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27 RechtspflegeNorm
StGG Art6 Abs1 / ErwerbsausübungLeitsatz
Verletzung im Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung durchVersagung der Aufhebung bzw neuerliche Verlängerung der erstmals imApril 2007 verhängten einstweiligen Maßnahme der vorläufigenUntersagung der Ausübung der RechtsanwaltschaftSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 4.720,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Gegen den Beschwerdeführer sind vier Disziplinarverfahren
anhängig:
1.1. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er soll im Zeitraum von 1997 bis zum Beschluss des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer auf einstweilige Überwachung seiner Kanzleiführung durch den Ausschuss der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 21. Juni 2001 seine Kanzlei nicht mit Sorgfalt und Umsicht geführt haben. Ende 1998 sei ein Treuhanderlag wegen mangelnder Liquidität des Beschwerdeführers rechtswidrig für eigene Zwecke verwendet worden.
1.2. Darüber hinaus wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, im Mai 2002 hinsichtlich einer damaligen Mandantin falsch abgerechnet und diese nicht über den Abschluss eines Vergleichs in Kenntnis gesetzt zu haben. Der Beschwerdeführer habe erst über Betreiben eines anderen Anwalts Nachzahlungen geleistet, wobei er die Bezahlung der anwaltlichen Kosten der mit der Vertretung der ehemaligen Klientin beauftragten Rechtsanwälte zu Unrecht verweigert habe, sodass darüber in einem Zivilrechtsstreit zu Gunsten der Geschädigten entschieden werden musste.
1.3. Weiters steht der Beschwerdeführer im Verdacht, die Zuzählung eines Darlehens im Jahr 2003 zunächst wahrheitswidrig geleugnet zu haben, um seine Zahlungsunfähigkeit zu verschleiern und um im Betreibungsprozess Zeit zu gewinnen.
1.4. Schließlich soll der Beschwerdeführer im Jahr 2005 Zahlungseingänge für eine Mandantin rechtswidrig einbehalten und dieser Mantantin wahrheitswidrig erklärt haben, mit der Gegenpartei einen Zahlungsplan vereinbart zu haben, und erst in der Folge Teilzahlungen an die Klientin getätigt haben.
2.1. Mit Beschluss des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 21. Juni 2001 wurde gemäß §19 Abs1a des Disziplinarstatutes für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: DSt 1990) als einstweilige Maßnahme die Überwachung der Kanzleiführung des Beschwerdeführers verhängt.
2.2. Mit Beschluss des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 14. November 2002 wurde die einstweilige Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung antragsgemäß aufgehoben. Auf Grund der Beschwerde durch den Kammeranwalt wurde mit Beschluss der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 10. Mai 2004 die einstweilige Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung des Beschwerdeführers verhängt.
2.3. Mit Beschluss des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 21. Dezember 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung der einstweiligen Maßnahme der Überwachung der Kanzleiführung abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss der OBDK vom 16. April 2007 keine Folge gegeben. Mit Beschluss vom selben Tag wurde der Beschwerde des Kammeranwaltes Folge gegeben und dem Beschwerdeführer die Ausübung der Rechtsanwaltschaft als vorläufige Maßnahme gemäß §19 Abs1a DSt 1990 untersagt. Im Wesentlichen wird dies damit begründet, dass vor dem Hintergrund der finanziellen Situation des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der missbräuchlichen Fremdgeldverwaltung die Besorgnis bestehe, die weitere Berufsausübung könne zu einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens führen. Auch die Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuss der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer habe nicht verhindern können, dass Fremdgelder missbräuchlich verwaltet worden seien.
2.4. Am 14. August 2007 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der einstweiligen Maßnahme. Diesem Antrag wurde mit Beschluss des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 21. August 2007 keine Folge gegeben, weil eine grundlegende Änderung der finanziellen Situation des Beschwerdeführers nicht eingetreten sei.
2.5. Mit Beschluss des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer vom 7. November 2007 wurde auf Antrag des Kammeranwaltes die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für weitere sechs Monate verlängert. Begründend wird ausgeführt, die gemäß §19 Abs1a DSt 1990 zu stellende Prognose habe sich nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers verbessert.
2.6. Den gegen diese Beschlüsse des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer (vom 21. August 2007 und vom 7. November 2007) eingebrachten Beschwerden wurde mit Beschluss der OBDK vom 20. Februar 2008 keine Folge gegeben. Begründend wird u.a. ausgeführt:
"Die vom Disziplinarrat richtig dargestellte wirtschaftliche Situation des Disziplinarbeschuldigten lässt nach wie vor die dringende Besorgnis bestehen, dass dessen weitere Berufsausübung zu einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens führen könnte. In Ansehung dieser Besorgnis ist auf die Ausführungen des erkennenden Senats vom 16. April 2007 zu verweisen, insbesondere dass selbst die angeordnete Überwachung der Kanzleiführung den Disziplinarbeschuldigten nicht davon abhalten konnte, rechtswidrig einbehaltenes Fremdgeld zweckwidrig zu verwenden. Zumal der festgestellte hohe Schuldenstand selbst nach den Ausführungen des Beschwerdeführers in dessen Äußerung vom 24. Jänner 2008, die übrigens nicht auf die jeweiligen Entscheidungszeitpunkte der angefochtenen Entscheidungen abstellen, nur unwesentlich reduziert wurde, die Zahlung der Ausgleichsquoten nur zum Teil erfolgte, und der Disziplinarbeschuldigte nach wie vor nicht erklären konnte, wie er seine hohen Verbindlichkeiten in Zukunft bedienen werde, ist er dem von der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission schon in der Entscheidung vom 16. April 2007 geforderten Nachweis einer durchgreifenden Sanierung seiner Liquidität nicht nachgekommen. Allein der (behauptete) Umstand der Gewährung weiterer Stundungen durch einzelne Gläubiger stellt jedenfalls keinen solchen Nachweis
dar. ... Die von ihm behaupteten (möglichen) Gewinne aus der Führung
seiner Rechtsanwaltskanzlei sind jedenfalls nicht dermaßen hoch, dass die Abdeckung des Schuldenstands auch nur annähernd zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten als einigermaßen gesichert angenommen werden könnte. Das vom Disziplinarbeschuldigten in der Verhandlung vom 21. August 2007 vorgelegte Gutachten einer Steuerberatungsgesellschaft befasst sich nur mit einem Teilaspekt seiner wirtschaftlichen Situation und beruht teilweise auch nur auf seinen eigenen Erklärungen. Im Wesentlichen bestätigt dieses Gutachten nur allgemein, dass die der Wirtschaftsprüfungskanzlei vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen, die nur stichprobenweise auf die Plausibilität untersucht worden seien, 'signifikant positive Erträgnisse' zeigten. Auf die Frage, wie der Disziplinarbeschuldigte die nach wie vor bestehenden beträchtlichen Schulden begleichen und die in Kürze fällig werdenden Zahlungen leisten könnte, geht das Gutachten nicht ein."
2.7. Gegen diesen als Bescheid zu wertenden Beschluss der OBDK richtet sich die zu B704/08 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet wird.
2.8. Mit Beschluss vom 23. April 2008 verlängerte der Disziplinarrat der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer die mit Beschluss der OBDK vom 16. April 2007 verhängte einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft gemäß §19 Abs4 DSt 1990 für weitere sechs Monate.
2.9. Der gegen diesen Beschluss eingebrachten Beschwerde wurde mit Beschluss der OBDK vom 16. Oktober 2008 keine Folge gegeben. Begründend wird ausgeführt, dem Disziplinarbeschuldigten sei es nicht gelungen, seine Schulden seit der letzten Entscheidung der OBDK entscheidend zu reduzieren. Nach wie vor bestünde die dringende Besorgnis, die weitere Berufsausübung durch den Beschwerdeführer könne zu einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens führen.
2.10. Gegen diesen als Bescheid zu wertenden Beschluss der OBDK richtet sich die zu B1920/08 protokollierte, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet wird.
3. Die OBDK legte in beiden Verfahren die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschriften.
4. Über den Beschwerdeführer wurde mit am 23. April 2008 in der Disziplinarverhandlung mündlich verkündetem Erkenntnis des Disziplinarrates der Vorarlberger Rechtsanwaltskammer die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von einem Jahr verhängt. Die einstweilige Maßnahme der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft wurde dem Beschwerdeführer auf die verhängte Disziplinarstrafe gemäß §19 Abs7 DSt 1990 angerechnet. Dieses Erkenntnis ist bis zum Zeitpunkt der Erhebung der zu B1920/08 protokollierten Beschwerde noch nicht in Rechtskraft erwachsen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in den Beschwerden nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass dieser Beschwerdeverfahren auch nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch die angefochtenen Bescheide nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Unter dem Titel des Art6 Abs1 StGG behauptet der Beschwerdeführer, alle von ihm verursachten Schäden hinsichtlich Fremdgeldgebarung wieder gut gemacht zu haben und dass die Maßnahme der einstweiligen Untersagung der Berufsausübung überschießend sei.
2.2. §19 DSt 1990, BGBl. 474/1990 idF BGBl. I 111/2007, lautet auszugsweise:
"§19. (1) Der Disziplinarrat kann gegen einen Rechtsanwalt einstweilige Maßnahmen beschließen, wenn
1. gegen den Rechtsanwalt als Beschuldigten oder Angeklagten (§48 Abs1 Z1 und Z2 StPO) ein Strafverfahren nach der StPO geführt wird oder
2. der Rechtsanwalt wegen einer strafbaren Handlung vom Gericht rechtskräftig verurteilt oder
3. die Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste ausgesprochen worden ist oder
4. gegen den Rechtsanwalt ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird und die einstweilige Maßnahme mit Rücksicht auf die Art und das Gewicht des dem Rechtsanwalt zur Last gelegten Disziplinarvergehens wegen zu besorgender schwerer Nachteile, besonders für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung oder das Ansehen des Standes, erforderlich ist.
(1a) Der Disziplinarrat kann weiters gegen einen Rechtsanwalt die einstweiligen Maßnahmen der Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuß oder der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft beschließen, wenn vom Ausschuß unter Vorlage der betreffenden Unterlagen bestimmte Tatsachen angezeigt werden, auf Grund derer der Verdacht eines Disziplinarvergehens und die dringende Besorgnis besteht, daß die weitere Berufsausübung zu einer erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens, insbesondere im Zusammenhang mit der Fremdgeldgebarung des Rechtsanwalts, führen könnte.
(2) ...
(3) Einstweilige Maßnahmen sind:
1. bei Rechtsanwälten
a) die Überwachung der Kanzleiführung durch den Ausschuß der Rechtsanwaltskammer;
b) die Entziehung des Vertretungsrechts vor bestimmten oder allen Gerichten oder Verwaltungsbehörden;
c) das vorläufige Verbot der Aufnahme von Rechtsanwaltsanwärtern zur praktischen Verwendung;
d) die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft;
2. ...
(4) Einstweilige Maßnahmen sind aufzuheben, zu ändern oder durch eine andere zu ersetzen, wenn sich ergibt, daß die Voraussetzungen für die Anordnung nicht oder nicht mehr vorliegen oder sich die Umstände wesentlich geändert haben. Die nach Abs1 Z1, 4 oder Abs1a beschlossene einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft tritt spätestens nach sechs Monaten außer Kraft. Sie kann aber mit Beschluß des Disziplinarrats verlängert werden, wenn dies zur Vermeidung von schweren Nachteilen für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung unbedingt erforderlich ist, und tritt auch in diesem Fall jeweils spätestens nach weiteren sechs Monaten außer Kraft."
2.3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen Bescheid verletzt, wenn dieser einem Staatsbürger den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt, ohne dass ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.470/1997, 15.449/1999; vgl. auch VfSlg. 15.431/1999).
2.4.1. Aus dem in §19 Abs1a und Abs4 DSt 1990 verwendeten Begriff "vorläufige Untersagung" ergibt sich, dass diese Maßnahme nur für einen möglichst kurzen Zeitraum zu verhängen ist. Es ist mit dem Charakter dieses Rechtsinstitutes nicht vereinbar, dass die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten wird. Indem die belangte Behörde die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft, die erstmals mit Beschluss der OBDK vom 16. April 2007 verhängt wurde, nicht aufgehoben, sondern sogar zweimal verlängert hat, hat sie dem Begriff "vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft" in §19 Abs1a und Abs4 DSt 1990 einen denkunmöglichen - Art6 StGG widersprechenden - Inhalt unterstellt.
2.4.2. Der Beschwerdeführer ist - von der belangten Behörde unbestritten - allen Verpflichtungen gegenüber Klienten nachgekommen. Darüber hinaus ist er auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft angewiesen, um seine schwierige finanzielle Situation, die von der belangten Behörde als überwiegender Grund für die Nichtaufhebung bzw. Verlängerung der einstweiligen Maßnahme herangezogen wird, zu verbessern. Des Weiteren liegen die dem Beschwerdeführer angelasteten Disziplinarvergehen längere Zeit zurück und es sind gegen ihn seit dem Jahr 2005 keine neuen Anschuldigungen erhoben worden.
Vor dem Hintergrund dieser Umstände hat die belangte Behörde mit der Abweisung des Antrages auf Aufhebung bzw. mit der zweimaligen Verlängerung der einstweiligen Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in unverhältnismäßiger Weise in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung des Beschwerdeführers eingegriffen, zumal der belangten Behörde gemäß §19 DSt 1990 ein anderes, gelinderes Mittel zur Verfügung gestanden wäre, um im vorliegenden Fall den Zweck der Verhinderung der erheblichen Beeinträchtigung anvertrauten fremden Vermögens (§19 Abs1a DSt 1990) bzw. - hinsichtlich der Aufrechterhaltung der einstweiligen Maßnahme - die Vermeidung von schweren Nachteilen für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung (§19 Abs4 DSt 1990) zu erreichen.
2.4.3. Darüber hinaus ist bei der Abwägung, ob eine Maßnahme im Lichte des Art6 StGG bzw. des Art1 des 1. ZP-EMRK verhältnismäßig ist, die Dauer des der Verhängung dieser einstweiligen Maßnahme zu Grunde liegenden Verfahrens zu berücksichtigen (vgl. EGMR 23.4.1987, Fall Erkner and Hofauer, Appl. 9616/81 und EGMR 24.4.1987, Fall Poiss, Appl. 9816/82). Die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe betreffen die Jahre 1997 bis 2005; die der Verhängung der vorläufigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft als einstweilige Maßnahme zugrunde liegenden Disziplinarverfahren sind nicht rechtskräftig abgeschlossen. Die belangte Behörde hätte somit bei der Beurteilung der Frage, ob die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft aufzuheben bzw. nicht zu verlängern sei, die Dauer des der Verhängung der einstweiligen Maßnahme zu Grunde liegenden Disziplinarverfahrens bei der Interessenabwägung, die gemäß Art6 StGG bzw. Art1 des 1. ZP-EMRK geboten ist, berücksichtigen müssen.
2.4.4. Der Beschwerdeführer wurde auf Grund dieser Umstände daher in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt.
Die Bescheide waren somit aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In dem zugesprochenen Betrag ist USt. in Höhe von € 720,- und die Eingabengebühren in Höhe von € 400,- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2009:B704.2008Zuletzt aktualisiert am
26.11.2010