A3 251.713-0/2008/13E
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HOLZSCHUSTER als Vorsitzende und den Richter Mag. LAMMER als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin VB WILHELM über die Beschwerde des D. alias N. Y., geb. 00.00.1987, StA. Guinea, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.07.2004, FZ. 04 13.044-EAST Ost, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1991 BGBl. I Nr. 51 i. d. g. F. wird der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Guineas, reiste nach eigenen Angaben am 24.06.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte in weiterer Folge noch am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu sowohl am 29.06. als auch am 02.07.2004 niederschriftlich einvernommen.
2. Zur Begründung seines Asylantrages brachte der Beschwerdeführer vor, aufgrund seiner Probleme mit den Einwohnern seines Heimatdorfes sein Herkunftsland verlassen zu haben. Konkret hätte der Antragsteller mit der Ehefrau eines moslemischen Würdenträgers eine sexuelle Beziehung unterhalten und wäre aus dieser in weiterer Folge sogar eine Schwangerschaft hervorgegangen. "Für das was ich getan habe, wird man in meinem Land getötet (Seite 43 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Auf Anraten seiner Mutter habe sich der im Betreff Genannte daher dazu entschlossen, Guinea endgültig zu verlassen. Im Falle seiner Rückkehr müsse er um sein Leben fürchten.
3. Das Bundesasylamt wies in weiterer Folge den Asylantrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.07.2004 in Spruchteil I. unter Berufung auf § 7 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 ab; in Spruchteil
II. stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Guinea gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 zulässig sei und wurde der im Betreff Genannte in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
Die erstinstanzliche Behörde hat das Vorbringen des Antragstellers aufgrund der auffallenden Detailarmut sowie offensichtlichen emotionalen Unberührtheit in seiner Schilderung der angeblich fluchtauslösenden Gründe als nicht einmal in Ansätzen glaubwürdig eingestuft.
4. Gegen diesen am 13.07.2004 durch persönliche Übergabe rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der im Betreff Genannte am 27.07.2004 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005) sind "[A]lle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des AsylG 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."
Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 (in der Folge: AsylG) i. d. F. der AsylG-Nov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die ab dem 01.05.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG in der jeweils geltenden Fassung, di. nunmehr die Fassung der AsylG - Nov. 2003, zu führen.
Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter (1.) über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und (2.) Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Soweit sich aus dem B-VG, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, sind gemäß § 22 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylG i. d. F. der AsylG - Nov. 2003 ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden (vgl. auch Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG).
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Dem angefochtenen Bescheid liegt aus folgenden Gründen ein qualifiziert mangelhaftes Ermittlungsverfahren zugrunde:
Im vorliegenden Fall hat es das Bundesasylamt nicht für erforderlich erachtet, sich über die aktuelle Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers in adäquater Weise zu informieren, sondern sich vielmehr darauf beschränkt, basierend auf Zitaten des Korans, ausschließlich Feststellungen zur Stellung der Frauen im Islam zu treffen um diese dann in weiterer Folge für seine Entscheidung heranzuziehen. Die Aussagekraft und rechtliche Relevanz derartiger Ausführungen im Zusammenhang mit der konkret zu beurteilenden Situation eines männlichen Antragstellers, dessen Vorbringen zudem in Bezug auf seine angeblich religiös motivierte Bedrohungssituation als absolut unglaubwürdig qualifiziert worden ist, lassen sich basierend auf dem Inhalt des zugrundeliegenden Bescheides nicht schlüssig nachvollziehen. Um die Situation des im Betreff Genannten korrekt zu beurteilen, müssen jedoch detaillierte Feststellungen über die aktuelle Lage in Guinea eingeführt werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden einer neuerlichen inhaltlichen Auseinandersetzung seitens der erstinstanzlichen Behörde zugrundezulegen sein.
Das Bundesasylamt ist - ebenso wie der Asylgerichtshof - als Spezialbehörde verpflichtet, sich über die Situation und die Entwicklungen in Guinea Kenntnis zu verschaffen und im Einzelfall entsprechende Feststellungen zu treffen. Nur anhand solcher Feststellungen ist es möglich zu beurteilen, ob der im Betreff Genannte - aus Gründen, die in der GFK genannt sind - verfolgt wird. Diese Feststellungen wären mit dem Beschwerdeführer zu erörtern; daraus könnte sich die Notwendigkeit ergeben, ihn neuerlich zu seinen persönlichen Umständen einzuvernehmen. Damit liegt aber eine der Voraussetzungen vor, die § 66 Abs. 2 AVG normiert: dass nämlich die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine; denn ob es sich um eine kontradiktorische Verhandlung oder um eine bloße Einvernahme handelt, macht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Unterschied (VwGH
v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084 mwN; VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315; VwGH v. 11.12.2003, Zl. 2003/07/0079).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084; VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315; ähnlich auch VwGH v. 12.12.2002, Zl. 2000/20/0236; VwGH v. 30.09.2004, Zl. 2001/20/0135) ausgeführt hat, ist in Asylsachen ein zweiinstanzliches Verfahren (mit nachgeordneter Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) eingerichtet; dabei kommt dem Asylgerichtshof - einer unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens - die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" zu (Art. 129 c Abs. 1 B-VG i. d. F. vor Art. 1 Z 5 BG BGBl. I 100/2005). In diesem Verfahren hat bereits das Bundesasylamt den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln, und es ist gem. § 27 Abs. 1 AsylG grundsätzlich verpflichtet, den Asylwerber dazu persönlich zu vernehmen. Diese Anordnungen würden aber unterlaufen, wenn ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterbliebe und somit nahezu das gesamte Verfahren vor den Asylgerichtshof verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache degradiert würde. Das wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnte, auf das Vorbringen des Asylwerbers sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Es liegt nicht im Sinne des Gesetzes, wenn es die Berufungsbehörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass sie ihre umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Dies spricht auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens dafür, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.
Das Bundesasylamt hat es unterlassen "brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Situation im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen" (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084; vgl. auch VwGH v. 30.09.2004, Zl. 2001/20/0135). Hätte es das getan und diese Ergebnisse mit dem Beschwerdeführer erörtert, so hätte es ihn unter Umständen neuerlich vernehmen müssen, um den Sachverhalt weiter aufzuhellen. Die Vernehmung durch die Erstbehörde würde dezentral stattfinden; auch dies ist unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis zu berücksichtigen (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2000/20/0084; VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315). Der Asylgerichtshof kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine Vielzahl von Umständen dafür spricht, nach § 66 Abs. 2 AVG vorzugehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.