RS AsylGH Erkenntnis 2008/08/08 A4 308061-1/2008

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Rechtssatz

Rechtssatz 1

 

In rechtlicher Sicht wird grundsätzlich zwischen einem Rechtsvertreter im eigentlichen Sinn und einem schlichten Boten differenziert. Der Wesentliche Unterschied zwischen diesen zwei Instituten liegt in der Regel an einem bestehenden Vollmachtsverhältnis, welches, um rechtlich als Vertreter einer Partei zu gelten, vorliegen muss. Ist dies der Fall, so gibt dieser mit Wirkung für den Vertretenen eine eigene Erklärung ab. Ein dem Vertreter zukommendes Verschulden ist - wie bereits oben näher ausgeführt - der Partei zuzurechnen. Dem Boten kommt an sich keine Vertretungsmacht zu, "er überbringt bloß eine Erklärung des Auftraggebers" (vgl. Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts I12, S. 198). Dessen Verschulden ist der Partei somit nicht zuzurechnen, außer in den Fällen, in denen die Partei ihrer "zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen" Überwachungspflichten gegenüber dem Boten nicht nachgekommen ist. Überlässt es ein Beschwerdeführer allerdings seinem (juristisch geschulten) Bekannten, die ihm erforderlichen Schritte zur Wahrung der rechtlichen Interessen des Beschwerdeführers zu veranlassen, so ist dieser Bekannte nicht als Bote, sondern als Vertreter anzusehen, dessen Verschulden dem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. VwGH vom 19.03.2003, Zl. 2000/16/0055; VwGH vom 28.11.1978, Zl. 1167/78).

 

Die schlichte Annahme der pflichtgemäßen Rechtsmitteleinbringung durch einen dem Beschwerdeführer "namentlich unbekannten" Mann (vgl. Wiedereinsetzungsantrag vom 22.12.2006) auf Basis eines mündlichen Versprechens entspricht somit aus Sicht des Asylgerichtshofes keinesfalls dem Erfordernis der "zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen" Überwachungspflicht. Die Reputation des besagten Vereins spielt bei der Beurteilung dieser Überwachungspflicht überdies keine Rolle, da in analoger Betrachtungsweise auch der gute beziehungsweise schlechte Ruf eines Rechtsanwaltes nichts an einer verspäteten Beschwerdeeinbringung ändern würde.

Schlagworte
Vertretungsverhältnis, Vollmacht, Wiedereinsetzung, zumutbare Sorgfalt, Zurechenbarkeit, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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