibt das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem belangten Asylgerichtshof wieder, schildert aber nicht den zugrunde liegenden Sachverhalt und erwähnt schließlich auch nicht Art3 EMRK.

Damit hat der Asylgerichtshof nicht nur gegen das Willkürverbot des Gebotes der Gleichbehandlung von Fremden untereinander, sondern auch gegen das Rechtsstaatsprinzip in Gestalt des rechtsstaatlichen Gebotes der Begründung gerichtlicher Entscheidungen verstoßen (vgl. VfGH 7.11.2008, U67/08).

Die Entscheidung ist daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§88a iVm 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- enthalten. Die beantragten Barauslagen und Fahrtkosten waren nicht zuzusprechen, weil diese bereits mit dem Pauschalsatz abgegolten sind (vgl. VfGH 9.3.2000, B156/95ua, VfSlg. 17.366/2004, VfGH 28.2.2005, B2351/00).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Asylgerichtshof, Asylrecht, Bescheidbegründung, Anwendbarkeit AVG,Verwaltungsverfahren, Berufung, Rechtsstaatsprinzip

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2009:U179.2008

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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