TE Vfgh Beschluss 2009/1/29 B17/09, G10/09

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2009
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Allg
AußStrG §62, §71
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Erhebung einer Beschwerdegegen einen Beschluss des Obersten Gerichtshofes sowie zurEinbringung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungendes Außerstreitgesetzes als aussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Einschreiter beantragt der Sache nach die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde nach Art144 B-VG gegen einen Beschluss des Obersten Gerichtshofes, mit dem der außerordentliche Revisionsrekurs eines Dritten in einer Pflegschaftssache zurückgewiesen wurde. Er bringt vor, der Oberste Gerichtshof gehe in Obsorgeverfahren "generell" willkürlich vor. Im Zusammenhang damit erhebt der Einschreiter auch Strafanzeige gegen die im Beschluss namentlich genannten Richter des Obersten Gerichtshofes.

Weiters begehrt der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer "Individual-Beschwerde" auf Aufhebung der (im Beschluss zitierten) §§62 Abs1 und 71 Abs3 Außerstreitgesetz (AußStrG), weil diese Bestimmungen verhindern

würden, dass Richter eine "sachgemäße Entscheidung ... treffen" und

diese entsprechend begründen. Die Regelungen würden gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK verstoßen.

2. Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, Akte der ordentlichen Gerichtsbarkeit (wie den oben angeführten Beschluss des Obersten Gerichtshofes) auf Grund einer an ihn gerichteten Beschwerde zu überprüfen (vgl. zB VfSlg. 12.800/1991; VfGH 19.11.2004, B1007/04; 3.10.2005, B1071/05, sowie die - gegenüber dem Einschreiter ergangenen - Beschlüsse vom 23.11.2007, B2148/07, und vom 21.2.2008, B2305-2307/07). Aber auch für eine Erledigung der mit derselben Eingabe des Einschreiters erstatteten Strafanzeige gegen einzelne Richter fehlt dem Verfassungsgerichtshof jede Zuständigkeit (vgl. zB VfSlg. 17.247/2004; VfGH 22.9.2003, E1/03). Eine Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erscheint somit als offenbar aussichtslos, zumal bei der gegebenen Lage die Zurückweisung einer allenfalls erhobenen Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zu gewärtigen wäre.

3. Soweit der Einschreiter die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Individualantrages auf Aufhebung der Bestimmungen der §§62 Abs1 und 71 Abs3 AußStrG begehrt, ist Folgendes zu bemerken:

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

Diese Anfechtungsberechtigung kann somit von vornherein nur einem Rechtsträger zukommen, an den oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (Normadressat).

3.2. Soweit der Antragsteller daher beabsichtigt, die Bestimmungen der §§62 Abs1 und 71 Abs3 AußStrG mittels Individualantrages nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zu bekämpfen, weil diese insbesondere das Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art13 EMRK verletzen würden, übersieht er, dass die ins Treffen geführten, im vorgelegten - indes nicht an den Antragsteller adressierten - Beschluss des Obersten Gerichtshofes zitierten (und für das Revisionsrekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof im Außerstreitverfahren geltenden) Vorschriften auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers nicht unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre eingreifen.

Da der Einschreiter somit die Zurückweisung des intendierten Individualantrages zu gewärtigen hätte, erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein als offenbar aussichtslos.

4. Der - nicht auf das Vorliegen sämtlicher Formalerfordernisse hin geprüfte - Antrag war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Zuständigkeit, VfGH /Individualantrag, Zivilprozess

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2009:B17.2009

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten