Rechtssatz 1
Obwohl es sich bei der Judikatur des EGMR um reine Einzelfallentscheidungen handelt, so lassen sich doch Judikaturlinien nachzeichnen, welche die maßgeblichen Entscheidungsdeterminanten für eine Art 3 EMRK-konforme Abschiebungsentscheidung im Falle von psychischen Erkrankungen der Betroffenen verdeutlichen. Folgende Aspekte haben daher bei psychischen Erkrankungen wie zB schweren Depressionen und PTBS mit suizidaler Einengung in die Abschiebungsentscheidung einzufließen:
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Zunächst lässt sich ein Anspruch auf Verbleib im Vertragsstaat prinzipiell nicht mit dem Hinweis begründen, eine solcher sei notwendig, um weiterhin medizinische, soziale oder andere Formen von Unterstützung durch den Abschiebestaat zu erhalten.
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Von diesem Grundsatz ist ausnahmsweise abzuweichen, wenn es sich um eine lebensbedrohende, bereits ein tödliches Stadium erreichende Erkrankung handelt und die Aussicht auf medizinische Hilfe oder familiäre Unterstützung im Herkunftsstaat fehlt.
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Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder aber auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung.