Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Flächenwidmungsplanänderung mangelsVerständigung des betroffenen Grundeigentümers von der PlanauflageSpruch
Der Flächenwidmungsplan Nr. 6 der Gemeinde Lichtenberg, vom Gemeinderat beschlossen am 27. März 2001 und am 26. Juni 2001, aufsichtsbehördlich genehmigt durch Bescheid vom 16. Juli 2001, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juli 2001 bis 2. August 2001, wird, soweit er für das Grundstück Nr. 312/8 die Widmung "Grünland - GZ" festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt für Oberösterreich verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein zu B416/07
protokolliertes Bescheidbeschwerdeverfahren anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 312/8 KG Lichtenberg. Seinen Antrag auf Erteilung einer Bauplatzbewilligung für dieses Grundstück wies der Bürgermeister der Gemeinde Lichtenberg wegen der Widmung des Grundstücks als "Grünland" ab; der Gemeinderat wies die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers ab.
Mit dem bekämpften Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge und verwies ebenso auf die Widmung des Grundstücks des Beschwerdeführers als "Grünland" im geltenden Flächenwidmungsplan Nr. 6.
1.2. Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt und die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung und eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens beschloss der Verfassungsgerichtshof, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplans Nr. 6 der Gemeinde Lichtenberg, vom Gemeinderat beschlossen am 27. März 2001 und am 26. Juni 2001, aufsichtsbehördlich genehmigt durch Bescheid vom 16. Juli 2001, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 18. Juli 2001 bis 2. August 2001, soweit er für das Grundstück Nr. 312/8 die Widmung "Grünland - GZ" festlegt, von Amts wegen zu prüfen.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof nahm vorläufig an, dass die Beschwerde zulässig sei und dass er bei seiner Entscheidung darüber den in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan anzuwenden hätte.
2.2. Seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung legte der Verfassungsgerichtshof wie folgt dar:
"Der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan Nr. 6 sieht für das Grundstück des Beschwerdeführers die Widmung 'Grünland - GZ' vor, was in der Legende wie folgt näher bestimmt wird:
'Grünflächen mit besonderer Widmung: Grünzug - Freihalten der Grünräume
+ des Waldrandes und der Waldlichtungen
+ der Bachuferbereiche
+ der Schipiste Gis-Koglerau'
Diese Widmung dürfte unmittelbar die Festlegung abgelöst haben, die der Flächenwidmungsplan Nr. 5, beschlossen vom Gemeinderat am 25. August 1992, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 11. Jänner 1993 bis 26. Jänner 1993, für das Grundstück des Beschwerdeführers getroffen hatte, nämlich gemäß §18 Abs2 OÖ ROG 1972 nicht besonders ausgewiesenes Grünland mit der 'Ersichtlichmachung' gemäß §15 Abs11 leg.cit. als 'Wald'. Somit dürfte der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan Nr. 6 eine Änderung der Flächenwidmung des Grundstücks des Beschwerdeführers bewirkt haben.
Aus den Akten betreffend das Zustandekommen des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplans geht hervor, dass zahlreiche 'betroffene Grundstückseigentümer' durch Rückscheinbriefe persönlich von der Auflage des Entwurfs des Flächenwidmungsplans Nr. 6 von 13. Februar 2001 bis einschließlich 13. März 2001 verständigt wurden. Der Beschwerdeführer, nach dem von ihm vorgelegten Grundbuchsauszug bereits damals Eigentümer des Grundstücks Nr. 312/8, ist jedoch nicht unter den nachweislich Verständigten. Auch das im Akt befindliche 'Änderungsverzeichnis', das als Grundlage für die Verständigung der betroffenen Grundstückseigentümer gedient haben dürfte, nennt zwar einige Grundstücke, deren 'Widmung alt: Wald' zu einer 'Widmung neu:
Grünzug' werden sollte; das Grundstück des Beschwerdeführers findet sich darunter jedoch nicht.
Somit hegt der Verfassungsgerichtshof vorläufig das Bedenken, dass der Beschwerdeführer entgegen §36 Abs4 OÖ ROG 1994 im Zuge der Erlassung des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplans Nr. 6 nicht von der Planauflage gemäß §36 Abs4 iVm §33 Abs2 OÖ ROG 1994 verständigt worden sein dürfte, obwohl sich an der Flächenwidmung seines Grundstücks Änderungen ergaben. Das Unterlassen der Verständigung dürfte einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes darstellen, da die Verständigung das Mitspracherecht der von der Planung betroffenen Grundeigentümer sicherstellt (vgl. VfSlg. 8463/1978, 9150/1981, 10.208/1984, 12.785/1991, 16.394/2001, 16.991/2003)."
3. Weder die verordnungserlassende Behörde, noch die Oberösterreichische Landesregierung oder der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens äußerten sich zum Prüfungsbeschluss.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die vorläufigen Annahmen, dass die Anlassbeschwerde zulässig sei und dass der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung darüber den in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplan anzuwenden hätte, denen nicht entgegengetreten wurde, treffen zu.
Da auch sonst keine Prozesshindernisse zu Tage getreten sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Auch die Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung treffen zu:
2.1. Im maßgeblichen Zeitraum der Durchführung des Verfahrens zur Erlassung des Flächenwidmungsplans Nr. 6 galten insbesondere folgende Bestimmungen des OÖ Raumordnungsgesetzes 1994 - OÖ ROG 1994, LGBl. 114/1993:
"III. ABSCHNITT
Örtliche Raumordnung
§33
Verfahren in der Gemeinde
...
(3) Vor Beschlußfassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes durch den Gemeinderat ist der Plan durch vier Wochen zur öffentlichen Einsichtnahme beim Gemeindeamt (Magistrat) aufzulegen. Die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung oder Bebaubarkeit sich Änderungen ergeben, sind von der Planauflage nachweislich zu verständigen. ...
§36
Änderung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes
...
(4) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §33 und des
§34 ... . Die Eigentümer jener Grundstücke, an deren Flächenwidmung
oder Bebaubarkeit sich Änderungen ergeben, sind von der Planauflage nachweislich zu verständigen. ..."
2.2. Der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan Nr. 6 sieht für das Grundstück des Beschwerdeführers die Widmung "Grünland - GZ" vor, was in der Legende wie folgt näher bestimmt wird:
"Grünflächen mit besonderer Widmung: Grünzug - Freihalten der Grünräume
+ des Waldrandes und der Waldlichtungen
+ der Bachuferbereiche
+ der Schipiste Gis-Koglerau"
Dass diese Widmung unmittelbar die Festlegung abgelöst hat, die der Flächenwidmungsplan Nr. 5, beschlossen vom Gemeinderat am 25. August 1992, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel von 11. Jänner 1993 bis 26. Jänner 1993, für das Grundstück des Beschwerdeführers getroffen hatte, nämlich gemäß §18 Abs2 OÖ ROG 1972 nicht besonders ausgewiesenes Grünland mit der "Ersichtlichmachung" gemäß §15 Abs11 leg.cit. als "Wald", - dieser Annahme wurde nicht entgegengetreten - nimmt der Verfassungsgerichtshof als erwiesen an. Somit hat der in Prüfung gezogene Flächenwidmungsplan Nr. 6 eine Änderung der Flächenwidmung des Grundstücks des Beschwerdeführers bewirkt.
Auch der im Prüfungsbeschluss aus den Verordnungsakten abgeleiteten vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofs, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Erlassung des in Prüfung gezogenen Flächenwidmungsplans Nr. 6 nicht von der Planauflage gemäß §36 Abs4 iVm §33 Abs2 OÖ ROG 1994 verständigt worden sein dürfte, wurde nicht entgegengetreten; der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens entgegen §36 Abs4 OÖ ROG 1994 von der Planauflage nicht verständigt wurde.
Das Unterlassen der Verständigung stellt einen wesentlichen Mangel des Verfahrens zur Erlassung des Flächenwidmungsplanes dar, da die Verständigung das Mitspracherecht der von der Planung betroffenen Grundeigentümer sicherstellt (vgl. VfSlg. 8463/1978, 9150/1981, 10.208/1984, 12.785/1991, 16.394/2001, 16.991/2003); dieser Verfahrensmangel belastet die in Prüfung gezogene Verordnung mit Gesetzwidrigkeit.
Die in Prüfung gezogene Verordnung war daher als gesetzwidrig aufzuheben.
3. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und Z2 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Raumordnung, Flächenwidmungsplan, VerordnungserlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2009:V445.2008Zuletzt aktualisiert am
26.11.2010