TE OGH 2009/1/21 3Ob275/08z

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Veröffentlicht am 21.01.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lotfi B*****, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Maurer, Rechtsanwalt in Golling als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Adelheid B*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 41 C 12/04k des Bezirksgerichts Salzburg, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 3. September 2008, GZ 21 R 326/08z-4, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 15. Mai 2008, GZ 21 C 14/08p-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom 18. Mai 2004 im Verfahren 41 C 12/04k des Bezirksgerichts Salzburg wurde der Wiederaufnahmskläger, dort als Beklagter, verpflichtet, der Wiederaufnahmsbeklagten, dort Klägerin, 14.710,62 EUR sA sowie ab 1. Mai 2004 einen monatlichen Unterhalt von 420 EUR zu bezahlen. Dem lag die Feststellung zugrunde, dass der Wiederaufnahmskläger nach der Eheschließung am 26. Mai 1999 im Jahr 2000 nach Österreich kam, bei der Wiederaufnahmsbeklagten wohnte und sich etwa drei Monate in der gemeinsamen Ehewohnung aufhielt. Er sei nach § 94 ABGB zur Unterhaltsleistung verpflichtet, ein wirksamer Unterhaltsverzicht liege nicht vor, die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Wiederaufnahmsklage stützte der zur Unterhaltsleistung Verurteilte darauf, dass im Scheidungsverfahren (AZ 3 C 55/04p, verbunden mit 3 C 104/04v des Bezirksgerichts St. Johann/Pongau) im Urteil vom 4. Juni 2007 ausgesprochen worden sei, dass zwischen den Streitteilen nie so etwas wie eine eheliche Gemeinschaft bestanden habe. Im Berufungsurteil vom 24. Oktober 2007 habe das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass aufgrund der unbekämpft gebliebenen Feststellungen davon auszugehen sei, dass die Eheschließung vornehmlich dadurch motiviert gewesen sei, dass der Wiederaufnahmskläger nur im Fall der Heirat eine Visa-Erteilung für die Einreise nach Österreich habe erlangen können und andererseits die Frau ein Verhalten gesetzt habe, das schon kurz nach Eheschließung auf eine mangelnde eheliche Gesinnung habe schließen lassen. Daraus sei abzuleiten, dass die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs rechtsmissbräuchlich sei. Feststellungen, ob es überhaupt zu einer Lebensgemeinschaft im Sinn einer Ehe gekommen sei, seien im wiederaufzunehmenden Verfahren nicht getroffen worden. Aufgrund der Ergebnisse des Scheidungsverfahrens hätten aber Feststellungen getroffen werden können, die zu einem anderen für den Wiederaufnahmskläger günstigeren Ergebnis im Unterhaltsprozess geführt hätten.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurück. Das Nichtbestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hätte dem Wiederaufnahmskläger vor Schluss der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses bekannt sein müssen. Die Wiederaufnahmsklage sei nicht dazu bestimmt, von den Parteien begangene Fehler ihrer Prozessführung zu beheben. Überdies stehe die Behauptung, von Anfang an habe keine Lebensgemeinschaft bestanden, mit der Aussage des Wiederaufnahmsklägers im Unterhaltsprozess in Widerspruch. Die behaupteten gerichtlichen Feststellungen im Scheidungsprozess bildeten kein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Das Rekursgericht bestätigte die Klagezurückweisung und sprach - nach Abänderungsantrag des Wiederaufnahmsklägers - aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, welche Rückwirkungen die individuelle Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft auf den Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig. Der vom Wiederaufnahmskläger geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO setzt entweder die Kenntnis von neuen Tatsachen oder das Auffinden neuer Beweismittel voraus, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine für die Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Die die Wiederaufnahme anstrebende Partei muss aber im Vorprozess ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sein, die neue Tatsache oder das neue Beweismittel geltend zu machen. Wenn in der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung im Vorprozess ohne Verschulden unmöglich war, ist die Wiederaufnahmsklage zurückzuweisen (stRsp RIS-Justiz RS0044558). In diesem Fall ist auch kein Verbesserungsverfahren einzuleiten (1 Ob 194/06w).

Die Beurteilung, ob die Klageangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich im Regelfall erhebliche Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht stellen (9 Ob 3/04p). Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen, wenn - wie im vorliegenden Fall - in der Wiederaufnahmsklage jedes Vorbringen dazu fehlt, warum den Wiederaufnahmskläger an der Geltendmachung der von ihm als neue Tatsache oder neues Beweismittel angesehenen Umstände kein Verschulden treffe. Allfällig nachträglich im Rekurs oder im Revisionsrekurs hiezu gemachte Ausführungen verstoßen jedenfalls gegen das Neuerungsverbot.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits aussprach, dass ein Urteil als öffentliche Urkunde zwar vollen Beweis dessen begründet, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder bezeugt wird, es beweist, in welcher Weise über die von den Parteien gestellten Anträge entschieden wurde. Die „sachliche Richtigkeit" der Entscheidung und der sie tragenden Feststellungen wird aber dadurch nicht bewiesen (4 Ob 114/99i mwN). Eine in einem späteren Verfahren erfolgte andere rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts ist weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO (2 Ob 183/98w mwN). Die vom Rekursgericht als erheblich nach § 528 Abs 1 ZPO bezeichnete (materiell-rechtliche) Frage (zu den Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs nach § 94 ABGB) ist im vorliegenden Fall nicht zu beantworten.

Der Revisionsrekurs des Wiederaufnahmsklägers ist daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E898303Ob275.08z

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00275.08Z.0121.000

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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