B3 233.054-2/2009/2Z
BESCHLUSS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Einzelrichterin über die Beschwerde des N.G., geboren am 00.00.1967, kosovarischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Jänner 2009, Zl. 09 00.518-EAST West, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs. 1 des Asylgesetzes, BGBL. I Nr. 100/2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 (AsylG), hinsichtlich Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
BEGRÜNDUNG :
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger albanischer Volksgruppenzugehörigkeit muslimischen Glaubens, stellte am 3. September 2002 einen (ersten) Asylantrag.
1.2. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 25. Oktober 2002, Zl. 02 24.487-BAS, gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und erklärte gemäß § 8 leg. cit. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die "Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo" für zulässig. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.
1.3. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2005, Zl. 233.054/1-XII/36/02, wies der unabhängige Bundesasylsenat diese Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und erklärte gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Nov. 2003 iVm § 57 Fremdengesetz 1997 die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien und Montenegro, ehemalige Provinz Kosovo" für zulässig.
1.4. Der Verwaltungsgerichtshof hob den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates mit Erkenntnis vom 29. Juni 2006, Zl. 2006/01/0013-11, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
1.5. Im fortgesetzten Verfahren wies der unabhängige Bundesasylsenat mit am 15. Oktober 2007 verkündeten und am 16. Oktober 2007 ausgefertigten Bescheid, Zl. 233.054/0/18E-XII/36/02, die Berufung (neuerlich) gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien, Provinz Kosovo" gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF der AsylG-Nov. 2003 iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 für zulässig.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22. Oktober 2007 zugestellt und blieb unbekämpft.
2. Mit Bescheiden jeweils vom 18. Dezember 2007 wies das Bundesasylamt die Anträge auf internationalen Schutz der Ehefrau und minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ab, erkannte ihnen weder den Status eines Asylberechtigten noch den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Serbien" zu und wies sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach "Serbien" aus. Dagegen erhoben sie Berufungen (nunmehr: Beschwerden), die nach wie vor beim Asylgerichtshof anhängig sind.
3.1. Am 15. Jänner 2009 stellte der Beschwerdeführer einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchteil I.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo aus (Spruchteil II.).
3.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerechte Beschwerde.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, keine aufschiebende Wirkung zu. Einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer solchen Entscheidung verbunden ist, kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie "vom unabhängigen Bundesasylsenat" (gemeint nunmehr: vom Asylgerichtshof) zuerkannt wird.
§ 37 Abs. 1 AsylG lautet:
"(1) Wird gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen, hat der Asylgerichtshof dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
2.1. Mit Erkenntnis VfSlg. 17.340/2004 hob der Verfassungsgerichtshof § 5 a Abs. 1 zweiter Satz und § 32 Abs. 2 zweiter Satz Asylgesetz 1997 als verfassungswidrig auf. Er hatte keine Bedenken dagegen, der Berufung gegen den bloßen Ausspruch über die Unzuständigkeit Österreichs die aufschiebende Wirkung generell zu versagen, wohl aber hinsichtlich der damit verbundenen Ausweisung. Dazu führte er aus:
"Den öffentlichen Interessen an der Raschheit der Durchführung der Ausweisung können mögliche Nachteile des Berufungswerbers entgegen stehen, wie etwa die faktische Schwierigkeit, vom Ausland aus ein Berufungsverfahren zu führen, oder Beeinträchtigungen, die sogar in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK (zB. Durchführung der Ausweisung von schwangeren oder kranken Personen) oder Art. 8 EMRK fallen können. Eine solche Interessensabwägung kann aber nur im Einzelfall vorgenommen werden. Der ausnahmslose Ausschluss der aufzuschiebenden Wirkung würde selbst in jenen besonderen Fällen eine Interessensabwägung zu Gunsten des Asylwerbers unmöglich machen und damit den Berufungswerber in verfassungsrechtlich verbotener Weise einseitig mit den Folgen einer potentiell unrichtigen Entscheidung belasten [...]
Zum Vorbringen der Bundesregierung, der Asylwerber könne - gegen Vorlage der stattgebenden Berufungsentscheidung - gemäß § 19 Abs. 3 AsylG wieder einreisen, genügt der Hinweis, dass der Verfassungsgerichtshof bereits im Erk. VfSlg. 14.374/1995 ausgesprochen hat, dass die faktische Möglichkeit der Rückkehr nicht die effektive Rechtsschutzgewähr substituieren kann."
2.2. Bei der Neuregelung der Materie im Rahmen des AsylG wollte der Gesetzgeber dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Rechnung tragen (wie dies in den Erläut. zur RV hinsichtlich des Fremdenpolizeigesetzes auch ausdrücklich festgehalten wird: 952 BlgNR 22. GP, 8, 97). So heißt es in den Erläut. zur RV (952 BlgNR 22. GP, 55): "Die Zuerkennung ist Angelegenheit des unabhängigen Bundesasylsenates, womit ein System vorgeschlagen wird, dass den Rechtsschutzwerber nicht mit allen Folgen einer potentiell negativen Entscheidung belastet" (sic). Die Neuregelung ist also - schon nach dem Willen des historischen Gesetzgebers - verfassungskonform, mithin im Lichte dieses Erkenntnisses auszulegen. Dies kann nicht nur für die Frage der Zuständigkeit gelten, wie es der Wortlaut der Materialien nahezulegen scheint, sondern auch für die Kriterien für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die in § 37 Abs. 1 AsylG geregelt sind. Diese Kriterien - aus der Sicht der Bundesverfassung - zählt der Verfassungsgerichtshof beispielhaft auf: "etwa die faktische Schwierigkeit, vom Ausland aus ein Berufungsverfahren zu führen, oder Beeinträchtigungen, die sogar in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK [...] oder Art. 8 EMRK fallen können".
Verfassungskonform ausgelegt, sind bei der Entscheidung über die Frage der aufschiebenden Wirkung daher nicht nur jene Grundrechte zu beachten, die Leib und Leben des Beschwerdeführers schützen (wie die Art. 2 und 3 MRK oder die Protokolle Nr. 6 und 13 zur MRK), sondern auch andere Grundrechte und Interessen des Beschwerdeführers.
2.3. Das Verfahren über die Frage der Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist ein Provisorialverfahren, für das grundsätzlich nur sieben Tage zur Verfügung steht. Daher ist davon auszugehen, dass die Formulierung in § 37 Abs. 1 AsylG: "wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung [...] eine reale Gefahr" einer Grundrechtsverletzung bedeuten würde, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon dann ermöglicht, wenn es (bloß) Hinweise darauf gibt, dass Grundrechte oder sonstige massive Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt werden könnten. Gewissheit kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht vorausgesetzt werden, weil damit das Schicksal der Beschwerde schon entschieden wäre.
Dass der Maßstab kein allzu enger sein darf, ergibt sich auch aus der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes, der bei der Bekämpfung verfahrensbeendender Bescheide in Asylsachen regelmäßig die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuerkennt, obwohl dem bereits die (negativen) Entscheidungen zweier Instanzen vorausgegangen sind. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem Verfahren nach § 5 Asylgesetz 1997 - ausgesprochen, es sei, um Grundrechtswidrigkeiten zu vermeiden, "erforderlich, dass das Verfahren, in dem in Österreich geprüft wird, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, den Anforderungen des Art. 13 EMRK entspricht. Wird vertretbar behauptet, die Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 3 EMRK, so muss dem Betroffenen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, der zu einer unabhängigen und gründlichen Prüfung führt. Für die Wirksamkeit der Beschwerde im Sinne der Anforderungen des Art. 13 EMRK bedarf es auch der Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung [...]" (VwGH 31.3.2005, 2002/20/0582). Schließlich erkennt der Verwaltungsgerichtshof Beschwerden gegen Bescheide, die nach § 5 AsylG ergehen, regelmäßig die aufschiebende Wirkung zu.
2.4. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass diese Überlegungen nicht auch für Ausweisungen gelten sollten, die mit Zurückweisungen gemäß § 68 AVG verbunden werden. § 32 Abs. 8 AsylG 1997 - der unter bestimmten Voraussetzungen einen generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Bescheiden gemäß § 68 Abs. 1 AVG vorgesehen hatte - war auch beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden; hier war es aber zu keiner inhaltlichen Entscheidung gekommen, weil die Bedenken nicht ordnungsgemäß ausgeführt waren.
3. Da im vorliegenden Fall die Durchführung der Ausweisung des Beschwerdeführers in die Republik Kosovo vor Abschluss der Beschwerdeverfahren seiner Ehefrau und minderjährigen Kinder - denen gemäß § 36 Abs. 2 AsylG die aufschiebende Wirkung zukommt - gegen Art. 8 EMRK verstoßen könnte, war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG unterbleiben.