TE AsylGH Erkenntnis 2009/02/16 B4 262843-0/2008

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Veröffentlicht am 16.02.2009
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Spruch

B4 262.843-0/2008/1E

 

IM NAMEN DE REPUBLIK

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Florian NEWALD als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Karin WINTER als Beisitzerin über die Beschwerde des A.S., geboren am 00.00.1977, mazedonischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 4.7.2005, Zl. 05 03.664-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

1. Der Beschwerdeführer reiste am 16.3.2005 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und begehrte am 17.3.2005 die Gewährung von Asyl. In seinem schriftlichen Asylantrag gab er an, mazedonischer Staatangehöriger zu sein, der albanischen Volksgruppe anzugehören und islamischen Glaubens zu sein. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor: "Hier in Österreich stelle ich einen Asylantrag, weil es keine Möglichkeit zum Leben gibt. Ich war ein UCK-Mitglied, und ich werde von der Polizei gesucht. Sie glauben, dass ich mich einer anderen Armee, der AKSH angeschlossen habe. Mir wurde mitgeteilt, dass ich in K. war. Die mazedonische Polizei war mehrmals bei mir zu Hause."

 

2. Am 21.3.2006 beim Bundesasylamt einvernommen, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes an: Im Jahr 2001 sei er Mitglied der UCK gewesen, nach dem Ende des Krieges habe sich eine andere Armee mit dem Namen AKSH gebildet. Seither verfolge ihn die Polizei und behaupte, dass er auch Mitglied der AKSH sei. Dies sei aber nicht der Fall. Gefragt, seit wann die Polizei ihn suche, gab der Beschwerdeführer an, dass er die letzten drei Monate vor seiner Ausreise gesucht worden sei. Auf die Frage, was er im Falle einer Rückkehr erwarte, meinte der Beschwerdeführer, dies nicht zu wissen; vielleicht werde ihn aber die Polizei "erwischen", festnehmen und umbringen. Die Frage, ob der Beschwerdeführer jemals an bewaffneten Konflikten teilgenommen habe, beantwortete er wie folgt: "Wir wollten unser Land schützen. Ich habe auch bei Kampfhandlungen teilgenommen, das war alles." Im Jahr 2001 sei er Mitglied einer politischen Partei, und zwar der PDSH gewesen; dort sei er aber nicht aktiv gewesen.

 

3. Mit Scheiben vom 8.6.2005 übermittelte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer vorläufige Sachverhaltsannahmen zur Situation in Mazedonien, in denen ausführlich auf die Chronologie des Konfliktes zwischen den mazedonischen Behörden und der UCK, deren Selbstauflösung und Bewaffnung sowie die diesbezügliche Amnestiegesetzgebung eingegangen wird, nicht aber die vom Beschwerdeführer genannte AKSH.

 

4. In seiner Stellungnahme vom 27.6.2005 wies der Beschwerdeführer im Wesentlichen daraufhin, dass die vom Bundesasylamt herangezogenen Länderinformationen zu allgemein seien und sich nicht ausreichend mit den von ihm vorgebrachten Fluchtgründen beschäftigten. Er bestreite nicht, dass Mazedonien auf gesetzgeberischem Gebiet viel für die Gleichstellung von Minderheiten und die Amnestie von ehemaligen Kämpfern getan habe, weise jedoch darauf hin, dass die Praxis weit hinter diesen Standards liege und es zu zahlreichen menschenrechtswidrigen Übergriffen der Polizeibehörden auf männliche Albaner komme. Die Beschuldigungen basierten meist auf Mitgliedschaft bei der UCK, der AKSH oder dem Besitz von Waffen. Der Beschwerdeführer sei früher Mitglied der UCK gewesen und stehe nun unter Verdacht, die AKSH zu unterstützen und würde deswegen von der mazedonischen Polizei gesucht. In den letzten Monaten und Jahren seien trotz des Amnestiegesetzes zahlreiche Albaner von der mazedonischen Polizei festgenommen und misshandelt worden. Die Haftbedingungen in Mazedonien seien (wie sich aus den vorläufigen Sachverhaltsannahmen des Bundesasylamtes ergebe) menschenrechtswidrig. Überdies verwies der Beschwerdeführer auf einen Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom August 2003, in dem hervorgehe, dass in Mazedonien bei Verhaftungen nach wie vor ein Klima der Straf- und Rechtlosigkeit vorherrscht.

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 ab (Spruchpunkt I.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 für zulässig (Spruchpunkt II.) und wies ihn (ohne Bestimmung eines Zielstaates) gemäß § 8 Abs. 2 leg.cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt III.). Nach Wiedergabe des Verfahrensganges traf das Bundesasylamt Feststellungen zur Lage in Mazedonien, die weitgehend mit den unter Punkt 3. dargestellten vorläufigen Sachverhaltannahmen übereinstimmen, in denen sich aber überdies folgende Ausführungen zu AKSH finden:

 

"Vereinzelt kam es mit der sog. Armata Kombetare Shqiptare (AKSh, Albanische Nationale Armee) und staatlichen Sicherheitskräften seit Kriegsende zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Aufgrund des kaum vorhandenen Rückhaltes der AKSh in der Bevölkerung, deren offensichtlich äußerst geringen Mitgliederzahl, des Willens und der Fähigkeit des Staates, im Bedarfsfalle einzuschreiten, des fortschreitenden Umsetzungsprozesses des Ohrider Abkommens, sowie der Einsicht der albanischen Führung, dass die Ziele der albanischen Minderheit auf friedlichem Wege umgesetzt werden sollen, kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass die AKSH in der Lage ist, die innere Stabilität Mazedoniens nachhaltig zu beeinträchtigen."

 

In den Ausführungen zu allgemeinen Menschenrechtslage in Mazedonien wird ua. festgehalten, dass es Vorfälle von Willkür oder Gewaltanwendungen durch die Polizei- und Vollzugsbehörden gebe, die sich tendenziell häufiger gegen Angehörige der Minderheiten, und zwar insbesondere gegen ethnische Albanern und Roma, richteten. Was das individuelle Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers angeht, schenkte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer hinsichtlich der behaupteten Herkunftsregion, der Volkszugehörigkeit und Staatsangehörigkeit Glauben, führte auch aus, dass es seine Behauptung, ehemaliges Mitglied der UCK zu sein und nunmehr verdächtigt zu werden, der AKSH anzugehören, der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werde. Darin hielt es zur Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers fest, dass aufgrund der Zielsetzungen der AKSH und des Umstandes, dass es in Mazedonien möglich sei, sich innerhalb der gesetzlichen Schranken auf friedlichem Wege für die Rechte der albanischen Volksgruppe einzusetzen, eine Ermittlungstätigkeit des Staates gegen Personen, die verdächtigt werden, der AKSH anzugehören, keine Verfolgung aus in der GFK genannten Motiven, sondern eine Maßnahme der allgemeinen Sicherheitspolizei, der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und der Strafrechtspflege darstellen. Sollte in Einzelfällen nicht gesetzeskonform eingeschritten werden, handle es sich dabei keinesfalls um ein systematisches Vorgehen des mazedonischen Staates, sondern um ein individuelles Fehlverhalten einzelner Organwalter.

 

6. Gegen alle drei Spruchpunkte dieses Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte - nun als Beschwerde zu wertende - Berufung.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 23 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz (Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz BGBl. I 4/2008 idF BGBl. I Nr. 147/2008, in der Folge: AsylGHG) ist auf Verfahren vor dem Asylgerichtshof grundsätzlich das AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

 

Die Zuständigkeit des Asylgerichtshofes stützt sich auf § 38 Asylgesetz 1997. Diese Bestimmung spricht zwar vom "unabhängigen Bundesasylsenat" und ist durch das Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz nicht geändert worden; auch die Übergangsbestimmungen des Asylgesetz 2005 ergeben insoweit nichts. Da jedoch gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG der unabhängige Bundesasylsenat am 1.7.2008 zum Asylgerichtshof geworden ist und dieser gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG die am 1.7.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Verfahren weiterzuführen hat, ist davon auszugehen, dass sich § 38 Asylgesetz 1997 nunmehr auf den Asylgerichtshof bezieht. Ebenso ist davon auszugehen, dass sich jene Bestimmungen des Asylgesetz 1997, die von "Berufungen" sprechen, nunmehr auf Beschwerden beziehen (vgl. AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

2. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der Asylgesetz-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 zu führen, jedoch mit der Maßgabe, dass einzeln aufgezählte Bestimmungen - darunter § 8 Asylgesetz - in der Fassung der Novelle anzuwenden sind.

 

Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag am 17.3.2005; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig und ist daher nach dem Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 zu führen.

 

3. Gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 hat der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Diese Bestimmung ist auch in Verfahren, die nach dem Asylgesetz 1997 zu führen sind, anzuwenden (vgl. dazu ebenfalls AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

4. Gemäß § 7 AsylG - die beiden zuvor genannten Fassungen weisen hier keinen Unterschied auf - hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sei, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.9.2000, 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233; VwGH 9.3.1999, 98/01/0318).

 

5. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG kann der Asylgerichtshof - wenn der ihm vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint - den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverweisen. Gemäß § 66 Abs. 3 AVG iVm § 23 Abs. 1 AsylGHG kann der Asylgerichtshof jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (VwGH 21.11.2002, 2000/20/0084; 21.11.2002, 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH 12.12.2002, 2000/20/0236; 30.9.2004, 2001/20/0135; ebenso der Sache nach zu einem Verfahren, in dem der unabhängige Bundesasylsenat einen nach § 5 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 ergangenen Bescheid nach § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben hatte: VwGH 9.5.2006, 2005/01/0141) ausgeführt hat, war in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kam dem unabhängigen Bundesasylsenat - einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG idF vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005). In diesem Verfahren hatte bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es war gemäß § 27 Abs. 1 AsylG 1997 grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber - so die Rechtsprechung zu dieser Rechtslage - unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde - den unabhängigen Bundesasylsenat - verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und - so die Beispiele der Rechtsprechung - brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es die Berufungsbehörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich enden, sieht man von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle ihrer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof ab. Auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens konnte dies dafür sprechen, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.

 

Diese Erwägungen müssen umso mehr für das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, der als Gericht nach Erschöpfung des Instanzenzuges (ua.) "über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asylsachen" erkennt, gelten (vgl. dazu ausführlich AsylGH 12.8.2008, C5 251.212-0/2008/11E).

 

6. Das Bundesasylamt qualifiziert im angefochtenen Beschied das vom Beschwerdeführer behauptete Vorgehen der mazedonischen Sicherheitskräfte gegen ihn insofern als nicht asylrelevant, als die gesetzten Maßnahmen als legitime Strafverfolgung einzustufen seien; diese Einschätzung begründet das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass die behördliche Suche nach dem Beschwerdeführer im Rahmen der Verfolgung von Mitgliedern der AKSH erfolgt sei, wobei ein Vorgehen gegen diese aufgrund ihrer Ziele zulässig sei. Wohl in Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Vorwurf, er sei Mitglied der AKSH, sei unzutreffend, hält das Bundesasylamt weiters fest, dass ein nicht dem Gesetz entsprechendes Einschreiten der mazedonischen Behörden in Einzelfällen kein systematisches Vorgehen des Herkunftsstaates, sondern ein individuelles Fehlverhalten einzelner Organwalter sei. Zwar ist dem Bundesasylamt darin zuzustimmen, dass im Fall des Beschwerdeführers (bei Zugrundelegung des Fluchtvorbringens als glaubwürdig) die Unterscheidung zwischen prosecution und persecution, also die Abgrenzung asylrechtlich relevanter Verfolgung von legitimer Strafverfolgung, zu beachten ist (vgl. dazu etwa Putzer/Rohrböck, Asylrecht [2007], Rz 56). Auch trifft es zu, dass Verfolgungshandlungen dann nicht asylrelevant sind, wenn sich die handelnden Organwalter in einer Weise verhalten, dass die Übergriffe nicht dem Herkunftsstaat zugerechnet werden können (vgl. etwa VwGH 7.11.1995, 94/20/0793). Das Bundesasylamt ist aber insofern nicht sachgerecht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen, als nicht ersichtlich ist, auf welche Sachverhaltsermittlungen es die Annahmen stützte, dass sich die mazedonischen Sicherheitskräfte beim Vorgehen gegen den Beschwerdeführer den Gesetzen entsprechend verhalten haben bzw. (falls dies nicht zutrifft) deren Handlungen nicht dem Herkunftsstaat zuzurechnen sind. Um dazu tragfähige Feststellungen treffen zu können, wäre der Beschwerdeführer eingehender zur Art und zum Hintergrund des behördlichen Vorgehens gegen ihn zu befragen gewesen und überdies einschlägige Herkunftsländerinformation ins Verfahren einzuführen gewesen. Daher ist eine neuerliche Vernehmung des Beschwerdeführers erforderlich. Dabei wird er auch dazu befragen sein, welche Bedeutung der Umstand, dass man ihm mitgeteilt habe, dass er in K. gewesen sei, für seine Fluchtgründe habe. Dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch den Asylgerichtshof bei einer Gesamtbetrachtung zu einer Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde, kann auf Grund der unter Punkt 5. angestellten Erwägungen nicht gesagt werden.

 

7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 Asylgesetz 2005 unterbleiben.

Schlagworte
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung
Zuletzt aktualisiert am
24.02.2009
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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