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L85004 Straßen Oberösterreich;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. des FR und 2. der SR, beide in St. Agatha, beide vertreten durch Dr. Hans-Peter Just, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Halbgasse 2, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. April 2006, Zl. BauR- 013641/1-2006-Hd/Gi, betreffend Bewilligung für eine Gemeindestrasse (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. Agatha), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde die straßenrechtliche Bewilligung für eine neue Gemeindestraße im Nordwesten ihres Gemeindegebietes. Diese 4,60 m breite Straße (Friedhofstraße II) soll ausgehend von der bereits bestehenden Friedhofstraße etwa 27 m in nordwestliche Richtung und dann leicht Richtung Westen verschwenkt verlaufen; nach etwa 22 m soll sie nach Norden abbiegen und nach etwa 25 m in einem Umkehrplatz enden, an dem die Hauszufahrten von drei Objekten liegen. Die geplante Straße dient der Erschließung von Bauparzellen für maximal fünf Wohnobjekte.
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer eines Eckgrundstückes, dessen eine Seite an die bestehende Friedhofstraße anschließt; die neue Friedhofstraße II soll unter Bildung des Einmündungstrichters an die andere Seite anschließen. Anlässlich der Verhandlung vom 20. Juni 2005 wendeten sie ein, das Vorhaben werde zwischen ihrem und dem somit gegenüberliegenden Wohnhaus eines Nachbarn ohne nennenswerte Abstände ausgeführt. Insbesondere sei der Abstand zur Hausmauer ihres Hauses nur sehr gering. Mit dieser Situierung sei eine rechtlich unzulässige Emissionssituation verbunden, verursacht durch Lärm, Schmutz, Staub, Abgase und Geruchsbelästigungen im übermäßigen Ausmaß. Auf Grund der Enge der örtlichen Verhältnisse würde die erforderliche Schneeräumung zwangsweise dazu führen, dass Schnee und Schmutz auf die Hausmauer der Beschwerdeführer gedrückt würde.
Im Rahmen des weiteren Ermittlungsverfahrens wurden Gutachten eines schalltechnischen, lufttechnischen, medizinischen sowie eines verkehrstechnischen Sachverständigen eingeholt.
Der schalltechnische Sachverständige ging davon aus, dass die Straße der Aufschließung von Baugrundstücken diene und außerdem eine Sackgasse sei, sodass sich der Verkehr auf Zu- und Abfahrten im Zusammenhang mit der zukünftigen Wohnnutzung beschränken würde. Er verwies auf eine Prognose von Bewegungshäufigkeiten, erstellt vom bayerischen Landesamt für Umweltschutz. Verglichen damit stelle die Annahme der Projektwerberin von 40 Fahrten pro Tag, bei Stoßzeiten 10 Fahrten pro Stunde, einen Maximalzustand dar.
Ausgehend davon stellte er bei Tag einen Emissionsschallpegel in einer Entfernung von 1 m von der Quelle von 54,2 dB und einen Immissionsschallpegel L(A,eq) von 48,1 dB fest; in der Nacht betragen diese Werte bei einer Fahrbewegung pro Stunde 44,2 dB beziehungsweise 38,1 dB. Auch unter Berücksichtigung der relativ geringen Abstände zum Wohnbereich der Beschwerdeführer bestünden keine Überschreitungen der zulässigen Immissionswerte. Gemäß ÖNORM S 5021-1 sei der Planungsrichtwert (Kategorie 2) am Tag mit 50 dB und in der Nacht mit 40 dB festgelegt.
Der lufttechnische Sachverständige führte aus, dass selbst im schlechtest möglichen Fall die Immissionsbelastung so verschwindend gering sei, dass sie unter das sog. "Irrelevanzkriterium" (weniger als 3% des zulässigen Grenzwertes) falle.
Das medizinische Gutachten gelangte zum Ergebnis, dass aus dem vorliegenden Projekt keine Gesundheitsgefährdungen oder erhebliche Belästigungen auf Grund der gegebenen Immissionen hinsichtlich Lärm und Luftschadstoffe in der Nachbarschaft abzuleiten seien.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juli 2005 wurde die straßenrechtliche Bewilligung für das Bauvorhaben erteilt. Das Verkehrsbedürfnis mache die gegenständliche Straßenführung so nah an den Nachbarhäusern notwendig, da keine anderen Varianten zur Verfügung stünden. Unter Berücksichtigung dieses Verkehrsbedürfnisses und unter weiterer Berücksichtigung der eingeholten Gutachten wären die Interessen der Nachbarn so gut wie nicht beeinträchtigt. Es seien keine Überschreitungen der zulässigen Schall- und Luftimmissionswerte festgestellt worden, dies unter Berücksichtigung des geringen Abstandes des Bauvorhabens zu den Wohnbereichen der Beschwerdeführer. Gemäß dem medizinischen Gutachten bestünden keine Gesundheitsgefährdungen oder erhebliche Belästigungen durch Lärm und Luftschadstoffe für die Anrainer. Die Beschwerdeführer hätten Ablagerungen im Zuge der Schneeräumung von der Straße auf ihrem Grund ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, es sei mit wesentlich mehr Fahrbewegungen sowohl tagsüber als auch in der Nacht zu rechnen. Der Abstand zwischen dem Bauvorhaben und der Hausmauer der Beschwerdeführer sei geringer. Im Zuge der Schneeräumung werde Schnee und Schmutz an die Hausmauer der Beschwerdeführer gedrückt, was zu Nässeschäden an ihrem Haus führen würde. Man müsse zwar Ablagerungen im Zuge der Schneeräumung auf dem Grundstück, nicht aber unmittelbar an der Hausmauer hinnehmen.
In einem von der Berufungsbehörde eingeholten, ergänzenden Gutachten wurde korrigierend festgestellt, dass der im ursprünglichen Gutachten mit 4,00 m angenommene geringste Abstand der Straßenachse zu den Grundgrenzen tatsächlich 2,30 m betrage; es wurde nunmehr ein Immissionsschallpegel L(A,eq) von 50 dB (tags) und 40 dB (nachts) festgestellt. Das ergänzende, medizinische Gutachten führte aus, es sei selbst unter Berücksichtigung dieses neu festgestellten Abstandes mit keiner Gesundheitsgefährdung oder erheblichen Belästigungen durch Immissionen zu rechnen.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2005 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Es sei durch die Gutachten belegt worden, dass es zu keinen Überschreitungen der zulässigen Immissionsgrenzwerte komme. Nässeschäden durch die Schneeräumung seien hintan zu halten, indem bei der Schneeräumung die erforderliche Sorgfalt angewendet werde. Dies geschehe bereits in anderen Bereichen.
In der dagegen erhobenen Vorstellung machten die Beschwerdeführer zusätzlich geltend, der Bürgermeister habe den angefochtenen Bescheid unterfertigt, obwohl er Erstbehörde gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung keine Folge. Rechtsgrundlage für die straßenrechtliche Bewilligung sei die Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Oktober 2005 über die Widmung dieser Straße für den Gemeingebrauch und ihre Einreihung als Gemeindestraße nach § 11 Oö. Straßengesetz 1991. Sowohl die Verordnung als auch das straßenrechtliche Bauprojekt bezögen sich auf den eingereichten Plan, sodass die verordnete Trasse mit dem straßenrechtlichen Bauprojekt übereinstimme. Daher sei davon auszugehen, dass das gegenständliche Straßenbauvorhaben im öffentlichen Interesse gelegen sei und auch den Grundsätzen des § 13 Abs. 1 und 2 Oö. Straßengesetz 1991 entspreche.
Das schalltechnische, lufttechnische, medizinische und das verkehrstechnische Gutachten hätten ergeben, dass auf Grund der geringen Verkehrsfrequenz auf dieser 5 Baugrundstücke erschließenden Sackgasse mit keinen unzumutbaren Immissionen oder Gesundheitsschädigungen zu rechnen sei. Die vorliegenden schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten seien nicht durch ein gleichwertiges Gutachten entkräftet worden. Hinsichtlich der Nässeschäden am Haus im Zuge der Schneeräumung durch einen Schneepflug komme den Beschwerdeführern kein Parteirecht im straßenrechtlichen Bewilligungsverfahren zu. Im Falle einer Schadenszufügung sei die Straßenverwaltung zum Ersatz des zugefügten Schadens verpflichtet.
Den Berufungsbescheid habe der Gemeinderat rechtsgültig beschlossen, eine Ausfertigung durch eine andere als der Bescheid erlassende Behörde sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zulässig.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehren.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, auch wenn der Gemeinderat den Berufungsbescheid nicht selbst ausfertigen musste, hätte ihn nicht der Bürgermeister unterschreiben dürfen, weil er schon den erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid erlassen habe. Zudem sei der Bürgermeister gesetzlicher Vertreter der Gemeinde, welche im gegenständlichen Verfahren Antragstellerin für einen straßenrechtlichen Baubewilligungsbescheid gewesen sei.
Der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Berufungsbescheid beruht auf einem Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 2005 und wurde vom Bürgermeister lediglich intimiert. Eine derartige Vorgangsweise ist nicht rechtswidrig (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/05/0191, mwN). Aus der Aktenlage, insbesondere dem vorgelegten Bescheid des Gemeinderates und dem Gemeinderatsbeschluss vom 14. Dezember 2005 geht eindeutig hervor, dass mit dem Bescheid ausschließlich der Beschluss des Gemeinderates, an welchem der Bürgermeister nicht mitwirkte, wiedergegeben wurde. Dass der Bürgermeister auch vertretungsbefugtes Organ der Antragstellerin ist, kann eine Rechtswidrigkeit des ausschließlich dem Gemeinderat zurechenbaren Berufungsbescheides nicht bewirken.
In der Sache rügen die Beschwerdeführer, dass das geplante Straßenbauvorhaben zwischen dem Haus der Beschwerdeführer und jenem des A. H. hindurchführe, wobei insbesondere zum Haus der Beschwerdeführer nur ein geringer Abstand bestehe. Es sei mit einer unzulässigen Immissionssituation durch Lärm, Schmutz, Staub, Abgas und Geruch zu rechnen. Dies bewirke unzumutbare Belästigungen und die Gefahr von Gesundheitsschädigungen. Die in den eingeholten Gutachten angenommenen maximalen Fahrfrequenzen von 10 Fahrbewegungen pro Stunde am Tag und 1 Fahrbewegung pro Stunde in der Nacht seien zu niedrig bemessen. Diese Annahmen seien willkürlich und widersprächen der Lebenserfahrung, weil zur Erschließung von 5 Bauobjekten mit angenommenen jeweils zwei Stellplätzen von mehr Fahrbewegungen als im Gutachten veranschlagt auszugehen sei.
Als Entfernung zwischen dem Ort der Emission und jenem der Immission sei für die Berechnung der Immissionswerte am Grundstück der Beschwerdeführer nicht die Entfernung der Straßenmitte (Straßenachse) zu der Grundstücksgrenze heranzuziehen, sondern die Entfernung des Randes des asphaltierten Teiles der geplanten Straße zur Grundstücksgrenze beziehungsweise zum Wohnhaus der Beschwerdeführer. Die Fahrzeuge würden sich auf Grund der geringen Breite der geplanten Straße auf der gesamten asphaltierten Fahrbahn bewegen. Die Lärmimmissionen hätten folglich einen geringeren Abstand zur Grundstücksgrenze als im Gutachten angenommen. Selbst bei Annahme der geringen Fahrfrequenz im Gutachten werde es zu einer Überschreitung der Grenzwerte kommen, weil nach dem schalltechnischen Gutachten die auf der Grundstücksgrenze ermittelten Lärmpegelwerte in gleicher Größenordnung ebenso für die Hausfront der Beschwerdeführer angewendet werden können.
Durch die Schneeräumung würde zwangsweise auf Grund der Situierung der Straße und der Enge zwischen dem Haus der Beschwerdeführer und jenem des A. H. Schnee und Schmutz gegen die Hausmauer der Beschwerdeführer gedrückt, sodass mit Nässeschäden zu rechnen sei. Die Beschwerdeführer hätten ein subjektivöffentliches Recht auf Hintanhaltung solcher Schäden; es gehe ihnen nicht um die Haftung der Straßenverwaltung bei Außerachtlassen der erforderlichen Sorgfalt bei der Schneeräumung.
§ 31 Abs. 1 Oberösterreichisches Straßengesetz 1991 (idF LGBl. Nr. 61/2005; StrG), begründet eine Bewilligungspflicht für den Neubau öffentlicher Straßen; nach dem Abs. 3 dieser Bestimmung sind die Anrainer Parteien des Bewilligungsverfahrens. § 14 StrG ("Schutz der Nachbarn") lautet auszugsweise:
"(1) Bei der Herstellung von öffentlichen Straßen ist vorzusorgen, dass Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den auf diesen Straßen zu erwartenden Verkehr so weit herabgesetzt werden, als dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist. Dies gilt nicht, wenn die Beeinträchtigung wegen der Art der Nutzung des der Straße benachbarten Geländes zumutbar ist.
...
(3) Durch Abs. 1 werden für die Anrainer, nicht jedoch für sonstige Nachbarn subjektive Rechte begründet; durch Abs. 2 werden subjektive Rechte nicht begründet.
..."
Zur Beurteilung der Frage, welche Beeinträchtigungen für die Beschwerdeführer zu erwarten sind, wurden entsprechende Gutachten eingeholt. Dem im Berufungsverfahren ergänzten Gutachten vom 18. November 2005, welches, ausgehend vom Emissions- bzw. Immissionsort am Straßenrand, eine alle Gegebenheiten berücksichtigende Verkehrslärmberechnung enthält, sind die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; auch mit dem Hinweis auf die Lebenserfahrung können die schlüssigen und nachvollziehbaren Prognosen über die Fahrfrequenz auf dieser Sackgasse nicht erschüttert werden. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass mit keinen unzumutbaren Beeinträchtigungen zu rechnen ist.
Die Beschwerdeführer befürchten Feuchtigkeitsschäden im Zusammenhang mit der Schneeräumung. Den Anrainern kommt aber gemäß § 14 Abs. 3 StrG nur hinsichtlich der im Abs. 1 dieser Gesetzesstelle behandelten Gesichtspunkte, also in Fragen des Immissionsschutzes (Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den zu erwartenden Verkehr) und des zur Vermeidung derartiger Beeinträchtigungen erforderlichen Aufwandes ein Mitspracherecht zu (hg. Erkenntnis vom 21. März 2007, Zl. 2005/05/0269). Allfällige Missstände bei der Schneeräumung sind aber keine Beeinträchtigung durch den auf der Straße zu erwartenden Verkehr, sodass § 14 Abs. 1 StrG keine Abhilfe bietet.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unberechtigt, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 26. Februar 2009
Schlagworte
Intimation Zurechnung von BescheidenStraßenrecht Wegerecht Kraftfahrwesen StraßenverkehrIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Zurechnung von Bescheiden IntimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2009:2006050161.X00Im RIS seit
31.03.2009Zuletzt aktualisiert am
21.03.2014