Rechtssatz 2
Im Falle einer diagnostizierten PTBS, die auf traumatische Erlebnisse im Herkunftsstaat zu- rückzuführen ist, wird diese umso unbeachtlicher respektive unglaubwürdiger, je später im Verfahren die dieser Erkrankung behauptetermaßen zugrunde liegenden Erlebnisse vorgebracht werden. Nach Ansicht des EGMR kann zwar die Erkrankung erst nach Jahren ausbrechen bzw erkannt werden, vom Asylwerber kann aber er- wartet werden, dass er den traumakausalen Sachverhalt bereits in einem frühen Verfahrens- stadium erstmals erwähnt.
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Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.
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Auch wenn eine akute Suizidalität besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garan- tien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einer ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reichen hiezu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrer vorangegangener Suizidversuche.
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Auch wenn es sich um eine sehr ernste und schwere Erkrankung handelt, steht diese einer Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht entgegen, wenn dort eine adäquate Behandlungsmöglichkeit besteht. Der Umstand, dass die Verhältnisse für den Betroffenen in diesem Zusammenhang im Zielstaat ungünstiger sein mögen, als jene, die er in dem jeweiligen Aufenthaltsstaat genießen konnte, ist in Hinblick auf Art 3 EMRK nicht relevant. Selbst erhebliche Kosten für die Inanspruchnahme erforderlicher medizinischer Hilfe und Medikamente sowie Therapien im Zielstaat sind unbeachtlich, wenn die betroffene Person dort über familiäre oder anderweitige Unterstützung verfügt.
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Keinesfalls handelt es sich bei schweren psychischen Erkrankungen um von vornherein unbeachtliche Faktoren, sondern haben die Auswirkungen einer Abschiebung auf den Gesundheitszustand des Betroffenen in die Erwägungen miteinzufließen. Zu diesem Zweck sind der aktuelle Stand der Erkrankung einerseits und jener der medizini-schen Versorgungslage sowie die persönliche Situation des Betroffenen im Ziel staat andererseits zu erheben, um eine hinreichend genaue "real-risk"-Einschätzung vornehmen zu können.