TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/11 D3 235606-0/2008

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Veröffentlicht am 11.07.2008
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Spruch

D3 235606-0/2008/23E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde des G. K., geb. 1978, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.10.2002, GZ. 01 16.007-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.10.2005, am 24.11.2005 und am 07.04.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl 126/2002 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 AsylG 1997 idF BGBl 126/2002 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von G. K. nach Armenien nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 iVm 15 Abs 3 AsylG idF BGBl 126/2002 wird G. K. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.08.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Berufungswerber, ein armenischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Armenier und gregorianischen Bekenntnisses, reiste am 10.07.2001 illegal nach Österreich und stellte am nächsten Tag im Stande der Schubhaft einen Asylantrag.

 

Am 17.07.2001 erfolgte vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz, eine Einvernahme, wobei der Berufungswerber, wie folgt angab:

 

Frage: Verstehen sie den Dolmetsch?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Schildern sie ihren Reiseweg von ihrer Heimat nach Österreich.

 

Antwort: März/April bin ich von Armenien mit dem Autobus in die Ukraine ausgereist. Ich war dann bis zum 5. Juli 2001 in M.. Danach nahm ich den Lkw nach Österreich. Während der Fahrt hat sich ein kleiner Autobus uns angeschlossen. Ich wechselte einige Male vom Lkw zum Autobus. Mein Zielort war Wien, weil dort mein Bruder ist.

 

Frage: Schildern sie den letzten Reiseabschnitt unmittelbar vor ihrer Festnahme genauer.

 

Antwort: Ich hätte mich im Lkw befinden sollen, bin aber im Bus eingeschlafen, worauf der Schlepper ziemlich aufgeregt war und gesagt hat, dass ich mich im Bus unter einem Sitz verstecken soll. Ich führe zusätzlich an, dass im Lkw noch weitere 6 Leute waren und ich mich als einziger im Bus befand. Der Schlepper hielt dann an einer bestimmten Straße an. Diese war mir unbekannt. Er zeigte mir den Weg zum Bahnhof und ich begab mich dort hin. Ich war europäisch gekleidet, um nicht aufzufallen und kaufte mir eine Zugfahrkarte. Kurz nach der Abfahrt des Zuges waren Polizisten im Zug und haben Dokumente verlangt. Dann wurde ich aufgegriffen.

 

Vorhalt: Aufgrund des fremdenpolizeilichen Aktes ist davon auszugehen, dass sie illegal von Tschechien aus einreisten.

 

Antwort: Wir waren 5 Tage unterwegs und ich glaube nicht, dass wir über Tschechien kamen.

 

Frage: Warum glauben sie das?

 

Antwort: (schüttelt Kopf, stottert) Ich kann es mir nicht vorstellen.

 

Vorhalt: Wenn sie am Landweg von der Ukraine kommen, müssen sie durch ein anders Land durch. Warum soll das nicht Tschechien sein?

 

Antwort: Ich kann keine genauen Angaben machen, weshalb ich auch nicht 100%ig sagen kann, dass ich nicht über Tschechien kam.

 

Frage: Wo lebten sie bis zum Tage ihrer Abreise wie lange und wovon bestritten sie ihren Lebensunterhalt?

 

Antwort: Ich wohnte an der von mir anfangs angegebenen Adresse 1 - 2 Jahre und arbeitete von 1997 - 2000 als Kellner.

 

Frage: Wie lange arbeiteten sie im Jahre 2000?

 

Antwort: Ich kann mich nicht genau erinnern.

 

Frage: Bis zu welcher Jahreszeit?

 

Antwort: Bis Frühling.

 

Frage: Warum hörten sie dann auf?

 

Antwort: Die Leute, die mich in Armenien belästigten, haben den Besitzer des Restaurants ebenfalls belästigt und dieser hat mich dann gebeten, hierher zu gehen.

 

Frage: Reisten sie legal oder illegal aus?

 

Antwort: Legal.

 

Frage: Benutzen sie für die Grenzabfertigung ein Reisedokument?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Geht das so einfach?

 

Antwort: Wenn man mit dem Flugzeug das Land verlässt, braucht man einen Pass, mit dem Autobus braucht man eigentlich nur die Fahrkarte.

 

Frage: Wie bekamen sie Kontakt zum Schlepper, woher hatten sie das Geld und wie viel bezahlten sie?

 

Antwort: Ich habe 2 Cousins in M., die schon seit ihrer Kindheit dort leben. Sie haben mir die Flucht organisiert und bezahlt. Ich habe keine Ahnung.

 

Frage: Wurde ausgemacht, dass sie das Geld zurückzahlen müssen?

 

Antwort: Wir haben ein so gutes Verhältnis, dass wir uns nie Geld borgen, sondern schenken würden. Ich weiß nicht, ob sie etwas dafür bezahlt haben.

 

Frage: Wollen sie zum Reiseweg noch etwas angeben?

 

Antwort: Nein.

 

Frage: Wann haben sie sich entschlossen, Armenien zu verlassen?

 

Antwort: Im März/April habe ich mich entschlossen, das Land zu verlassen, da meine Probleme schon sehr ernst waren.

 

Frage: Haben sie den Dolmetsch bis jetzt einwandfrei verstanden?

 

Antwort: Ja.

 

Nach Rückübersetzung:

 

Frage: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was sie zuvor angegeben haben?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Schildern sie die Gründe für ihre Asylantragstellung vollständig und wahrheitsgemäß. Sie haben jetzt überdies sie Möglichkeit, unwahre Angaben, die sie bei anderen Behörden tätigten, richtig zu stellen oder sonstige Ungereimtheiten bei anderen Behörden anzugeben.

 

Antwort: Mein Vater war Direktor einer Bankfiliale. Diese Bank wurde bis heute aus ungeklärter Ursache geschlossen. Daraufhin wurde mein Vater zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Die ehemaligen Kunden der Bank waren daher aufgebracht und wollten ihr Geld zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Staat alle Konten und Gelder konfisziert und bis heute haben die Gläubiger der Bank nichts von ihrem Geld gesehen. Auch meine persönlichen Wertgegenstände von der Familie wurden konfisziert. Die Gläubiger vermuteten, dass mein Vater das Geld veruntreut hatte, deshalb haben auch einige von ihnen, die heute Abgeordnete zum Nationalrat sind, die Massen gegen mich und meine Familie aufgebracht. Man vermutet, dass wir im Besitz dieses Geldes sind. Meinen älteren Bruder, der sich in Wien befindet, kennt man per Namen, aber man weiß nicht, wie er aussieht. Ich wurde 2 - 3 mal von Leuten aufgesucht, die mich verprügelt haben. Ich erlitt schwere Gehirnerschütterungen, die ich auch mit ärztlichen Attesten bestätigen kann. Diese Leute haben mich dann auch bis in die Ukraine verfolgt. Deshalb haben meine Cousins hauptsächlich nur telefonischen Kontakt mit mir, um sich selber nicht in Gefahr zu bringen.

 

Frage: Haben sie die Vorfälle bei der Polizei angezeigt?

 

Antwort: Die Polizei hat mich immer festgenommen, mich in einen Raum gebracht und dann den Raum verlassen. Ich wurde dort von den angeheuerten Leuten geschlagen. Danach hat man mich gewaschen und wieder auf die Straße gesetzt. Es hat bestimmte Tage gegeben, wo ich wusste, dass diese Leute mich besuchen kommen und mich wieder schlagen. Es hat einen regelrechten Plan gegeben, wann sie auftauchten. Ich bin tagelang nur gesessen und habe auf sie gewartet und habe es über mich ergehen lassen, doch gab es Tage, wo ich geflohen bin, ich wusste jedoch nicht wohin, da mich die Leute ohnehin wieder zu Hause erwarten würden. Nach schließlich 3 Anträgen bei einer Menschenrechtsorganisation, von denen ich bis heute noch keine Antwort bekommen habe, habe ich endgültig beschlossen, das Land zu verlassen.

 

Frage: Was befürchten sie konkret, wenn sie jetzt nach Armenien zurückkehren müssten?

 

Antwort: Bevor ich nach Armenien gehe, würde ich mich selber umbringen. Es macht für mich keinen Sinn mehr, in Armenien zu leben.

 

Frage: Besitzen oder besaßen sie Identitätsdokumente?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Welche?

 

Antwort: Einen armenischen Pass und eine Wehrdienstbuch. Das Wehrdienstbuch wies ich bei der Ausreise vor.

 

Nach Rückübersetzung gebe ich an, dass es keinen Sinn hat, in Armenien zu leben, weil ich dort keine Frau und keine Kinder habe. Man würde mich schließlich doch umbringen. Deshalb würde ich hier gerne eine neues Leben anfangen und eine Familie gründen.

 

Frage: Haben sie den Dolmetsch bis jetzt einwandfrei verstanden?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was sie gesagt haben?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Wann reisten sie aus Armenien genau aus?

 

Antwort: Im März/April 2001 reiste ich aus. Ich kann mich an den genauen Tag nicht erinnern, weil ich mich in einer schlimmen Situation befand; einerseits die Gewalt und andererseits die Gedanken über meine Zukunft, wie ich mir die Flucht finanzieren kann.

 

Frage: Wo befand sich die Filiale der Bank?

 

Antwort: Am Anfang befand sie sich im Hotel E., danach zog sie um.

 

Frage: In welchem Stockwerk hatte ihr Vater das Büro?

 

Antwort: Im E. war es im 4. Stock und nach dem Umzug gab es nur mehr 1 Stock, wo sich die Filiale befand und das war der 1. Stock

 

Frage: Wann wurde die Bank geschlossen?

 

Antwort: Ende 1994.

 

Frage: Wann wurde der Vater verurteilt und weswegen?

 

Antwort: Er wurde 1995 festgenommen. Die Verhandlung fand 1996 statt. Er wurde verurteilt, weil er das Geld veruntreut hatte. Gegen welches Gesetz er verstoßen hat, weiß ich nicht.

 

Frage: Wann wurden die Konten vom Staat konfisziert?

 

Antwort: Nach der Festnahme.

 

Frage: Wie sah der Plan aus, nach dem die Leute kamen, die sie geschlagen haben?

 

Antwort: Sie kamen alle 15 - 20 Tage. Es war eine Genugtuung für die Gläubiger. Ich habe mich wie in einer Arena gefühlt. Ich musste einen Zettel bei der Polizei und zwar öfter unterschreiben, dass ich das Land nicht verlassen darf. Man hat mir gesagt, dass man mich in 20 Tagen wieder kontaktieren werde und ich solle mich dann wieder zur Verfügung halten.

 

Frage: Was waren das für Leute, die sie verprügelten und wo wurden sie verprügelt?

 

Antwort: Es handelte sich um ganz normale Leute, so wie du und ich, nicht um Polizisten, sie verprügelten mich auf der Straße, im Wachzimmer, fast überall.

 

Frage: Haben sie Misshandlungsspuren?

 

Antwort: Ja, von einem Messer am linken Ellbogen.

 

Frage: Von wann stammen diese?

 

Antwort: Von 1997. Es war während der Verhandlungen.

 

Frage: Sind sie mit einer amtsärztlichen Untersuchung einverstanden?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Wie oft wurden sie verprügelt?

 

Antwort: Ich kann es gar nicht zählen. Seit 1996 bis zuletzt.

 

Frage: Schildern sie genau, wie sich der erste Vorfall und wie sich der letzte Vorfall abgespielt hat?

 

Antwort: Das erste Mal kam es während einer Verhandlungspause im Gerichtssaal zu einer Schlägerei. Das letzte Mal kam die Polizei und nahm mich in das Wachzimmer mit. 3 mir unbekannte Männer betraten das Zimmer und haben mich geschlagen und gefragt, wo das Geld sei. Ich verlangte deren Ausweis um zu wissen, ob es sich um Polizisten handelt, aber sie haben sich nicht ausgewiesen.

 

Frage: Wann war der letzte Vorfall?

 

Antwort: Im Jänner 2001.

 

Frage: Zu welchem Wachzimmer wurden sie gebracht?

 

Antwort: Ich möchte nichts Genaueres dazu sagen, weil ich Angst habe.

 

Frage: Warum haben sie Angst, wenn sie es in einem Kreis angeben, wo alle Beteiligten der Amtsverschwiegenheit unterliegen?

 

Antwort: In Armenien gibt es keine Amtsverschwiegenheit.

 

Vorhalt: Sie wollen von Österreich Schutz, es ist daher nicht plausibel, dass sie die Polizeistation nicht nennen. Überdies sind sie an der Mitwirkung im Verfahren verpflichtet?

 

Antwort: Ich war in der Abt. des Innenministeriums für den Bereich

S..

 

Frage: Wie oft hatten sie Kontakt mit der Polizei?

 

Antwort: Sehr oft.

 

Frage: Gingen sie zur Polizei oder kam die Polizei zu ihnen?

 

Antwort: Die Polizei kam zu mir.

 

Frage: Warum haben sie zu Beginn nicht angegeben, dass ihnen die Polizei ein Ausreiseverbot auferlegt hat?

 

Antwort: Diesen Zettel den ich unterschrieb, habe ich nicht für die Polizei, sondern für die Leute, die mich im Wachzimmer danach besuchten, unterschrieben. (Nach Wiederholung der Frage) Ich habe es gemacht um den Gläubigern zu zeigen, dass ich im Land bleibe und damit sie mich in Ruhe lassen.

 

Frage: Wissen sie etwas über veruntreutem Geld?

 

Antwort: Es gibt kein Geld. Mein Vater hat nichts veruntreut.

 

Frage: Wie haben sie bemerkt, dass sie auch in der Ukraine verfolgt werden?

 

Antwort: Meine Cousins haben mich in Kenntnis gesetzt, dass einige Armenier in dieser Stadt nach mir gefragt haben und sie haben beschlossen, nur mehr telefonischen Kontakt zu pflegen. Ich habe sie an meinem Abreisetag auch nicht mehr besucht.

 

Frage: Woher wussten es die Cousins?

 

Antwort: Sie befinden sich schon länger in der Ukraine und haben einen großen Bekanntenkreis und haben es wahrscheinlich so erfahren.

 

Frage: An welche Menschenrechtsorganisation haben sie sich gewandt?

 

Antwort: (denkt nach) Sie heißt "Menschenrechtsorganisation".

 

Frage: Wo hat sie ihren Sitz?

 

Antwort: In Jerewan.

 

Frage: Die Adresse?

 

Antwort: Weiß ich nicht.

 

Frage: Wie konnten sie mit ihr Kontakt aufnehmen, wenn sie die Adresse nicht wissen?

 

Antwort: Ich habe die Anträge über die Gericht gestellt und diese leiten es an die Organisation weiter.

 

Frage: Bei welchem Gericht gaben sie die Anträge ab?

 

Antwort: Das Gericht, das für das Gebiet S. zuständig ist.

 

Frage: Welche Nationalratsabgeordnete haben die Bevölkerung gegen ihre Familie aufgehetzt?

 

Antwort: Ich kenne nur die Vornamen.

 

Frage: Wo befindet sich ihre Mutter?

 

Antwort: In Jerewan, wird aber in Kürze umziehen.

 

Frage: Warum haben sie im Restaurant zu arbeiten aufgehört?

 

Antwort: Diese 3 Leute haben meinem Chef dazu gebracht, mich zu kündigen.

 

Frage: Sind sie damit einverstanden, dass ihre Angaben über eine österreichische Botschaft oder ein österr. Konsulat vertraulich überprüft werden?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Wollen sie zu ihren Flüchtgründen noch etwas angeben?

 

Antwort: Ich bitte darum, nicht nach Armenien zurückgeschickt zu werden. Ich würde gerne bei meinem Bruder bleiben.

 

Frage: Besteht eine Möglichkeit, dass sie Bescheinigungsmittel über ihren Fluchtgrund und ihre Identität vorlegen?

 

Antwort: Ja. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass ich innerhalb einer Frist von 4 Wochen Bescheinigungsmittel vorzulegen. Ich werde weiters darauf aufmerksam gemacht, dass es an mir liegt, der Behörde bekannt zu geben, wenn diese Frist nicht ausreicht.

 

Frage: Haben sie den Dolmetsch während der ganzen Einvernahme einwandfrei verstanden?

 

Antwort: Ja.

 

Frage: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was sie gesagt haben?

 

Antwort: Ja.

 

Mit Schreiben vom 00.00.2001 ersuchte das Bundesasylamt die österreichische Botschaft, allenfalls unter Einschaltung eines Vertrauensanwaltes, um die Verifizierung des vom Asylwerber vorgebrachten Sachverhaltes. Sollte dieser der Wahrheit entsprechen, wurde auch um die Beantwortung der Frage nach einer innerstaatlichen Fluchtalternative ersucht.

 

Mit Schreiben vom 05.09.2001 teilte die österreichische Botschaft für Armenien mit, dass sich der Sitz der Botschaft in Wien befinde und daher eine Überprüfung im Detail nur schwer möglich sei. Die Botschaft sei um einen Vertrauensanwalt bemüht, doch gestalte sich die Suche schwierig.

 

Mit Schreiben vom 23.01.2002 ersuchte das Bundesasylamt die Botschaft, soweit dies möglich sei, zu erheben, ob A. G. tatsächlich der Direktor Bank gewesen sei, ob dieser wegen Veruntreuung festgenommen und verurteilt worden sei und ob die Bank geschlossen worden sei, sowie ob es eine Menschenrechtsorganisation unter dem Namen "Menschenrechtsorganisation" gibt.

 

Mit Aktenvermerk vom 19.03.2002 wurde das Verfahren gemäß § 30 AsylG eingestellt.

 

Am 12.04.2002 langte ein vom Antragssteller jedoch nicht unterschriebener Fortsetzungsantrag ein, weshalb ein unbeantwortet gebliebener Verbesserungsauftrag erteilt wurde. In weitere Folge wurde das Verfahren am 24.06.2002 neuerlich gemäß § 30 AsylG eingestellt.

 

Mit Schreiben vom 22.07.2002 übermittelte das Bundesasylamt dem Antragssteller einen Ländervorhalt zu Armenien.

 

Am 23.07.2002 ersuchte das Bundesasylamt die Union Banks um die Beantwortung der folgenden Fragen:

 

"Has there ever been established the Bank in Hotel, Yerevan and has it changed it's seat to L., Yerewan?

 

If yes, does this branch bank still exist or hast it been closed in the past?

 

If it has been closed, do you know the date and the reason?

 

Do you know who was the director of the First Branch Bank at this time?"

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.10.2002, Zahl, 01 16.007-BAL, wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 11.07.2001 gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen und unter Spruchteil II. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragsstellers nach Armenien zulässig sei.

 

In der Begründung des Bescheides wurde die bereits vollinhaltlich wiedergegebene Einvernahme vor dem Bundesasylamt dargestellt, sowie anschließend Länderfeststellungen zur Lage in Armenien getroffen.

 

Beweiswürdigend wurde in der Folge ausgeführt, dass das Vorbringen des Asylwerbers unglaubwürdig gewesen sei, zumal es unplausibel und sowohl in sich widersprüchlich, als auch in Widerspruch zu dem Vorbringen des Bruders des Antragsstellers gewesen sei.

 

Habe der Antragssteller ursprünglich behauptet 2-3 mal verprügelt worden zu sein, führte er später aus es habe einen regelrechten Plan gegeben und er sei alle 15-20 Tage geschlagen worden, wobei er zum ersten mal 1996 und zuletzt im Mai 2001 verprügelt worden sei. Neben diesem Widerspruch habe der Asylwerber sein Vorbringen dahingehend gesteigert, dass er angegeben habe auch auf der Polizeistation geschlagen worden zu sein. Im Widerspruch zu seinem Bruder habe er ausgeführt, dass die Bank Ende 1994 geschlossen worden sei, der Vater 1995 verhaftet worden sei und 1996 die Verhandlung stattgefunden hätte, wogegen der Bruder angegeben habe, die Bank sei im Mai 1994 geschlossen worden und der Vater sei auch schon damals verhaftet worden und bereits 1995 verurteilt worden. Außerdem erwähnte der Bruder eine tätliche Auseinandersetzung nur vor dem Gerichtsgebäude, jedoch mit keinem Wort im Gerichtsgebäude.

 

Zu dem Vorbringen sich an eine Menschenrechtsorganisation gewandt zu haben sei zu bemerken, dass dies unglaubwürdig sei, zumal der Antragssteller nicht einmal spontan deren Namen hätte nennen können, wobei auch der genannte Name "Menschenrechtsorganisation" zweifelhaft erscheine. Überdies sei es unplausibel, dass er die Beschwerde bei dieser Organisation über staatliche Verfolgung über einer Behörde ebendieses Staates eingebracht haben soll. Er habe auch an der Führung seines Verfahrens mangelndes Interesse gezeigt, zumal er weder die angekündigten Beweismittel vorgelegt habe, noch einer entsprechenden Aufforderung der Behörde dazu nachgekommen sei.

 

Auch sei die Art und Weise in welcher das Vorbringen erstattet worden sei wenig glaubhaft gewesen, zumal es allgemein, blass, wenig detailreich und oberflächlich gehalten gewesen sei und der Berufungswerber nicht den Eindruck erweckt habe seine Lebensgeschichte zu erzählen. Schließlich sei es auch unglaubwürdig, dass der Antragssteller einerseits massivster Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und andererseits von 1997 bis 2000 als Kellner gearbeitet habe. Es ist auch nicht plausibel, dass eine weitere Verfolgung stattgefunden habe, um vom Antragssteller Geld zu erlangen, da sich der Bruder, welcher Vizedirektor gewesen sei, ins Ausland abgesetzt habe und der Antragssteller mit der Bank in keiner direkter Verbindung gestanden sei. Letztendlich bemerkte das Bundesasylamt noch, dass der Umstand einer problemlosen legalen Ausreise keine Verfolgungshandlungen durch die staatlichen Stellen befürchten lassen würden.

 

Rechtlich begründend wurde zu Spruchteil I. ausgeführt, dass es dem Antragssteller nicht gelungen sei, eine Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen.

 

Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage ausgeführt, dass ein Gefährdung des Asylwerbers iSd § 57 FrG nicht erkennbar sei, zumal schon das Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert worden sei.

 

Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhob der Antragssteller fristgerecht Berufung, in welcher er zunächst sein bisheriges Vorbringen wiederholte und ausführte, dass in Armenien Korruption und organisiertes Verbrechen an der Tagesordnung stehen würden. Da einige der Gläubiger Nationalratsabgeordnete seien, sei davon auszugehen, dass diese Personen über einen großen Einfluss verfügen würden und es daher ein leichtes sei für sie eine Festnahme bzw das Verprügeln lassen des Antragsstellers zu organisieren. Sodann verwies der Berufungswerber auf ein Erkenntnis des VwGH vom 21.09.2000, in welchem die GFK-Relevanz von Verfolgung durch Private dargelegt wurde. Schließlich wurde ein textbausteinartiges Vorbringen zum Refoulement erstattet.

 

Mit Schreiben vom 04.12.2002 teilte die österreichische Botschaft mit, dass sie über die Vertrauensanwältin K. nachfolgende Informationen (im Original in Englisch) erhalten habe. Die Bank habe keine Filiale im Hotel gehabt. Von 1989 bis November-Dezember 1994 habe sich die Bank in der G. Straße befunden. Eine Filiale habe sich in der L. befunden. Der Manager dieser sei A. S. gewesen. Ob es bis 1995 einen Vizedirektor names S. S. gegeben habe, hätte nicht verifiziert werden können.

 

1994 sei die Bank wegen mehrer Probleme dem Bankrott nahe gewesen. Nach einer Überprüfung durch die Zentralbank sei die Lizenz entzogen worden. Im gleichen Jahr hätten auch die Beschwerden der Anleger begonnen. Vor der Liqidierung der Bank hätte A. S. die Bank an jemanden namens K. verkauft. Einen Verkauf von 80 % der Aktien an A. G. 1991 sei auszuschließen. Eine Kommission bestehend aus RA Office of Public Prosecutor, Zentralbank, Steuerabteilung, Sicherheitsrat und vier Gläubigern sei eingesetzt worden, zu welchem Zeitpunkt das gesamte Vermögen der Bank beschlagnahmt worden sei. Dieses sei in der Folge in einer öffentlichen Versteigerung verkauft worden, doch hätten die Einnahmen daraus nur 30 % der Schulden abgedeckt. Während der Liquidierung der Bank im November-Dezember seien A. S., K. und weitere Personen verhaftet worden.

 

Die National Bank Armeniens sei mit Gesetz vom 27. März 1993 in Zentralbank umbenannt worden. Seit 1986 sei I. I. Direktor der Bank gewesen. Von 1994-1998 habe B. A. den Vorsitz inne gehabt. Aufgabe der Zentralbank sei es die Stabilität, Liquidität und das weitere normale Funktionieren des armenischen Bankensystems zu überwachen. Dafür sei sie durch Gesetz mit besonderen, näher dargelegten Befugnissen ausgestattet, wozu unter anderem die Ausstellung von Banklizenzen zählen würde. Gleichzeitig mit der Bank sei etwa 50 anderen Banken Lizenzen für generelle Bankgeschäfte erteilt worden. Diese seien jedoch fast alle 1994-1995 in Konkurs gegangen.

 

Ob G. W. 2000 in Haft verstorben sei, könnte nicht festgestellt werden, da die Behörden nicht befugt seien solche Informationen ohne eine offizielle schriftliche Anfrage bereitzustellen. Ebenso könnten Fragen hinsichtlich des Verfahrens gegen G. A. W. und der gegen ihn verhängten Strafe nur nach einer offiziellen Anfrage auf Einsicht in die Gerichtsakten beantwortet werden. Soweit dies feststellbar gewesen sei, hätten A. H. und L. K. nicht im Berufungsgericht für strafrechtliche Angelegenheiten in Yerewan gearbeitet.

 

Die Frage, ob Parlamentarier namens K., V., S. Geld verloren hätten, wäre ohne nähere Informationen wie die Nachnamen dieser Parlamentarier nicht beantwortbar.

 

In Armenien gebe es über 110 Organisationen die sich mit Menschenrechtsfragen beschäftigen würden. Die Worte "Human Rights Organisations" würden in zahlreichen der Namen aufscheinen.

 

Die Frage, ob es in Armenien möglich sei Verfolgung durch Private durch einen Wohnsitzwechsel zu entkommen, sei in dieser Allgemeinheit nicht beantwortbar.

 

Die an den Berufungswerber ergangene Ladung zu der für den 17.10.2005 angesetzten öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung wurde am 18.09.2005 mit dem Vermerk "verzogen" an den Unabhängigen Bundesasylsenat retourniert, worauf eine Aufenthaltsermittlung veranlasst wurde. Diese ergab, dass der Antragssteller weiterhin unter der Adresse wohnhaft sei. Er wurde im Zuge dieser auch durch die Polizeibeamten auf die anberaumte Verhandlung persönlich hingewiesen.

 

Am 14.09.2005 erinnerte der Verhandlungsleiter den Berufungswerber, mit dem eine Verständigung in deutscher Sprache ohne Probleme möglich war, an den Verhandlungstermin.

 

Zu der öffentlich mündlichen Berufungsverhandlung am 17.10.2005 ließ sich das Bundesasylamt entschuldigen, der Antragssteller erschien bis 13 Uhr 20 unentschuldigt nicht, weshalb die Verhandlung auf den 24.11.2005 verlegt wurde.

 

Zu der öffentliche mündliche Berufungsverhandlung am 24.11.2005 ließ sich das Bundesasylamt entschuldigen, der Berufungswerber erschien gemeinsam mit Dr. Günter Klodner, Verein Sprakuin, der vor dem Verhandlungsleiter für die damalige Verhandlung bevollmächtigt wurde. Darüber hinaus legte er auch eine Zustellvollmacht vor. Zu der Verhandlung wurde eine Dolmetscherin der armenischen Sprache beigezogen.

 

In der Folge führte der Berufungswerber über Befragen durch den Verhandlungsleiter folgendes aus:

 

VL: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

 

BW: Ich bin Armenier und Angehöriger der gregorianischen Kirche.

 

VL: Sind beide Elternteile ebenfalls Armenier?

 

BW: Ja.

 

VL: Wo sind Sie geboren?

 

BW: In der Stadt Jerewan in Armenien.

 

VL: Wo haben Sie im Laufe Ihres Lebens gelebt?

 

BW: Immer in Jerewan.

 

VL: Ab wann haben Sie sich nicht mehr in Armenien aufgehalten?

 

BW: Seit dem Jahre 2001, ungefähr März/April. Ich habe zu diesem Zeitpunkt eine Gehirnerschütterung gehabt, deshalb kann ich mich erinnern, wann das genau war.

 

VL: Welche schulische oder sonstige Ausbildung haben Sie erhalten?

 

BW: Zehn Klassen Mittelschule, sonst habe ich keine Ausbildung.

 

VL: Welche berufliche Tätigkeit haben Sie von wann bis wann ausgeübt?

 

BW: Ich arbeitete in den Jahren 1990 bis 1992 als Automechaniker. Von 1992 bis 94 leistet ich Militärdienst und von 1997 bis 2000 war ich als Kellner tätig.

 

VL: Warum haben Sie diese Tätigkeit aufgegeben?

 

BW: Ich durfte nicht mehr als Kellner arbeiten.

 

VL: Warum?

 

BW: Der Chef des Restaurants, wo ich arbeitete, war in der Justiz tätig. Es sind Personen gekommen, die nicht erlaubt haben, dass ich als Kellner arbeitete.

 

VL: War der Besitzer des Restaurants bei der Justiz tätig und hat nebenbei ein Restaurant besessen?

 

BW: Ja.

 

VL: Wann genau haben Sie Ihre Tätigkeit als Kellner zwangsweise beendet?

 

BW: Im Herbst 2000.

 

VL: Haben Sie sich in Armenien irgendwie politisch betätigt?

 

BW: Nein.

 

VL: Können Sie näheres über Ihre Eltern und Geschwister erzählen?

 

BW: Mein Vater A. V. G., geb. 1939, ist bereits verstorben. Meine Mutter heißt G. G. M., geb. 1947, sie lebt noch in Armenien. Ich habe zwei Halbbrüder V. A. G., geb. 1962 (gleicher Vater) und S. S., geb. 1969 (gleiche Mutter).

 

VL: Welcher beruflichen Tätigkeit ist Ihr Vater nachgegangen?

 

BW: Er war Angestellter einer Bank.

 

VL: Was wissen Sie über die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bank und Ihrem Ende?

 

BW: Mein Vater war Angestellter der Bank. Welche Tätigkeiten die Bank ausübte weiß ich nicht, weil ich zu dieser Zeit Militärdienst verübte. Ich kann nicht im Detail erzählen, aus welchen Gründen die Bank geschlossen wurde, weil die staatlichen Politiker Druck auf die Bank ausübten.

 

VL: Hatten Sie selbst etwas mit der Bank zu tun?

 

BW: Nein, ich war nicht angestellt bei der Bank, ich bin nur ab und zu hingegangen.

 

VL: Hatten Sie irgendeine Funktion bei der Bank?

 

BW: Nein.

 

VL: Hatten Sie wegen dem Zusammenbruch der Bank, Probleme mit Behörden oder Privatpersonen?

 

BW: Ja natürlich, hatte ich Probleme. Als mein Vater festgenommen wurde, war mein Bruder S. S. für die Bank verantwortlich. Ich habe sowohl mit Behörden als auch mit Privatpersonen Probleme gehabt.

 

VL: Welche konkret?

 

BW: Es sind oft Polizisten gekommen, aber auch Privatpersonen, die uns geschlagen haben. Meine Mutter und ich wurden mehrere Male von Polizeibeamten geschlagen und mitgenommen. Es wurden auch Messerattentate von privaten Personen auf mich ausgeübt.

 

VL: Schildern Sie bitte den ersten konkreten Vorfall genau.

 

BW: Der erste Vorfall war, als ich nicht zu Hause war, sondern gerade nach Hause ging. Ich habe im Stiegenhaus mehrere Personen stehen gesehen, die sich ein Foto anschauten. Als ich näher kam, wurde ich festgenommen, es waren in dieser Gruppe auch Nachbarn dabei. Die anderen Personen haben sich als Polizisten in Zivil vorgestellt. Ich wurde auf das Polizeikommissariat des Bezirkes S. mitgenommen und dort verprügelt.

 

VL: Wollten die Polizisten irgendetwas von Ihnen wissen?

 

BW: Sie wollten wissen, wo sich mein Bruder S. S. befindet.

 

VL: Wann hat sich dieser erste Vorfall ereignet?

 

BW: Das war ungefähr im Sommer 1997.

 

VL: Wie oft wurden Sie noch von Polizisten festgenommen und misshandelt?

 

BW: Zwischen 1997 und 2000 wurde ich alle 15 bis 20 Tage festgenommen und verprügelt. Ich konnte gar nicht mehr unterscheiden, ob es Polizisten oder Privatpersonen waren.

 

Vorhalt: Vor dem BAA haben Sie vorgebracht, dass Sie auf Polizeistationen regelmäßig von Privatpersonen verprügelt wurden, das erscheint zumindest recht unplausibel. Was sagen Sie dazu?

 

BW: Ich möchte eine Korrektur machen. Der Dolmetscher beim BAA hat mich nicht gut verstanden, er war ein Armenier aus dem Iran.

 

Ich wurde aus der Polizeistation freigelassen, bin ein Stück auf der Straße gegangen und bei der Kreuzung wurde ich wieder geschlagen, von einer Gruppe junger Männer, einer davon war ein Polizist in Zivil, das war die Korrektur die ich machen wollte.

 

VL: Welche Probleme hatten Sie noch mit Privatpersonen?

 

BW: Sonst keine.

 

VL: Hat Sie irgendjemand bedroht oder aufgefordert zu verschwinden?

 

BW: Ich wurde bedroht, sie wollten von mir den Aufenthaltsort meines Bruders erfahren. Man wollte von mir auch erfahren, wo sich das Geld befindet. Private Personen, die nicht wussten, dass mein Vater schon im Gefängnis ist, wollten den Aufenthaltsort meines Vaters wissen. Das Untersuchungsverfahren gegen meinen Vater dauerte ein Jahr. Die Bevölkerung wusste nicht, dass er in Haft ist. Wir wurden geprügelt und geschlagen und auch unser Haus wurde gestürmt. Das dauerte bis zur Hauptverhandlung. Als alle erfahren haben, dass die Hauptverhandlung stattfindet, wollten diese Personen, alles über meinen Bruder erfahren. Ich selbst wusste nicht, wo sich mein Bruder befindet, das wusste nur meine Mutter und die hat es mir nicht gesagt.

 

VL: Haben diese Verfolgungshandlungen mit der Verurteilung Ihres Vaters aufgehört?

 

BW: Nein, das letzte Mal wurde ich Mitte März 2001 verprügelt, dabei erlitt ich einen Gehirnerschütterung und dann war ich gezwungen meine Adresse zu wechseln und war an verschiedenen Orten aufhältig, damit man mich nicht findet.

 

VL: Warum wurden Sie von Polizisten und Privatpersonen misshandelt, wo Sie doch selbst gar nichts mit der Bank zu tun hatten?

 

BW: Man wollte von mir den Aufenthaltsort meines Bruders erfahren und auch, ob irgendwo Geldreserven beiseite geschafft wurden, damit die Leute zu ihrem Geld kamen.

 

VL: Hätten die Probleme die Sie hatten, nicht auch andere Ursache haben können?

 

BW: Ich hatte keine anderen Probleme.

 

VL: Haben Sie, wegen der Übergriffe der Polizisten eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft, das Innenministerium oder eine Menschenrechtsorganisation gerichtet?

 

BW: Ja natürlich, ich habe ein Schreiben an die Organisation für den Schutz der Menschenrechte geschrieben. Ich habe das Schreiben der Staatsanwaltschaft übergeben, damit diese es an die Menschrechtsorganisation weiterleitet. Ich habe mehrere Schreiben eingereicht, aber keine Antwort erhalten.

 

VL: Was war der unmittelbare Anlass Ihrer Ausreise aus Armenien?

 

BW: Es war unmöglich, weiter dort zu leben. Wenn die staatlichen Behörden, seine Bürger nicht mehr schützen und selbst Angriffe unternehmen, ist es nicht mehr möglich dort zu leben.

 

VL: Auf welchem Weg haben Sie Armenien verlassen?

 

BW: Ich bin von Jerewan mit dem Bus in die Ukraine gefahren. Alles andere haben meine Cousins organisiert. Das habe ich bereits erwähnt.

 

VL: Sind Sie legal unter Verwendung Ihrer echten und unverfälschten Personaldokumente aus Armenien ausgereist?

 

BW: Nein, nicht legal. Die Mitarbeiter des Innenministeriums haben mir meine Dokumente abgenommen und ich hatte bei der Ausreise keine Personalausweise mehr.

 

VL: Wie lange haben Sie sich in der Ukraine aufgehalten?

 

BW: Fünf Tage.

 

VL: Wenn Sie im März/April 2001 aus Armenien ausgereist sind, sich fünf Tage in der Ukraine aufgehalten haben und am 11.07.2001 nach Österreich eingereist sind, wo waren Sie in der Zwischenzeit?

 

BW: Es war ein kommerzieller Bus, der Geschäftsreisende transportierte. Ich war am Weg auch fünf Tage in Georgien. Wir waren die ganze Zeit unterwegs, wir waren auch einige Tage in Russland.

 

Über Aufforderung die Aufenthalte genauer anzugeben: Auch in anderen Städten wie S. und S., haben wir uns aufgehalten. Damals hatte ich eine Gehirnerschütterung und kann ich mich an andere Aufenthaltsorte nicht erinnern. An diese Ortschaften erinnere ich mich, weil diese, waren am Meer.

 

VL: Warum hatten Sie Probleme mit österreichischen Behörden?

 

BW: Ich hatte mit österreichischen Behörden keine Probleme. Mein Problem war nur, dass ich in Österreich, in den vier Jahren wo ich hier bin, keine Unterstützung und Sozialhilfe erhalten habe und auch keine Krankenversicherung hatte. Es gab nur ein paar Mal, dass ich unter dem Einfluss von Alkohol Probleme hatte.

 

VL: Was machen Sie jetzt in Österreich?

 

BW: Ich arbeite schwarz.

 

VL: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie nach Armenien zurückkehren würden?

 

BW: Es wird etwas Schweres passieren, ich kann das nicht sagen.

 

VL: Können Sie das nicht näher ausführen?

 

BW: Man wird mich umbringen oder ins Gefängnis stecken.

 

Am Schluss der Verhandlung hielt der Verhandlungsleiter gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Parteien folgende Dokumente vor und räumte eine Frist von zwei Wochen zu einer Abgabe einer Stellungnahme ein.

 

Bescheid des UBAS vom 07.10.2004, Zl. 221.687/0-VIII/22/01, betreffend S. S.

 

Anfrage des BAL an die für Armenien zuständige ÖB von 2001, samt Anfragebeantwortung von 2003

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien des deutschen AA vom 28.12.2004

 

Am 15.12.2005 langte eine Stellungsnahme des Bundesasylamtes ein, in welcher die verspätete Vorlage mit terminlichen Kollisionen begründet wurde. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass die Richtigkeit der Quellen nicht bezweifelt werde, jedoch bei deren Gewichtung untereinander auf die vom Unabhängigen Bundesasylsenat und Verwaltungsgerichtshof entwickelten Grundsätzen zur Aktualität Rücksicht zu nehmen sei. Nach weiterer Vorlage allgemeiner Feststellungen zu Armenien beantragte das Bundesasylamt die Abweisung der Berufung, zumal auf Grund der vorliegenden Unterlagen das Vorbringen hinsichtlich einer aktuellen Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entsprechen könne.

 

Mit Schreiben vom 16.12.2005 erklärte auch der Vertreter des Berufungswerbers eine Zustimmung zu den Länderfeststellungen. Auch gegenüber der beabsichtigten Vorgehensweise, mit einer Entscheidung bis zur Entscheidung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde im Verfahren des Stiefbruders des Antragsstellers abzuwarten, zeigte sich der Berufungswerbervertreter einverstanden.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat beraumte für den 07.04.2008 eine weitere öffentliche mündliche Berufungsverhandlung an, zu der sich das Bundesasylamt entschuldigen ließ. Der Berufungswerber erschien zu der Berufungsverhandlung, die mit jener seiner Mutter verbunden wurden, in Begleitung seines nunmehrigen Vertreters Johannes Kunz, Volkshilfe Österreich. Er erklärte vor dem Verhandlungsleiter ausdrücklich nunmehr nur noch durch die Volkshilfe vertreten zu werden und die an den Verein Sprakuin erteilte Vollmacht zurückzuziehen. Der Berufungswerbervertreter legte eine Sterbeurkunde des Vaters in russischer Sprache, sowie eine Bestätigung des armenischen Justizministeriums über seine Verurteilung und sein Ableben vor. In der Verhandlung wurde eine Dolmetscherin für die armenische Sprache beigezogen.

 

In der Folge führte der Berufungswerbers über Befragen durch den Verhandlungsleiter folgendes aus:

 

VL: Halten Sie Ihr bisheriges Asylvorbringen aufrecht?

 

BW1: Ich halte das ganze aufrecht, nur ich hätte einige Sachen hinzuzufügen.

 

VL: Welcher Weise möchten Sie Ihre Asylgründe ergänzen?

 

BW1: Ich war vor meiner Mutter in Österreich und habe um Asyl angesucht. Aufgrund meiner Aussage wurde meine Asylgründe in Armenien nachrecherchiert, leider wurde es den armenischen Behörden bekannt, dass wir uns in Österreich aufhalten und wir hier um Asyl angesucht haben und zwar nicht nur ich, sondern auch mein Bruder und dessen Familie. Aufgrund dieser Recherchen hatte meine Mutter ernorme Schwierigkeiten in Armenien.

 

VORHALT: Der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid Ihres Bruders S. S., in dem das Vorbringen im Zusammenhang mit der Bank und der aserbaidschanischen Herkunft seiner Frau, auf das sich auch Sie beziehen, als unglaubwürdig erachtet wurde, abgelehnt, was sagen Sie dazu?

 

BW1: Auf was beruht der Beschluss des VwGH, indem uns nicht geglaubt wurde? Ungefähr kann ich mir vorstellen, wie sie zu diesem Entschluss gekommen sind. Der Mann A. B., durch den wir Probleme bekommen haben, die Behörde hat durch durch ihre Vertrauten A. B. befragt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass aufgrund der Aussagen dieser Person, die der Grund für unsere Fluchtgründe waren, zu diesem Entschluss gekommen ist.

 

VL: Was machen Sie hier in Österreich?

 

BW1: Ich tue gar nichts. Wenn ich eine Beschäftigung finden würde, wo ich "schwarz" arbeiten könnte, würde ich das tun, wenn nicht, dann nicht. Eine andere Möglichkeit etwas zu tun, habe ich nicht.

 

VL: Haben Sie besondere Bindungen an Österreich?

 

BW1: Im Moment nein, weil ich mir keine Bindung leisten kann, weil meine Zukunft noch ungewiss ist.

 

VL: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie nach Armenien zurückkehren würden?

 

BW1: Ich kann auf diese Frage mit einer Gegenfrage antworten. Wenn diese Personen, mit denen wir Probleme hatten, zurzeit an der Macht sind, was denken Sie, was mit uns passieren könnte. Vielleicht würde mit mir dasselbe passieren, wie mit meinem Vater, der im Gefängnis gestorben ist.

 

VL: Gibt es noch etwas, was Ihnen für die Begründung Ihres Asylantrages für Wichtig erscheint?

 

BW1: Wenn Sie es nicht für wichtig halten, ein ruhiges und ein glückliches Leben führen zu dürfen, dann habe ich nichts hinzuzufügen. Mein ganzes Leben liegt im Moment in Ihrer Hand.

 

VL an BWV: Haben Sie noch Fragen?

 

BWV: Bezüglich der VwGH - Beschwerde wäre es interessant, den im Gebäude des UBAS anwesenden Hr. S. S. zu befragen, denn er hat mir erklärt, dass es Probleme mit seinem RV gegeben hat.

 

BWV: Keine weiteren Fragen.

 

In der Folge wurde sodann der Bruder des Berufungswerbers, S. S., als Zeuge zu dem seiner Meinung nach dem Grund der Ablehnung seiner Beschwerde gegenüber dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 07.10.2004, Zl. 221.687/0-VIII/22/01 durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshof vom 21.03.2007 befragt.

 

Am Schluss der Verhandlung hielt der Verhandlungsleiter gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Parteien folgende Dokumente vor und räumte eine Frist von vier Wochen zu einer Abgabe einer Stellungnahme ein.

 

Gutachten der länderkundlichen SV des Dr. T. S. vom 10.11.2005

 

Anfragebeantwortung von ACCORD des BAA vom 19.04.2006

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien des deutschen

 

auswärtigen Amtes vom 20.03.2007

 

Bericht zur Fact Finding Mission des BAA und des UBAS vom 01.11.2007, Teil Armenien.

 

Sodann wurde den Verfahrensparteien aufgetragen innerhalb der gleichen Frist, den an die Mutter des Berufungswerbers gerichteten Brief einer Freundin über die Vorgänge im Zusammenhang mit einem Besuch der Polizei sowie allfällige Befunde über psychische oder sonstige Erkrankungen vorzulegen. Auch dem Zeugen wurde in dieser Frist die Möglichkeit gegeben eine schriftliche Darstellung seiner Sichtweise vorzulegen.

 

Am 17.04.2008 langte eine Stellungsnahme des Zeugen zu dem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats zur GZ 221.687/0-VIII/22/01 ein. Darin führte er aus, dass der in dem gegenständlichen Bescheid auf Seite 25 festgestellt worden sei, dass A. G. 1986 zu 12 Jahren Haft verurteilt worden sei. Tatsächlich sei dieser jedoch erst 1996 verurteilt worden, was sich aus der in der Verhandlung vorgelegten Sterbeurkunde ergebe. Des Weiteren sei auf Seite 25 der Name des Stiefsohns des damaligen Berufungswerbers als A. L. G. festgestellt worden sei, obwohl der volle Name A. W. G. laute. Des Weiteren habe die Behörde die Namen A. S., dem früheren Präsidenten der Bank, welcher im Juli 2000 im Gefängnis verstorben sei, mit dem Namen A. G., dem Stiefvater des damaligen Berufungswerbers und Nachfolgers von A. S. als Präsident der Bank, welcher im August 2000 im Gefängnis verstorben sei, vermischt. Diese Verwechslung beruhe, so die Stellungsnahme weiter, vermutlich auf den Aussagen des B. A., welcher offensichtlich die Personen G. und S. vertauscht habe. Angemerkt wurde, dass B. A. an der Liquidation der Bank beteiligt gewesen sei und dadurch bereichter worden sei, sodass er vermutlich kein Interesse an der Aufklärung der damaligen Ereignisse gehabt habe. Nachdem er durch die österreichischen Behörden beauftragt worden sei, sei die Mutter des Berufungswerbers schwer bedroht worden und sei gezwungen gewesen das Land zu verlassen.

 

Mit Schreiben vom 05.05.2008 legte der Berufungswerberverteter einen Bericht von Dr. Mag. C., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie vom Sozialpsychiatrischen Ambulatorium Favoriten vor, aus dem hervorgeht, dass der Berufungswerber an einem paranoid-halluzinatorischen Syndrom bei Posttraumatischer Belastungsstörung leide. Er werde medikamentös vorerst mit Serognel (200mg) behandelt. Er bedürfe psychiatrischer Behandlung und sei reduziert belastbar.

 

Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter wie folgt festgestellt und erwogen:

 

Zur Person des Asylwerbers wird folgendes festgestellt:

 

Der Berufungswerber ist armenischer Staatsangehöriger, gehört der armenischen Volksgruppe an und ist gregorianischen Bekenntnisses. Er wurde 1975 in Jerewan geboren, wo er auch bis zu seiner Ausreise lebte. Nach der zehnjährigen Mittelschule erhielt er keine weitere Ausbildung. Von 1990-1992 arbeitete er als Automechaniker, sodann leistete er bis 1994 seinen Militärdienst ab. Von 1997 bis 2000 war er schließlich als Kellner tätig.

 

Sein Vater, A. V. G. war von 1991 an, Direktor einer Bank, sein Halbbruder mütterlicherseits, S. S., war dessen Stellvertreter. Die Bank wurde 1995 liquidiert und der Vater des Berufungswerbers zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt. Er verstarb 2000 in Haft. Der Berufungswerber selbst war bei der Bank weder angestellt, noch hatte er sonstige geschäftliche Verbindungen zu dieser.

 

Aus welchem Grund der Antragssteller Armenien verlassen hat, konnte nicht festgestellt werden. Eine Verfolgung des Berufungswerbers durch die Gläubiger der Bank oder durch staatliche Stellen konnte ebenso wenig festgestellt werden.

 

Der Berufungswerber leidet unter einem paranoid-halluzinatorischen Syndrom bei Posttraumatischer Belastungsstörung. Er wird derzeit medikamentös mit Serognel (200mg) behandelt und bedarf weitere psychiatrischer Behandlung

 

Zur Situation in Armenien wird zusätzlich zu den Feststellungen des verwaltungsbehördlichen Aktes folgendes festgestellt:

 

Armenien ist die flächenmäßig kleinste Republik der früheren UdSSR. Mit 96 % Armeniern ist es ein ethnisch sehr homogener Staat. Es erlangte die staatliche Unabhängigkeit, die nach einem Referendum am 2. September 1991 proklamiert worden war, mit dem Zerfall der Sowjetunion Ende 1991.

 

Armenien ist eine alte christliche Kulturnation mit eigener Nationalkirche. Während kurzer Perioden im Mittelalter erlangten die Armenier Eigenstaatlichkeit. Von großer Bedeutung im nationalen Bewusstsein ist die Erinnerung an den Völkermord zwischen 1915 - 1918, bei dem bis zu 1,5 Mio Armenier im osmanischen Reich umkamen.

 

Armenien ist Mitglied der GUS. Zu Russland, das als Gegengewicht zur Türkei und dem Iran gesehen wird, besteht eine besondere Affinität.

 

Die Verfassung der Republik Armenien (1995) garantiert in Artikel 15 die Rechtsgleichheit aller Bürger ungeachtet ihrer "nationalen Abstammung, Rasse, Geschlechts, Sprache, Glaubens, politischen oder ander

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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