Rechtssatz 1
Der Terminus "soziale Gruppe", der als Auffangtatbestand in die GFK aufgenommen wurde, wird in Lehre und Rechtsprechung durchaus unterschiedlich definiert: In der Judikatur des VwGH wurde einerseits auf die Definition des UNHCR abgestellt, der zufolge eine soziale Gruppe in der Regel Personen mit ähnlichem Hintergrund, ähnlichen Gewohnheiten oder ähnlichem sozialem Status umfasst (s. Handbuch des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 219, aber auch den Gemeinsamen Stanpunkt des Rates der Europäischen Union vom 4.3.1996 betreffend die harmonisierte Anwendung der Definition des Begriffs "Flüchtling" in Art. 1 des Genfer Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge), wobei aber - unter Hinweis auf das gesamte Handbuch des UNHCR - darauf hingewiesen wird, dass hinter der angesprochenen Regelung die Erwägung stehe, dass die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe Anlass zu Verfolgung sein kann, wenn kein Vertrauen in die Loyalität der Gruppe der Regierung gegenüber bestehe oder wenn die politische Ausrichtung, das Vorleben oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Mitglieder der Gruppe oder auch schon allein die Existenz der Gruppe an sich als Hindernisse für die Politik der Regierung angesehen werden ( VwGH 18.12.1996, 96/20/0793).
Andererseits wies der VwGH auf die Definition des kanadischen Obersten Gerichtshofes (Supreme Court) hin, nach eine soziale Gruppe im Sinne der GFK folgende drei Personenkreise umfasse:
Personen, die ein gemeinsames angeborenes oder unabänderliches Merkmal wie Geschlecht, sprachliche Zugehörigkeit oder sexuelle Orientierung aufweisen; Personen, die freiwillig aus Gründen verbunden sind, die für ihre Menschenwürde derart fundamental sind, dass sie nicht gezwungen werden sollten, diese Verbindung aufzugeben und schließlich Personen, die durch einen früheren freiwilligen Zustand verbunden sind, der aufgrund seiner historischen Dauer nicht geändert werden kann (vgl. die in Goodwin-Gill, The refugee in International Law, 1996, p 359f, wiedergegebenen Fälle, insbesondere Canada v. Ward). Auf diese Definitionen nimmt zumindest zum Teil auch Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 ("Statusrichtlinie") Bezug, auf den auch § 2 Abs. 1 Z 12 Asylgesetz 2005 verweist.