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L22005 Landesbedienstete Salzburg;Norm
B-VG Art21 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde des Mag. MR in M, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 12. März 2008, Zl. 14/02-5/6923126/100-2008, betreffend Abweisung eines Antrages i.A. Vorrückungsstichtag nach § 84 Sbg LBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war in der Zeit vom 1. September 1998 bis 30. Juni 1999 Vertragsbediensteter der Gemeinde A. In der Zeit zwischen 15. Juni 1999 und 31. Dezember 2006 war er Vertragsbediensteter des Landes Salzburg. Seit 1. Jänner 2007 steht er in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg.
Zur Vorgeschichte wird auch auf den hg. Beschluss vom 28. März 2008, Zl. 2008/12/0048, verwiesen.
Mit einer Eingabe vom 4. Februar 2007 ersuchte der Beschwerdeführer um "Neuberechnung seines Vorrückungsstichtages". Der Antrag zielte offenkundig auf eine vollständige Berücksichtigung auch der bei der Gemeinde A zugebrachten Zeiten für die Vorrückung ab.
Hierüber erging am 15. Jänner 2008 eine nicht als Bescheid zu qualifizierende Erledigung der belangten Behörde. Die gegen diese Erledigung gerichtete Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit dem vorzitierten Beschluss zurückgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 2008 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 4. Februar 2007 "um Neuberechnung seines Vorrückungsstichtages" gemäß § 84 des Salzburger Landes-Beamtengesetzes 1987, LGBl. Nr. 1 (im Folgenden: LBG), nicht stattgegeben.
Begründend führte die belangte Behörde nach Feststellung der vom Beschwerdeführer zugebrachten Dienstzeiten sowie nach Wiedergabe des § 84 LBG aus, als unmittelbar vor dem Tag der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zugebrachte Zeiten seien lediglich jene vom 15. Juni 1999 bis 31. Dezember 2006, also die Zeiten als Vertragsbediensteter beim Land Salzburg, anzusehen. Demgegenüber seien die als Vertragsbediensteter der Gemeinde A zugebrachten Zeiten keine solchen, welche dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Beschwerdeführers unmittelbar vorangingen. Diese Zeiten seien daher nur zu 60 % voranzustellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides mit dem Antrag geltend, ihn aus diesem Grunde aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 84 LBG in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 26/2001
lautet:
"Vorrückungsstichtag
§ 84
Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass
folgende Zeiten zur Gänze vorangestellt werden:
1. die unmittelbar vor dem Tag der Aufnahme in das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder einem Gemeindeverband verbrachten Zeiten;
2. die unmittelbar vor dem in Z 1 genannten Tag in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung verbrachten Zeiten, die in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einer sonstigen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einer Gebietskörperschaft oder einem Gemeindeverband entspricht.
Sonstige Dienstzeiten werden zu 60 % vorangestellt. Als sonstige Dienstzeiten gilt der gesamte Zeitraum zwischen der Vollendung des 18. Lebensjahres (beim Höheren Dienst des 22. Lebensjahres) und dem Tag des Eintrittes in den Landesdienst. Bruchteile von Tagen sind dabei auf ganze Tage aufzurunden. Der Vorrückungsstichtag ist mit Bescheid festzusetzen. Die Feststellung des Vorrückungsstichtages soll möglichst gleichzeitig mit der Ernennung des Beamten erfolgen."
In den Materialien zur Novellierung des § 84 LBG durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 26/2001 (Vorlage der Landesregierung, Nr. 253 der Beilagen zum stenographischen Protokoll des Salzburger Landtages (3. Session der 12. Gesetzgebungsperiode)) heißt es (auszugsweise):
"1. Allgemeines:
Vorgeschlagen wird, dass künftig bei der Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Land Salzburg alle im öffentlichen Dienst in Österreich oder in anderen einem EWR-Staat verbrachten Dienstzeiten voll angerechnet werden, wenn sie unmittelbar vor der Begründung des öffentlich-rechtlichen Landesdienstverhältnisses liegen (Art I). ...
...
Zu Art I:
Derzeit ist vorgesehen, dass nur im Landesdienst verbrachte Zeiten bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtages zur Gänze berücksichtigt werden. Gegen diese Regelung bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, da Art 21 Abs 4 B-VG mittlerweile bestimmt, dass die unterschiedliche Anrechnung von Dienstzeiten zu verschiedenen Gebietskörperschaften unzulässig ist. Die Anrechnung nur der bei einer inländischen Gebietskörperschaft verbrachten Zeiten begegnet auch gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, die Zeit eines unmittelbar vor der Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses liegenden Dienstverhältnisses im öffentlichen Dienst des gesamten EWR-Raumes zur Gänze zu berücksichtigen. Weiter zurückliegende Zeiten werden auch dann nur zu 60 % berücksichtigt, wenn die Zeiten im Landesdienst verbracht worden sind."
Art. 21 Abs. 4 B-VG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 8/1999 lautet:
"(4) Die Möglichkeit des Wechsels zwischen dem Dienst beim Bund, bei den Ländern, bei den Gemeinden und bei den Gemeindeverbänden bleibt den öffentlich Bediensteten jederzeit gewahrt. Gesetzliche Bestimmungen, wonach die Anrechnung von Dienstzeiten davon abhängig unterschiedlich erfolgt, ob sie beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder bei einem Gemeindeverband zurückgelegt worden sind, sind unzulässig. ..."
In prozessualer Hinsicht ist zunächst anzumerken, dass die Entscheidung über den Vorrückungsstichtag gemäß § 84 vorletzter Satz LBG durch bescheidförmige Festsetzung des Vorrückungsstichtages zu erfolgen hat. Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde einen Antrag des Beschwerdeführers "um Neuberechnung des Vorrückungsstichtages" abgewiesen. Zulässig wäre aber lediglich ein Antrag auf Festsetzung des Vorrückungsstichtages, was freilich voraussetzen würde, dass eine bescheidförmige Festsetzung desselben noch nicht erfolgt ist. Die belangte Behörde wird daher die Eingabe des Beschwerdeführers zunächst dahingehend zu verbessern haben, ob dieser mit seinem Antrag eine erstmalige Festsetzung des Vorrückungsstichtages im Verständnis des § 84 vorletzter Satz LBG begehrt. Bejahendenfalls wäre der Vorrückungsstichtag festzusetzen. Läge hingegen bereits eine rechtskräftige (wenngleich möglicherweise unrichtige) Festsetzung des Vorrückungsstichtages vor, so stünde einer neuerlichen Festsetzung desselben entschiedene Sache entgegen. Ein darauf gerichteter Antrag wäre daher zurückzuweisen.
In der Sache selbst vertritt der Beschwerdeführer zusammengefasst die Auffassung, eine verfassungskonforme, an Art. 21 Abs. 4 zweiter Satz B-VG orientierte Auslegung des § 84 Z. 1 LBG gebiete auch die Anrechnung der bei der Gemeinde A zugebrachten Zeiten. Eine solche verfassungskonforme Auslegung sei auch zulässig, weil das Wort "einem" vor "Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft" als unbestimmter Artikel zulässigerweise so verstanden werden könne, dass im Falle einer unmittelbaren Aufeinanderfolge von vorangegangenen Dienstverhältnissen jedes davon "eines" ist, das dem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis unmittelbar - nämlich ohne Unterbrechung der Kette dieser Dienstverhältnisse - vorangehe.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Aus den oben wiedergegebenen Materialien zur Novellierung des § 84 LBG durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 26/2001 geht klar hervor, dass der Salzburger Landesgesetzgeber damit den Erfordernissen des Art. 21 Abs. 4 B-VG Rechnung tragen wollte. Die erwähnte Bestimmung der Bundesverfassung bezweckt die Förderung und Erleichterung der Möglichkeit des Dienstwechsels im Bereich aller Zweige des öffentlichen Dienstes in Österreich. Art. 21 Abs. 4 zweiter Satz B-VG erklärt ausdrücklich gesetzliche Bestimmungen für unzulässig, welche die Anrechnung von Dienstzeiten davon abhängig unterschiedlich vorsehen, ob sie beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder bei einem Gemeindeverband zurückgelegt worden sind.
Hätte der Beschwerdeführer aber die hier strittigen Zeiten zwischen dem 1. September 1998 und dem 14. Juni 1999 als Vertragsbediensteter nicht bei der Gemeinde A, sondern auf Grund des gleichen Vertragsbedienstetenverhältnisses wie die später zugebrachten Zeiten beim Land Salzburg verbracht, so wären diese Zeiten nach dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 84 Z. 1 LBG für die Berechnung des Vorrückungsstichtages voll anzurechnen gewesen. Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn die beim Land Salzburg im Vertragsbedienstetenverhältnis zugebrachten Zeiten stattdessen auf Grund des bestehenden Vertragsbedienstetenverhältnisses zur Gemeinde A weiterhin bei dieser Gemeinde verbracht worden wären. Die Berücksichtigung der hier strittigen Zeiten bei der Gemeinde A zu nur 60 % könnte somit gegen Art. 21 Abs. 4 zweiter Satz B-VG verstoßen.
Dagegen ließe sich allenfalls argumentieren, § 84 Z. 1 LBG im Verständnis der von der belangten Behörde gewählten Auslegung verstoße deshalb nicht gegen Art. 21 Abs. 4 zweiter Satz B-VG, weil eine Vollanrechnung der hier strittigen Zeiten auch dann nicht zu erfolgen hätte, wenn sie zwar zur Gänze beim Land Salzburg (oder zur Gänze bei der Gemeinde A), jedoch dort (jeweils) nicht im Rahmen des dem 1. Jänner 2007 unmittelbar vorangegangenen Dienstverhältnisses, sondern im Rahmen eines anderen, dem zuletzt genannten seinerseits unmittelbar vorangegangenen Dienstverhältnisses verbracht worden wären.
Eine solche Auslegung der Anrechnungsbestimmung geriete jedoch in ein Spannungsverhältnis zu dem aus Art. 7 B-VG abzuleitenden allgemeinen Sachlichkeitsgebot, weil sachliche Gründe für eine Differenzierung bei der Berechnung des Vorrückungsstichtages danach, ob Zeiten bei ein und demselben Dienstgeber in einem oder aber in mehreren unmittelbar aufeinander folgenden Dienstverhältnissen zugebracht wurden, nicht ersichtlich sind.
All diese Überlegungen sprechen aber für die vom Beschwerdeführer angestrebte verfassungskonforme Interpretation des § 84 Z. 1 LBG. Der Verwaltungsgerichtshof teilt in diesem Zusammenhang die Auffassung des Beschwerdeführers, wonach das dem Wort "Dienstverhältnis" vorangehende Wort "einem" nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel zu qualifizieren ist. Der folgende Begriff "Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft" ist demnach als Gattungsbegriff zu verstehen, dessen Verwendung durch den Gesetzgeber es gestattet, den gesamten unmittelbar vor dem Tag der Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis gelegenen Zeitraum, in dem durchgehend Dienst bei einer oder mehreren inländischen Gebietskörperschaften geleistet wurde, als Einheit zusammenzufassen und dem § 84 Z. 1 LBG zu unterstellen. Für diese Auslegung spricht auch die im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Gesetzesvorlage enthaltene Aussage, wonach der Gesetzesvorschlag darauf abzielt, dass "alle im öffentlichen Dienst in Österreich ... verbrachten Dienstzeiten voll angerechnet werden, wenn sie unmittelbar vor der Begründung des öffentlich-rechtlichen Landesdienstverhältnisses liegen".
Indem die belangte Behörde diese Rechtslage verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere auf deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 10. März 2009
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2009:2008120078.X00Im RIS seit
02.04.2009Zuletzt aktualisiert am
03.07.2009