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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der S.-GesmbH in Schönkirchen, vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. November 1999, Zl. RU5-B-064/003, betreffend Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Februar 1997 war der Beschwerdeführerin die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Gewinnung von Sand und Kies auf näher bezeichneten Grundstücken nach Maßgabe gekennzeichneter Projektunterlagen unter Vorschreibung von im Einzelnen genannten Vorkehrungen erteilt worden. Unter anderem war vorgeschrieben worden:
"1. Für die Aufhöhung der Sohle auf 2 m über HGW darf nur die feinkörnige Fraktion des wirtschaftlich nicht verwertbaren Materials verwendet werden. Überkorn darf hier nicht eingebracht werden.
2. Als Nachfolgenutzung kommen entweder Wald, extensive Wiesenbewirtschaftung oder Ödland in Betracht. Für den Fall, dass Wald begründet wird, ist eine 1,2 m mächtige Schicht aus bewuchsfähigem Material aufzubringen. Darüber ist eine 30 cm starke Schicht Humus (abgelagerter Mutterboden) aufzuschütten. Das Material muss vom örtlichen Schotterabbau stammen und darf keine Verunreinigungen aufweisen. Sollte Fremdmaterial benötigt werden, dürfen nur Materialien der Eluatklasse Ia gemäß ÖNORM S 2072 verwendet werden. Der Nachweis für die entsprechende Qualität ist zu erbringen (3 Untersuchungen pro ha abgelagerten Materials)."
Begründend war unter Hinweis auf das eingeholte Sachverständigengutachten u.a. ausgeführt worden, dem Projekt könne entnommen werden, dass abschnittsweise entsprechend dem Abbauplan bis auf HGW abgebaut werden solle. Dann solle die Sohle mit wirtschaftlich nicht verwertbarem Material ebenfalls abschnittsweise aufgehöht werden. Eine konkrete Absicht, das Gelände wieder auf das ursprüngliche Niveau aufzufüllen, könne dem Projekt nicht entnommen werden. Die von der Beschwerdeführerin als Nachfolgenutzung vorgesehene Landwirtschaft könnte, soferne an Ackerwirtschaft gedacht sei, ungünstige Auswirkungen auf die Lebewesen im Grundwasserkörper haben. Besonders in der ersten Zeit, wenn der Boden noch eine geringe Speicherkapazität für Düngemittel und Pestizide aufweise, könnten diese Substanzen leicht und vor allem innerhalb kurzer Zeitspannen ins Grundwasser gelangen. Die Biologie des Grundwassers sei eine noch junge Wissenschaft und über die Lebewelt im Grundwasserbereich bestehe noch Forschungsbedarf. Dennoch habe man herausgefunden, dass durch die Einwirkung verschiedener Schadstoffe eine Gefährdung des Tierlebens hervorgerufen werden könnte. Zur Forderung, auch eine extensive landwirtschaftliche Nutzung als Folgenutzung zuzulassen, sei daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem Vorbringen, in der Vergangenheit sei eine landwirtschaftliche Nutzung erfolgt und diese habe zu keiner Grundwasserbelastung geführt, übersehe, dass in der Vergangenheit eine durchschnittlich 8 m starke Bodenschicht die genutzte Oberfläche von der HGW-Linie getrennt habe. Selbst bei Annahme einer stärkeren Filterwirkung des zur Aufhöhung verwendeten Materials besitze die Bodenschicht nach der Aufhöhung aber nur mehr rund ein Viertel der ursprünglichen Mächtigkeit.
Mit Schriftsatz vom 22. Februar 1999 beantragte die Beschwerdeführerin, den Bewilligungsbescheid entsprechend einem gleichzeitig vorgelegten Projekt abzuändern. Vorgesehen sei nunmehr, nach erfolgtem Abbau und anschließender Aufhöhung mit wirtschaftlich nicht verwertbaren Abraummaterial bis 2 m über HGW, die Grube mit Erdaushubmaterial der Eluatklasse Ia bis zum Niveau des ursprünglichen Ackers aufzufüllen. Danach sollen die Grundstücke vorerst als ökologische Ausgleichsfläche bestehen bleiben; anschließend solle eine uneingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung ermöglicht werden.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (BH) vom 26. Juli 1999 wurde dieser Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Begründend wurde u. a. ausgeführt, die Rechtskraftwirkungen des bewilligenden Abspruches vom 27. Februar 1997 umfassten auch die Nebenbestimmungen (Rekultivierungsauflagen), die mit der Bewilligung untrennbar verbunden seien. Einer Abänderung der Rekultivierungsvorschreibungen - genau darauf laufe der Antrag der Beschwerdeführerin hinaus - stehe daher, zumal sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe, die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides entgegen.
Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der NÖ Landesregierung mit Bescheid vom 28. November 1999 abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Auffüllung der Grube und die Nachfolgenutzung seien bereits Gegenstand der (rechtskräftigen) Entscheidung vom 27. Februar 1997 gewesen. Als Nachfolgenutzung sei entweder Wald, extensive Wiesenbewirtschaftung oder Ödland vorgeschrieben worden. Da bei Einhaltung dieser Auflage ein Einsatz von Düngemitteln nicht vorgesehen sei, sei es - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - auch nicht notwendig, die Grube bis zur Geländeoberkante zu verfüllen, um entsprechend neuesten Erkenntnissen einen Eintrag von Düngemitteln in das Grundwasser hintanzuhalten. Da sich somit weder der maßgebende Sachverhalt, noch die maßgebliche Rechtslage geändert hätten, stehe dem Antrag der Beschwerdeführerin entschiedene Sache entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn in der durch formell rechtskräftigen Bescheid bereits entschiedenen Verwaltungssache die Abänderung dieses Bescheides begehrt wird, nicht jedoch dann, wenn sich die die Verwaltungssache bestimmenden rechtlichen bzw. tatsächlichen Umstände verändert haben und daher nicht mehr dieselbe Sache wie die bereits entschiedene vorliegt. Die Sache verliert also ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, d.h. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1999, Zl. 97/10/0118, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung der belangten Behörde, mit dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. Februar 1999 werde die Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 27. Februar 1997 in Ansehung der Auflage 2 begehrt, obwohl sich in den für die Entscheidung relevanten Fakten nichts geändert habe, übersieht, dass die erwähnte Auflage - der Begründung des Bewilligungsbescheides zufolge - vorgeschrieben worden war, um einen ua. wegen der verringerten Mächtigkeit der Bodenschicht befürchteten Schadstoffeintrag in das Grundwasser und damit eine Gefährdung der Lebewelt im Grundwasserbereich hintanzuhalten; durch eine Verringerung der Bodenschicht auf ein Viertel der ursprünglichen Mächtigkeit sei nämlich von einer reduzierten Filterwirkung des Bodens auszugehen, sodass Schadstoffe innerhalb kurzer Zeit ins Grundwasser gelangen könnten.
Der Änderungsantrag der Beschwerdeführerin sieht demgegenüber eine Wiederauffüllung der Grube mit Erdaushubmaterial der Eluatklasse Ia bis zum ursprünglichen Niveau vor. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für die im Bewilligungsbescheid vorgeschriebene Auflage 2, die Verringerung der Mächtigkeit der Bodenschicht, kommt daher nicht mehr zum Tragen. Bei Bedachtnahme auf die im Bewilligungsbescheid vom 27. Februar 1997 als maßgebend erachteten Erwägungen kann somit - wie die Beschwerdeführerin zu Recht rügt - eine andere Beurteilung in Ansehung der Zulassung einer landwirtschaftlichen Folgenutzung der in Rede stehenden Flächen jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten.
Die belangte Behörde hat daher, indem sie den Änderungsantrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückwies, ohne auf die Frage einzugehen, ob durch das geänderte Projekt der Beschwerdeführerin auch die beantragte Änderung in der vorgeschriebenen Folgenutzung ermöglicht werde, die Rechtslage verkannt. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 21. März 2001
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999100280.X00Im RIS seit
08.06.2001