A11 302.677-3/2009/2E
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des O.O. geb. 00.00.1984, StA. von Nigeria, vertreten durch Migrantenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/RO1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.1.2009, Zahl 09 00.381-EAST Ost, gemäß zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gem. § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Asylwerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste eigenen Angaben zufolge am 21.12.2005 illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am selben Tag seinen ersten Asylantrag eingebracht hat, der jedoch letztlich - nach Erhebung einer Berufung gegen die negative erstinstanzliche Entscheidung - mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 10.4.2007, Zl. 302.677-C1/2E-XVII/55/06, (wegen völliger Unglaubwürdigkeit der behaupteten Bedrohungssituation im Zusammenhang mit einer Kultmitgliedschaft) gem. §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen und mit 13.4.2007 in Rechtskraft erwachsen ist. In der Folge lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Entscheidung eingebrachten Bescheidbeschwerde mit Beschluss vom 7.9.2007, Zl. 2007/20/1111-4, ab.
Am 7.2.2008 stellte der Asylwerber einen neuerlichen, den zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich - nach Erhebung einer Berufung gegen die negative erstinstanzliche Entscheidung - mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.3.2008 (mangels Vorliegen eines glaubhaften Kernes) gem. § 68 AVG wegen res iudicata zurückgewiesen und mit 27.3.2008 in Rechtskraft erwachsen ist.
Am 12.1.2009 stellte der Asylwerber, der zwischenzeitig das Bundesgebiet nicht verlassen hat, den nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 15.1.2009 (AS 29) wie folgt:
"Es stimmt, es ist jetzt mein dritter Antrag. Ich habe die gleichen Gründe wie bei meinen bisherigen Verfahren. Ich hatte Probleme zu Hause. Ich kann nicht zurück, ich würde dort sterben." Die Frage, ob er alle Gründe für die neuerliche Antragstellung angegeben habe, bejahte der Asylwerber ausdrücklich.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.1.2009, Zl. 09 00.381-EAST Ost, wurde dieser dritte Asylantrag gem. § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.
Gegen diese Entscheidung erhob der Asylwerber fristgerecht Beschwerde und machte hiebei im Wesentlichen geltend, dass er in Österreich von einem Mitarbeiter des Flüchtlingsheimes sexuell genötigt worden sei, dieser habe versucht, mit ihm zu schlafen, was er jedoch abgelehnt habe. Weiter wurde ausgeführt, dass der Asylwerber zum Beweis der Richtigkeit seiner Angaben "ganz genau" eine Internetseite mit Videosequenzen angegeben habe, auf denen Personen zu sehen seien, die er kenne.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
1.) Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c AsylG hat daher der Asylgerichtshof gegenständliches Verfahren durch Einzelrichter zu entscheiden.
"Prozessgegenstand" der Berufungsentscheidung ist die Verwaltungssache, die zunächst der Behörde erster Rechtsstufe vorlag. Hat die Unterbehörde nur prozessual entschieden, dann darf die Berufungsbehörde nicht in merito entscheiden (VwGH 18.01.1990, 89/09/0093). Hat die Unterbehörde in ihrem Bescheid über den eigentlichen Gegenstand des Verfahrens gar nicht abgesprochen, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Entscheidung (hier:
Zurückweisung eines Antrages wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG) getroffen, dann ist es der Berufungsbehörde verwehrt, erstmals - unter Übergehen einer Instanz - den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen. Vielmehr bildet in solchen Fällen nur die betreffende verfahrensrechtliche Frage (hier: Frage der Rechtmäßigkeit der auf § 68 Abs. 1 AVG gestützten Zurückweisung des Antrages) die in Betracht kommende Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG.
Entschiedene Sache liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn sich gegenüber dem früherem Bescheid weder die Rechtslage noch der Sachverhalt
wesentlich geändert haben (VwGH vom 21.03.1985, 83/06/0023, VwGH vom 16.4.1985, 84/05/0191; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes 5, 621 mit weiteren Hinweisen).Von einer Identität der Sache kann nur gesprochen werden, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgeblichen tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und andererseits sich
das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH vom 30.1.1968, 908/67, VwGH vom 17.2.1981, 1087/80, VwGH vom 23.10.1986, 86/02/0117; Hauer-Leukauf, a.a.O.)
Verschiedene Sachen im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegen laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dagegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (VwGH 10.06.1998, Zahl: 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen.
Es kann jedoch nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (VwGH 24.03.1993, Zahl: 92/12/0149). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.
Zunächst ist auszuführen, dass der Asylwerber bei seiner niederschriftlichen Einvernahmen keinen neuen Sachverhalt behauptet hat, sodass auch in keinster Weise ein "glaubhaften Kern" einer neuen Bedrohungssituation dargetan wurde.
Vielmehr hat er ausdrücklich und wiederholt (AS 29 und 59) geltend gemacht, dass er die gleichen Gründe wie bei seinen vorigen Anträgen habe.
Der Asylwerber begehrt sohin im vorliegenden Fall die Auseinandersetzung mit seinen bereits im ersten, rechtskräftig beendeten Asylverfahren geltend gemachten - und damals bereits für unglaubwürdig befundenen - Fluchtgründen. Durch den Grundsatz "ne bis in idem" soll jedoch gerade eine solche nochmalige Auseinandersetzung mit einer bereits entschiedenen Sache, abgesehen von den Fällen der §§ 68 Abs. 2 und 4, 69 und 71 AVG nicht erfolgen.
Soweit der Asylwerber geltend macht, dass in Österreich versucht worden sei, ihn zu homosexuellen Handlungen zu drängen, ist ihm entgegenzuhalten, dass hieraus weder für sein Asylverfahren noch für die Frage der Zulässigkeit seiner Abschiebung und Ausweisung nach Nigeria eine Sachverhaltsrelevanz gegeben ist: Der Asylwerber hat wiederholt erklärt, dass er gesund sei und sich auch psychisch in der Lage fühle, die Einvernahme im Asylverfahren durchzuführen. Ein Krankheitsbild (konkret etwa eine psychische Störung), dass entsprechend der Judikatur des EGMR, der im Wesentlichen lediglich tödliche Erkrankungen im Endstadium, wenn im Zielstaat keine Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind, als Abschiebungshindernisse ansieht, eine relevante Gravität erreicht, kann somit nicht erkannt werden.
Lediglich der Vollständigkeit halber wird Nachstehendes ausgeführt:
Generell ist zur Glaubwürdigkeit von Angaben und Behauptungen im Asylverfahren auszuführen, dass diese grundsätzlich nur dann als glaubhaft qualifiziert werden können, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist; der Asylwerber sohin in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über von ihm relevierte Umstände bzw. seine Erlebnisse zu machen. Weiters muss das Vorbringen plausibel sein, d.h. mit überprüfbaren Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung entspringenden Erkenntnissen übereinstimmen.
Hingegen scheinen erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt einer Aussage angezeigt, wenn der Asylwerber den seiner Meinung nach seinen Antrag stützenden Sachverhalt bloß vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt. Weiteres Erfordernis für den Wahrheitsgehalt einer Aussage ist, dass die Angaben in sich schlüssig sind; so darf sich der Antragsteller nicht in wesentlichen Passagen seiner Aussage widersprechen.
Ein "glaubhafter Kern" im Sinne des oben Gesagten liegt sohin nicht schon dann vor, wenn Neuerungen bloß lapidar in den Raum gestellt werden, sondern muss das neue Vorbringen eine gewisse Dichte an Sachverhaltssubstrat aufweisen, insbesondere etwa eine ausreichende Detailliertheit in der Darlegung der neuen Umstände, sodass der neu behauptete Sachverhalt als stimmiges Ganzes konkret nachvollzogen werden kann.
Mit dem nur vagen und unkonkreten Vorbringen, dass man im Internet "alles über seine Probleme nachlesen könne", "dort stehe, wie es in Nigeria zugehe", und der pauschalen Behauptung, Personen auf "youtube"-Videos aus dem Internet namentlich zu kennen, wäre - selbst wenn der Asylwerber inhaltlich Neues behauptet hätte - ein glaubhafter Kern eines Vorbringens nicht dargetan worden. Der Asylwerber konnte trotz konkreter Nachfrage, von welchen Beweisen er spreche, und was man im Internet genau sehen könne, keine konkreten Angaben, die auch einer Überprüfung zugänglich wären, machen. Damit wäre die für einen glaubhaften Kern eines Vorbringens geforderte Dichte an Sachverhaltssubstrat bei Weitem nicht gegeben.
Im Ergebnis hat das Bundesasylamt somit den neuerlichen Asylantrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurück gewiesen.
2.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Das Asylverfahren ist, wie sich aus dem vorangehenden Entscheidungsteil ergibt, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Es liegt kein Aufenthaltstitel, wonach ein rechtmäßiger Aufenthalt nach dem Asylgesetz gegeben ist, vor. Es liegt auch kein sonstiger Aufenthaltstitel vor und ergibt sich somit der rechtswidrige Aufenthalt des Fremden. Zur Beendigung dieses rechtswidrigen Aufenthaltes ist daher grundsätzlich eine Ausweisung geboten. Bei der Setzung einer solchen Aufenthalts beendenden Maßnahme kann ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben vorliegen (Art. 8 Abs 1 EMRK). Da der Asylwerber das Bestehen derartiger verwandtschaftlicher Verhältnisse in Österreich verneint hat (keine Familienangehörigen AS 57, keine familienähnliche Lebensgemeinschaft AS 59), ist im Falle seiner Ausweisung nicht von einem unzulässigen Eingriff in sein Familienleben auszugehen.
Der durch die normierte Ausweisung des Asylwerbers aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in sein Privatleben ist weiters durch ein deutliches Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu seinem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt:
Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war nur ein vorläufiger und überdies lediglich aufgrund völlig zu Unrecht gestellter Asyl(folge)anträge bedingt, sodass das Gewicht seines ohnehin als noch nicht besonders lange zu qualifizierenden Aufenthaltes in Österreich (knapp 3 Jahre und 2 Monate) noch weiter gemindert ist. Dem entgegen stehende Umstände, die eine besondere Integration des Asylwerbers nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich, sodass bei einer abwägenden Gesamtbetrachtung der mit seiner Ausweisung verbundene Eingriff in sein Privatleben zulässig ist.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.