S7 400.083-1/2008/2E
S7 400.084-1/2008/2E
S7 400.085-1/2008/2E
S7 400.086-1/2008/2E
S7 400.087-1/2008/2E
S7 400.088-1/2008/3E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Lassmann als Einzelrichterin über die Beschwerden
1.) der K.R., 00.00.1960 geb., Staatsangehörigkeit Russland,
gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl 08 03.367
EAST Ost,
2.) der mj. K.E., 00.00.1990 geb., Staatsangehörigkeit Russland, gegen
den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl 08 03.368-EAST Ost,
3.) des mj. K.A., 00.00.1992 geb., Staatsangehörigkeit Russland,
gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl 08 03.369-
EAST Ost,
4.) der mj. K.S., 00.00.1997 geb., Staatsangehörigkeit Russland,
gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl 08 03.370-
EAST Ost,
5.) der mj. K.Z., 00.00.1999 geb., Staatsangehörigkeit Russland,
gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl 08 03. 371-
EAST Ost,
6.) der mj. K.K., 00.00.2003 geb., Staatsangehörigkeit Russland,
gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl 08 03.372-
EAST Ost,
zu Recht erkannt:
Die Beschwerden der K.R., der mj. K.E., des mj. K.A., der mj. K.S., der mj. K.Z. sowie der mj. K.K., werden gemäß §§ 5 und 10 AsylG idF BGBL. I Nr 100/2005 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Beschwerdeführer, alle Staatsangehörige Russlands, reisten nach eigenen Angaben beziehungsweise durch Angabe ihrer gesetzlichen Vertreterin bereits im Mai 2006 gemeinsam mit ihrem Vater beziehungsweise Ehegatten über Weißrussland per Zug nach Polen. In weiterer Folge reisten die Beschwerdeführer mit einem Taxi illegal nach Österreich und stellten am 14.04.2008 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes beziehungsweise durch die Erstinstanz am 15.04.2008, am 27.05.2008 sowie am 29.05.2008 brachte K.R. vor, ihre Angaben würden auch für die fünf weiteren minderjährigen Beschwerdeführer gelten (vgl. Seite 17 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung der Asylanträge der Beschwerdeführer zuständig sei, behauptete deren Mutter im Wesentlichen, sie könnten deshalb nicht nach Polen zurück, da ihnen dort die Abschiebung nach Russland drohe. Sie hätten bereits mehrere negative Bescheide erhalten. Ihr Ehegatte sitze zurzeit in Schubhaft. Außerdem sei die mj. K.E. in Polen von Tschetschenen vergewaltigt worden. Die übrigen Beschwerdeführer seien von Tschetschenen geschlagen worden (vgl. Seite 155 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Die mj. Beschwerdeführer K.E. und K.A. gaben im bei sein ihrer Mutter an deshalb nicht nach Polen zu wollen, da sie eine Abschiebung in ihre Heimat befürchten würden.
Den Beschwerdeführern beziehungsweise deren gesetzlichen Vertreterin, wurde am 18.04.2008 das Führen von Konsultationsverfahren mit Polen mitgeteilt.
Mit Erklärung vom 18.04.2008 übermittelte Polen die Zustimmung zur Rückübernahme der Beschwerdeführer K.R., K.A., K.S., K.Z., K.K., gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).
Mit Erklärung vom 23.04.2008 übermittelte Polen auch die Zustimmung zur Rückübernahme der mj. Beschwerdeführerin K.E., gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).
Die von Dr. med. D. durchgeführten Untersuchungen der Beschwerdeführer K.E., K.A. und K.R. hatten zum Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht eine psychische Störung, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, nicht festgestellt werden konnte.
Mit den Bescheiden vom 11.06.2008, Zln. 08 03.367-EAST Ost, betreffend K.R., 08 03.368-EAST Ost, betreffend K.E., 08 03.369-EAST Ost, betreffend K.A., 08 03.370-EAST Ost, betreffend K.S., 08 03. 371-EAST Ost, betreffend K.Z., 08 03.372-EAST Ost, betreffend K.K., wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in letztgenannten Mitgliedstaat gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.
Gegen diese Bescheide richtet sich die mit Schriftsatz vom 20.06.2008 fristgerecht eingebrachte Beschwerde der Beschwerdeführer.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Die Identität der Beschwerdeführer steht mangels Vorlage eines als unbedenklich zu qualifizierenden Personaldokuments nicht eindeutig fest. Die Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde zur Asylantragstellung der Beschwerdeführer in Polen vor deren illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zu deren Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich am 14.04.2008 nach ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet, welche mit den Angaben der Beschwerdeführer beziehungsweise deren gesetzlichen Vertreterin im erstinstanzlichen Verfahren und dem Akteninhalt übereinstimmen, werden der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Festgestellt wird weiters, dass am 16.04.2008 seitens Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Polen gestellt wurde. Polen stimmte mit Schreiben vom 18.04.2008, beziehungsweise 23.04.2008 diesem Wiederaufnahmeersuchen Österreichs zu und erklärte sich zur Rückübernahme der Beschwerdeführer bereit.
Im Rahmen einer Routineuntersuchung, wurden bei der mj. K.K. Herzgeräusche und in weiterer Folge eine Mitalklappeninsuffizienz diagnostiziert. Es wurde ihr sogleich ein Herzpass ausgestellt. Eine OP-Indikation besteht aus medizinischer Sicht nicht, jedoch wurde eine Echo-Kontrolle nach drei Monaten empfohlen.
Nicht festgestellt werden kann, dass ein Familienleben der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 8 EMRK zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich besteht.
Zwar behauptet die mj. Beschwerdeführerin K.E., sie habe am 00.00.2008 geheiratet, jedoch konnte sie diese Behauptung in keinster Weise durch Dokumente stützen. Nach einer Heiratsurkunde gefragt erwiderte sie: "Wir haben nach unseren Gesetzen geheiratet (vgl. Seite 77 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Dass tatsächlich ein Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem angeblichen Ehegatten stattfindet ist höchst unglaubwürdig, war sie doch nicht einmal in der Lage, gefragt nach ihrem Gatten, dessen Nachnamen richtig zu nennen und gab sie an, dieser sei "S.". Ihre Mutter, berichtigte und deponierte, dass der Mann "S." heiße. Ebensowenig war K.E. das Geburtsdatum und die Adresse ihres Ehemannes bekannt (vgl. Seite 67 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).
Den Begründungsversuch der K.R., das lückenhafte Gedächtnis ihrer Tochter sei unter anderem auf die Vergewaltigung zurückzuführen ist als absolut untauglich zu qualifizieren. Zudem sei festgehalten, dass K.E. während des gesamten Verfahrens eine stattgefundene Vergewaltigung ihrer Person in Polen mit keinem Wort erwähnte oder anklingen ließ.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG trat das Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005, mit 01. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I Nr. 76/1997, tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG).
Da gegenständliche Anträge am 14.04.2008 gestellt wurden, ist das Asylgesetz 2005 anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß Absatz 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des
Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (§ 5 Abs. 2 AsylG). Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet (§ 5 Abs. 3 AsylG).
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Ausweisungen sind nach Absatz 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden (§ 10 Abs. 2 AsylG). Wenn die Durchführung einer Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist (§ 10 Abs. 3 AsylG). Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Wird gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen, hat der Asylgerichtshof der Beschwerde binnen sieben Tagen ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (§ 37 Abs. 1 AsylG). Bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung nach § 5 verbunden ist, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechtes Bedacht zu nehmen (§ 37 Abs. 2 AsylG). Über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Absatz 1, der in Bezug auf die Ausweisung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, hat der Asylgerichtshof binnen zwei Wochen zu entscheiden (§ 37 Abs. 3 AsylG). Ein Ablauf der Frist nach Absatz 1 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 37 Abs. 4 AsylG).
Laut Art. 3 Abs. 2 erster Satz der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
In den Art. 5ff der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet, wie folgt:
"Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Asylwerber - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich zum Zeitpunkt der Antragstellung zuvor während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. "
Die Beschwerdeführer reisten von einem Drittland kommend über Polen weiter nach Österreich. Aufgrund differenzierender Angaben der K.R., die Reiseroute betreffend, welche auch für die restlichen Beschwerdeführer Geltung haben (zunächst behauptete sie, sie sei legal ausgereist und gab sie kurz darauf an, illegal in Polen eingereist zu sein), können die Umstände der Einreise nach Polen nicht festgestellt werden. Auch haben sich die sechs Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung zuvor während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat, nämlich Polen, aufgehalten, sodass gem. Art. 10 Abs. 2 leg. cit. Polen zur Prüfung der Asylanträge zuständig ist.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend auszuführen, dass selbst für den Fall, dass die sich aus Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ergebende Zuständigkeit Polens für die Prüfung der Asylanträge nicht bestünde, letztlich gem. Art 13 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Polens zur Prüfung der Asylanträge gegeben wäre, da die Beschwerdeführer zuerst in Polen Asylanträge stellten und Art. 13 normiert, dass, falls sich anhand der Kriterien der Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist.
Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag sich noch im Prüfungsstadium befindet und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.
Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist gemäß ihrem Art. 29 auf Asylanträge anwendbar, die ab 01.09.2003 gestellt werden.
Dem Bundesasylamt ist nun darin beizupflichten, dass die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen sind. Denn einerseits ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 10 Abs. 2 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates. Andererseits kann aus folgenden Gründen nicht angenommen werden, dass Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen:
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 15.10.2004, G 237/03 u. a.; 17.6.2005, B 336/05) sieht die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen kann (Art. 3 Abs. 2). Er wird damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht war schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen. Der EGMR hat zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (7.3.2000, 3844/98 - T.I. gegen Vereinigtes Königreich; 12.1.1998, 32829/96 - Iruretagoyena gegen Polen; 5.2.2002, 51564/99 - Conka gegen Belgien). Im Erkenntnis VfSlg. 16.122/2001 hatte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art. 3 Abs. 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinn des § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 [sei] durch die Heranziehung des Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden". Der Verfassungsgerichtshof ging im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates davon aus, dass diese zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zutreffen.
Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 26.7.2005, 2005/20/0224) ist bei der Beurteilung des sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Erfordernisses der Bedachtnahme auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung maßgeblich, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge eine - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - ausreichend substantiierte "reale Gefahr" ("real risk") besteht, ein auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. In diesem Zusammenhang käme Berichten über derartige, den Zielstaat betreffende Vorkommnisse ebenso maßgebliche Bedeutung zu wie diesbezüglich negativen Erfahrungswerten.
Bezogen auf den vorliegenden Fall, gelangt die erkennende Behörde, ausgehend von den Sachverhaltsfeststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführer und zu deren Asylantragstellung in Polen vor deren illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet, zur Auffassung, dass im angefochtenen Bescheid zu Recht von der Zuständigkeit der polnischen Behörden zur Prüfung des Antrages auf internatonalen Schutz ausgegangen wurde. Die Beschwerdeführer haben aus einem Drittstaat kommend die Landgrenze des Mitgliedstaates Polen auf eine nicht mit Sicherheit feststellbare Weise überschritten und war es ihnen in weiterer Folge bereits möglich, in Polen Asylanträge zu stellen. Demnach ist gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 die Zuständigkeit Polens zur Prüfung ihrer Asylanträge gegeben.
Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist Polen als zuständiger Mitgliedstaat gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag sich noch im Prüfungsstadium befindet und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.
Am 16.04.2008 wurde seitens Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Polen gestellt. Polen stimmte mit Schreiben vom 18.04.2008 beziehungsweise vom 23.04.2008 dem Wiederaufnahmeersuchen Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zu und erklärte sich zur Rückübernahme der sechs Beschwerdeführer bereit.
In der sich gegen den angefochtenen Bescheid richtenden Beschwerde, thematisieren die Beschwerdeführer im Wesentlichen eine durch oberflächlich geführte Interviews ergangene mangelhafte Ermittlung. Zudem wird das bereits Vorgebrachte größtenteils wiedergegeben und beinhaltet die Beschwerde weiters einige aneinander gereihte Ausschnitte von Länderberichten. Ebenso wird in der Beschwerde die medizinische Versorgung der Asylwerber in Polen bemängelt. Erwähnt wird weiters, dass dem Großteil der tschetschenischen Asylwerber in der Vergangenheit kein Flüchtlingsstatus sondern lediglich eine "Duldung" gewährt worden sei.
Dem Vorwurf des oberflächlich geführten Interviews ist entgegenzuhalten, dass den Beschwerdeführern beziehungsweise deren gesetzliche Vertreterin im Zuge der erstinstanzlichen Einvernahmen ausreichend Zeit und Gelegenheit geboten wurde, ihre Fluchtgründe ins Treffen zu führen und ihre Situation darzulegen.
Die erkennende Behörde gelangt insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht. Auch mit dem Beschwerdevorbringen, gelang es den Beschwerdeführern nicht, dem in § 5 Abs. 3 AsylG normierten Erfordernis, besondere Gründe, die in ihrer Person gelegen sind, glaubhaft zu machen; solche, für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechenden Gründe sind auch nicht bei der Behörde offenkundig, sodass in Folge dieser gesetzlichen Bestimmung davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführer in einem Staat nach Absatz 1 Schutz vor Verfolgung finden. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass es sich im Falle Polens um einen Rechtsstaat mit funktionierender Staatsgewalt handelt und sich die Beschwerdeführer im Falle eventueller Bedrohung oder Übergriffe auf ihre Person, sowie etwa die angebliche Vergewaltigung der mj. K.E., welche im übrigen in jedem Land möglich ist, an diese wenden und von dieser Schutz erwarten könnte. Insgesamt kann somit ausgeführt werden, dass sich auch aus der Rechtsprechung des EGMR eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Polen keinesfalls erkennen lässt und im übrigen die Mitgliedsstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige gelten. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von den Beschwerdeführern bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführer etwa im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in ihr Heimatland, also nach Russland, zurückgeschoben werden könnte. Des Weiteren haben Asylwerber in Polen in Übereinstimmung mit der EU-Aufnahmerichtlinie 2003/9/EC vom 27.01.2003 das Recht auf Unterbringung bzw. eine alternative Unterstützung sowie Zugang zu den vorhandenen Versorgungseinrichtungen. Dass der Verlauf der Herzerkrankung der mj K.K. in Polen nicht regelmäßig überprüft werden könnte, ist mit Sicherheit nicht zu besorgen.
Somit ergibt sich aus den Sachverhaltsfeststellungen, dass in Polen sowohl asylrechtlicher Schutz als auch Refoulement-Schutz gewährleistet ist und Polen der Wiederaufnahme der sechs Beschwerdeführer ausdrücklich zugestimmt hat.
Die erkennende Behörde kann auch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass durch die Rückschiebung der Beschwerdeführer nach Polen etwa eine Verletzung von Art. 8 EMRK drohen würde. Da solcherart keine Verletzung von Bestimmungen der EMRK zu befürchten ist, bestand auch keine Veranlassung der österreichischen Asylbehörden, von dem in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vorgesehenen Selbsteintrittsrechts Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung der Asylanträge vorzunehmen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. ist Folgendes festzuhalten:
Es sind keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, da weder ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Beschwerdeführer in Österreich über Verwandte i. S. d. Art. 8 EMRK verfügen. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ersichtlich. Bezüglich des in den Erkenntnisspruch aufgenommenen Ausspruches über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Polen wird bemerkt, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG schon von Gesetzes wegen stets als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
Somit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. abzuweisen.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.