S9 319.795-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerde der F.M., geboren am 00.00.1991, StA. SOMALIA, vertreten durch Frau Mag. S., Rechtsberaterin , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, FZ. 08 04 291-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBL. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.
Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.06.2008,
Zl.: 08 04 291-EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates UNGARN zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Berufungswerber gemäß
§ 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach UNGARN ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei.
Die Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich die BF vor ihrer illegalen Einreise nach ÖSTERREICH in UNGARN aufgehalten und dort am 00.00.2008 einen Antrag auf Asyl gestellt habe. Die BF sei nach ihren eigenen Angaben in Ungarn in einem Flüchtlingslager untergebracht worden, das sie schließlich am 00.00.2008 verlassen habe. Sie sei daraufhin mit einem Bus nach BUDAPEST und im Anschluss mit einem Taxi nach ÖSTERREICH gefahren. Am 14.05.2008 hat die BF beim Bundesasylamt EAST Ost einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.
Die BF hat im Zusammenhang mit der Mitteilung des Bundesasylamtes, dass das Konsultationsverfahren mit UNGARN eingeleitet worden sei, vorgebracht, dass sie nicht nach UNGARN zurück wolle, weil sie dort Probleme gehabt hätte. Sie gehöre der Volksgruppe der ASHARAF an, welche in SOMALIA unterdrückt werde. Im Flüchtlingslager in UNGARN habe sie andere SOMALIER getroffen, welche sie beschimpft und ihr Angst gemacht hätten, als sie bemerkten, dass sie einer Minderheit angehöre. Sie habe immer geweint, wenn sie beschimpft worden sei. Man habe ihr gedroht, dass sie getötet werde, wenn sie ein Wort davon sagen würde.
In der Begründung des bekämpften Bescheides wurde dazu - gestützt auf eine eingehende Darstellung des ungarischen Asylverfahrens sowie Informationen betreffend die Versorgung von Asylwerbern in Ungarn - festgestellt, dass kein hinreichend konkretes Vorbringen erstattet worden sei und keine notorischen Informationen vorliegen würden, dass der rechtliche und faktische Standard der ungarischen Asylverfahren per se eine Verletzung der EMRK im Fall der Effektuierung eines negativen Verfahrensausganges wahrscheinlich erscheinen ließe. Aus den Angaben der BF seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass die Antragstellerin tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Ungarn Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihr eine Verletzung ihrer durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Bei dem in keiner Weise substantiierten und völlig vagen Vorbringen der der Antragsstellerin handle es sich lediglich um rein hypothetische Angaben und Befürchtungen, die weder be- noch widerlegbar seien. Die von ihr befürchteten Übergriffe durch Private würden auch in UNGARN strafbare Handlungen darstellen, die von den dort zuständigen Strafverfolgungsbehörden bei Kenntnis verfolgt und geahndet würden. Eine Billigung solcher Eingriffe durch ungarische Behörden könne nicht erkannt werden. Zusammengefasst seien diese allgemein gehaltenen Darstellungen und Behauptungen ohne Beweisanbot daher nicht geeignet die Unzulässigkeit der Anwendung der
Dublin II Verordnung im konkreten Fall darzulegen.
2. Gegen diesen am 04.06.2008 an die BF und am 09.06.2008 an deren gesetzliche Vertreterin zugestellten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde, auf Behebung des Bescheides des Bundesasylamtes und Zulassung des Asylantrages sowie auf Behebung der verfügten Ausweisung gestellt wurden. Als Gründe für die Beschwerde wurden im wesentlichen die Nichtberücksichtigung der im Verfahren mit Minderjährigen einzuhaltenden Kinderrechte sowie die Verletzung der Grundsätze der materiellen Wahrheit, der Offizialmaxime, des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung geltend gemacht.
3. Die Beschwerde langte am 18.06.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat ein.
4. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom 19.06.2008,
GZ: 319.795-1/2Z-XII/05/08, wurde der Berufung der BF aufschiebende Wirkung zuerkannt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Asylantrag im Mai 2007 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBI. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung
Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der
§ 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Aufgrund der im Mai 2007 erfolgten Asylantragstellung bezieht sich im Gegenstand § 5 AsylG auf die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II), da gemäß Artikel 29 leg. cit. diese Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten - dies ist der 01.09.2003 - gestellt werden.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der
1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Es ist daher zunächst zu überprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO zuständig ist oder die Zuständigkeit bei ihm selbst nach dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO (erste Asylantragstellung) liegt.
Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit von UNGARN gemäß Art.16 Abs. 1 lit. c Dublin II VO besteht. Die Zuständigkeit wurde von UNGARN ausdrücklich anerkannt. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006,
Zl. 2005/20/0444).
Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher - entsprechend den Ausführungen in der Beschwerde - noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach
Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in bezog auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0449).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005,
Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).
Weiters hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007,
Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
Was die Frage der "Beweislast" anbelangt, so ist vorweg klarzustellen, dass bei Vorliegen "offenkundiger" Gründe (zum Begriff der "Offenkundigkeit" vgl. § 45 Abs. 1 AVG und die dazu ergangene Judikatur, beispielsweise zitiert in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2(1998), E 27 zu § 45 AVG) eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 implizit aufgestellten Vermutung nicht erforderlich ist. Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist. Es versteht sich von selbst, dass bei der Beurteilung, ob die geforderte "Glaubhaftmachung" gelungen ist, der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen haben, Rechnung getragen werden muss (in diesem Sinne auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 226). Hat der Asylwerber die oben angesprochenen besonderen Gründe glaubhaft gemacht, ist die dem § 5 Abs. 3 AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit vor Verfolgung widerlegt. In diesem Fall sind die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die (nach der Rechtsprechung des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erforderliche) Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Diese Ermittlungspflicht ergibt sich aus
§ 18 AsylG 2005, die insoweit von § 5 Abs. 3 AsylG 2005 unberührt bleibt (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949; vgl. ähnlich auch VwGH 21.03.2007, Zl. 2006/19/0289).
2. Im konkreten Fall kann die Ansicht der erkennenden Behörde, es liege kein substantiiertes Vorbringen der Antragstellerin in Bezug auf eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat vor, allein vor dem Hintergrund der übermittelten Unterlagen nicht nachvollzogen werden. Das Vorbringen der BF, sie sei im ungarischen Aufnahmezentrum auf andere SOMALIER getroffen, die sie regelmäßig beschimpft und bedroht hätten, nachdem sie bemerkt hätten, dass die BF einer Minderheit angehöre, erscheint auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich im gegenständlichen Fall um eine unbegleitete Minderjährige handelt, nicht von vornherein als zu wenig konkret und unglaubwürdig. Es ist in diesem Zusammenhang auch der gesetzlichen Vertreterin der BF zuzustimmen, wenn sie in der Beschwerde geltend macht, dass insofern ein Widerspruch in der Beweiswürdigung vorliegt, als die erstinstanzliche Behörde selbst ein bedenkliches Bild über die Zustände in ungarischen Aufnahmezentren in der Begründung des bekämpften Bescheides zeichnet. (siehe dazu vor allem Seite 12 des bekämpften Bescheides: "Gewalt, vor allem Gewalt in der Familie und sexueller Missbrauch, kommt in allen drei Aufnahmezentren vor. Aufgrund des Personalmangels werden diese Vorkommnisse oft nicht dokumentiert. Für Kinder und Menschen mit psychischen Problemen ist die Umgebung in den Aufnahmezentren nicht geeignet. (Europäisches Parlament, The conditions in centres for third country national with particular focus on provisions and facilities for persons with spezial needs in the 25 EU member states, December 2007))
In diesem Zusammenhang ist darüber hinaus anzumerken, dass die erstinstanzliche Behörde in der gegenständlichen Bescheidbegründung - offenbar bei der Verwendung von Textbausteinen betreffend Länderinformationen - an einigen Stellen die notwendige Sorgfalt vermissen lässt. So ist im dritten Absatz der Seite 17 des beschwerdegegenständlichen Bescheides ohne nachvollziehbaren Grund von den faktischen und rechtlichen Umständen in Tschechien die Rede, während auf der Seite 31 im vierten Absatz festgestellt wird, dass Griechenland ein Mitgliedsstaat der EU sei und eine notorische Verletzungen fundamentaler Menschenrechte in Griechenland keinesfalls zu erkennen sei.
Da die BF wohl kaum in der Lage war, selbst weitere Beweise beizuschaffen, um ihr Vorbringen zu untermauern, war nach Auffassung des Asylgerichtshofes der besonderen Situation der BF durch weitere Erhebungen der Asylbehörde Rechnung zu tragen. Auch wenn es sich nach dem Vorbringen der BF um angebliche Übergriffe durch Dritte handelt, reicht der Verweis der erkennenden Behörde, diese würden auch in Ungarn gerichtlich strafbare Handlungen darstellen, nicht aus, um eine allenfalls drohende Verletzung der durch
Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte im gegenständlichen Fall von vornherein auszuschließen. Die notwendige Einzelfallprüfung macht es im gegenständlichen Fall erforderlich, zunächst die BF näher zu den von ihr behaupteten Schwierigkeiten während ihres bisherigen Aufenthaltes in UNGARN zu befragen und sodann diese Aussagen auf deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Weiters werden, zu den hier entscheidungsrelevanten Punkten geeignete weitere Erhebungen einzuholen sein, wozu insbesondere eine Stellungnahme der ungarischen Behörden notwendig erscheint. Es mag durch eine solche Anfrage auch möglich sein, die Glaubwürdigkeit der Behauptungen der BF zu ihren tatsächlichen Erfahrungen in UNGARN zu überprüfen. Dem Ergebnis einer solchen Stellungnahme UNGARNS wird wahrscheinlich erhöhtes Gewicht zukommen können. Ohne eine solche Stellungnahme beziehungsweise das Pflegen der solcherart bezeichneten Erhebungen kann aber aus Sicht des Asylgerichtshofes aus den dargestellten Gründen nicht von Entscheidungsreife gesprochen werden.
Festzuhalten ist weiters, dass zu Konsultationen mit den zur Vollziehung der Dublin II VO betrauten ausländischen Behörden das Bundesasylamt zuständig ist und nicht der Asylgerichtshof (diesbezüglich verbietet sich ein Tätigwerden des Asylgerichtshofes auch schon aus Art 22 Abs. 1 Dublin II VO, weil der Asylgerichtshof nicht unter die aufgrund dieser Bestimmung der Europäischen Kommission genannten Behörden fällt).
3. Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde (sofern eine neuerliche Erlassung einer Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG beabsichtigt ist), nach Durchführung des ergänzten Beweisverfahrens wie dargestellt, klare Feststellungen zu den Umständen des (früheren) Aufenthaltes der BF in UNGARN zu treffen haben, ebenso wie individuell begründete auf aktuelle Beweisergebnisse gestützte Ausführungen zur zu erwartenden Vorgangsweise der ungarischen Behörden im Fall einer Überstellung.
Auf die Notwendigkeit der Wahrung des persönlichen Parteiengehörs in einer Einvernahme ist zu verweisen. Dabei sind der BF auch die von der Behörde verwendeten Beweisquellen zur Kenntnis zu bringen.
4. Als maßgebliche Determinante für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 AsylG in diesem Zusammenhang ist die Judikatur zum § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen, wobei allerdings kein Ermessen des Asylgerichtshofes besteht.
Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084; ferner VwGH 21.09.2004, Zl. 2001/01/0348). Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt, wie dargestellt, keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung (vgl. Art. 19 Abs. 2 1. Satz Dublin II VO und
Art. 20 Abs. 1 lit. e 2. Satz Dublin II VO) erlassen. Der Asylgerichtshof war auf Basis eines so gestalteten erstinstanzlichen Verfahrens praktisch nicht mehr in der Lage innerhalb der zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfristen (§ 37 Abs. 3 AsylG) eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.