TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/10 S4 400077-1/2008

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Veröffentlicht am 10.07.2008
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Spruch

GZ: S4 400.077-1/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des S.C., geb. 00.00.1988, StA. von Syrien, vertreten durch H.S. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.5.2008, Zahl 08 03.410-EASt-West, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Syrien und von Ägypten kommend über Tschechien, wo er am 31.5.2007 einen Asylantrag gestellt hatte (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 63), eigenen Angaben zufolge (vgl. AS 103 erster Abs.) am 17.5.2008 ins Bundesgebiet eingereist. Am 19.5.2008 stellte der Asylwerber schließlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Tschechien hat sich mit Fax vom 26.5.2008 (Aktenseite 83) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Tschechien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er nicht nach Tschechien zurückkehren wolle, da er in Österreich Verwandte habe. Er habe sich in Tschechien in einer großen Stadt aufgehalten, sonst wisse er nichts (AS21). Die Asylwerberlage sei sehr schlecht in Tschechien, man habe ihnen (gemeint offensichtlich den Asylwerbern) keine Fahrtickets zu Sprachkursen organisiert, auch hätten sie nicht genug zu essen bekommen (AS 105).

 

Auf die Frage, ob er im Bereich der EU Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung besteht, antwortete der Asylwerber: In der EU habe er drei Brüder, die anerkannte Flüchtlinge in Deutschland seien und mit denen er wöchentlich telefoniert habe. Außerdem habe er in Österreich drei Cousinen und einen Onkel, die ebenfalls anerkannte Flüchtlinge seien, diese leben - "was er wisse" - alle in Linz, Adressen oder Telefonnummern habe er aber keine. Er bekomme von seinen Verwandten Geld (AS 103).

 

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.5.2008, Zahl 08 03.410-EASt-West, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass

 

eine Abschiebung nach Tschechien seine Rechte gem. Art. 3 und 8 EMRK verletzen würde. Die Situation für Asylwerber sei in Tschechien noch immer weit unter dem Standard der in Europa üblich sei. Tschechien wende das Asylrecht nicht korrekt an. In der Tschechei gebe es viele Probleme mit Korruption und Misshandlung von Häftlingen, insbesondere würden Ausländer durch Polizei und andere Behörden schlecht behandelt. Weiters sei sein Asylverfahren in Tschechien schon abgeschlossen und könne er dort erst in zwei Jahren einen neuen Antrag stellen. Zudem könnte Tschechien argumentieren, dass er aufgrund seiner Weiterreise nach Österreich in Tschechien keinen Schutz suchen würde. Außerdem wohne ein Bruder nicht wie angegeben in Deutschland, sondern "im Grenzgebiet". Dieser Bruder unterstütze ihn, soweit möglich. Er habe sehr engen Kontakt zu seinem Bruder.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Tschechien hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum tschechischen Asylverfahren und der Vollzugspraxis, sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Den Beschwerdeausführungen kann nicht gefolgt werden:

 

Vor dem Hintergrund der konkreten Feststellungen im angefochtenen Bescheid zum tschechischen Asylverfahren und der Vollzugspraxis sind die bloß pauschalen Einwände in der Beschwerde bei Weitem zu wenig konkret, um ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK zu indizieren. Der Asylwerber war etwa 1 Jahr lang in Tschechien aufhältig und antwortete auf die Frage, ob etwas dagegen spreche, dass sein Asylverfahren dort weitergeführt werde, lediglich, dass er in Österreich Verwandte habe (AS 21). Schlechte Behandlung oder gar Übergriffe durch Polizei oder andere Behörden erwähnte er mit keinem Wort, sodass er solches offensichtlich auch nicht zu gewärtigen hatte. Auch dies spricht dafür, dass ein real risk einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung durch tschechische Behörden nicht vorliegt.

 

Soweit er geltend macht, dass er keine Fahrtickets zu Sprachkursen erhalten habe, ist zu entgegnen, dass damit keinesfalls die Schwelle der erforderlichen Eingriffsintensität in Bezug auf Art. 3 EMRK erreicht wird.

 

Der Vorwurf (bzw. subjektive Eindruck) in Tschechien "zu wenig zu essen" bekommen zu haben, vermag ebenfalls nicht den Selbsteintritt Österreichs gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II zu begründen, da Tschechien für Asylwerber jedenfalls unentgeltliche Verpflegung (nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid: für Erwachsene 3x täglich) zur Verfügung stellt, und nicht ernsthaft angenommen werden kann, dass Tschechien Asylwerber in einer Weise hungern lässt, die einer unmenschlichen Behandlung bzw. Folter im Sinne des Art. 3 EMRK gleichkommt.

 

Letztlich kann auch den Beschwerdebehauptungen, wonach der Asylwerber "sehr engen Kontakt" zu seinem in P. wohnhaften Bruder, der ihn auch unterstütze, soweit es ihm möglich sei, habe, und seine Ausweisung seine Rechte gem. Art. 8 EMRK verletzen würde, nicht gefolgt werden. Im Rahmen seiner Einvernahme hat der Asylwerber noch am 28.5.2008 auf die Frage, ob er in der EU Verwandte habe, zu denen eine besonders enge Beziehung besteht, lediglich geantwortet, dass er drei Brüder in der BRD (sowie Cousinen und einen Onkel in Linz) habe. Der Asylwerber hat entgegen seiner Angaben in der Beschwerde offensichtlich nicht einmal gewusst, dass ein Bruder in Österreich aufhältig ist, zudem gab er an, dass sich der (persönliche) Kontakt zu seinen Brüdern auf Telefonate beschränke. Somit hat der Asylwerber jedenfalls bis zum 28.5.2008 keinen sehr engen Kontakt zu dem nunmehr ins Treffen geführten Bruder unterhalten, andernfalls er dies auf konkrete Nachfrage wohl nach menschlichem Ermessen auch mitgeteilt hätte. Eine besonders enge familiäre Verbundenheit kann somit schon aufgrund der Kürze einer allfälligen Nahebeziehung (nach dem 28.5.2008) nicht erkannt werden. Der Asylwerber hat auch weder dargetan, dass er mit seinem Bruder in einem gemeinsamen Haushalt lebe, noch dass er gerade von diesem Bruder finanziell abhängig sei. Überdies spricht nichts dagegen, dass er allfällige finanzielle Zuwendungen von Verwandten auch in Tschechien erhalten könnte.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abhängigkeitsverhältnis, Ausweisung, familiäre Situation, Intensität, Lebensgrundlage, real risk
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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