RS AsylGH Erkenntnis 2008/10/01 E9 300863-2/2008

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Veröffentlicht am 01.10.2008
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Rechtssatz 3

 

Diese zweifellos hohen Anforderungen, die der EGMR an die Abschiebeschutzrelevanz von psychischen Erkrankungen stellt, mögen angesichts dessen prinzipieller Öffnung von Art 3 EMRK für eine Verantwortung der Vertragsstaaten an einem lediglich mittelbaren Abschiebefolgeschaden zunächst verwundern. Immerhin führen diese Kautelen dazu, dass bis dato - soweit ersichtlich - noch kein BF mit der Behauptung, seine schwere psychische Erkrankung stünde einer Abschiebung in seinen Herkunftsstaat entgegen, durchgedrungen ist. Womöglich liegt aber gerade in der Eröffnung einer nahezu uferlosen Weite des Anwendungsbereiches von Art 3 EMRK durch die Rsp des EGMR in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts die Ursache für diese Restriktionen. Angesichts der vielen Beschwerden in jüngster Vergangenheit, die sich zumindest inter alia auf den schlechten psychischen Zustand des BF stützten, dürfte sich der Gerichtshof dazu veranlasst gesehen haben, sich gegen zu inflationäre Tendenzen im Zusammenhang mit der Auslegung des Schutzbereiches von Art 3 EMRK zu stemmen. Er tut dies bei genauerem Hinsehen allerdings nicht durch eine vordergründig abstrakte Einschränkung des Schutzgehaltes dieser Norm, sondern betont in verstärktem Maße den hohen Eingriffsschwellenwert, den diese fundamentale Grundrechtsverbürgung in Anbetracht ihrer Absolutheit erfordert. Vor dem Hintergrund der Vorbehaltslosigkeit der Garantien von Art 3 EMRK, wodurch den Vertragsstaaten an sich keine Berechtigung zur Schrankensetzung zukommt, versucht der Gerichtshof wohl auch die legitimen Allgemeininteressen, die an der Beendigung eines unrechtmäßigen Aufenthaltes von Fremden bestehen, in seine Erwägungen zumindest implizit miteinzubeziehen. Möglicherweise sieht der EGMR diese Allgemeininteressen gerade in Fällen, in denen eine Außerlandesschaffung mit dem Hinweis auf den schlechten psychischen Zustand eines Fremden verhindert werden soll, einer besonders großen Gefährdung ausgesetzt, zumal die gesicherte Diagnostizierung solcher Krankheiten naturgemäß mit viel größeren Unschärfen verbunden ist, als dies bei physischen Erkrankungen der Fall ist, wodurch die Möglichkeit einer missbräuchlichen Instrumentalisierung solcher Erkrankung in fremden- und asylrechtlichen Verfahren potentiell höher ist (Premissl in Migralex, Abschiebeschutz bei Traumatisierung, mwN auf die Judkatur des EGMR; siehe auch VfGH B 2400/07-9).

Schlagworte
Abschiebungshindernis, Gesundheitsrisiko
Zuletzt aktualisiert am
28.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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