S2 400.104-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer- Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde der C.S., geb. 00.00.1982, angegebene StA: Libanon, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2008, Zahl 08 04.168- EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1 iVm 10 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin (angegebene Staatsangehörigkeit: Libanon), gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in Begleitung von Ehegatten und zwei Kindern in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 12.05.2008 bei der Erstaufnahmestelle Ost für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie an, sie sei verheiratet und gemeinsam mit ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern aus dem Libanon über Budapest mit dem Zug in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Für Kroatien hätten sie ein gültiges Visum gehabt. Sie sei schwanger. Die Frage nach der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Staat verneinte die Beschwerdeführerin. Sie legte einen libanesischen Reisepass vor, in dem auch ein Visum für Kroatien sowie eine Totalfälschung eines belgischen Aufenthaltstitels enthalten war.
Zum Fluchtgrund erklärte die Beschwerdeführerin: "Ich gehöre der palästinensischen Minderheit an und habe im Libanon keine Rechte. Es herrscht Bürgerkrieg im Libanon. Dadurch fürchte ich um die Sicherheit meiner Kinder".
Am 19.05.2008 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen und dass seit 15.05.2008 Konsultationen mit Ungarn geführt würden (AS 69). Mit Schreiben vom 03.06.2008, übermittelt am 04.06.2008, erklärte sich Ungarn zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 10 Abs. 1 der Dublin II-VO bereit (AS 107).
Im Verlauf einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 12.06.2008 in Anwesenheit eines Rechtsberaters bestätigte die Beschwerdeführerin zunächst die Angaben aus der Erstbefragung und machte ergänzend zusammengefasst folgende Angaben:
Alle von ihr gemachten Angaben würden auch für ihre Kinder gelten, diese hätten keine eigenen Fluchtgründe. Sie fühle sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen. Sie habe keine Verwandten in der EU, in Norwegen oder Island zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestünde. Sie sei im 6. Monat schwanger. Der Arzt habe ihr mitgeteilt, dass das Kind im Zeitraum von Mitte September bis Mitte Oktober 2008 zur Welt käme. Ihre Lage würde ihr nicht erlauben, noch mal in ein anderes Land zu gehen und von neuem anzufangen. Weiters legte sie Kopien der Geburtsurkunden ihrer ganzen Familie sowie eine Heiratsurkunde vor.
2. Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenem Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin ohne in der Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: "Dublin II-VO"), Ungarn zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen, und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ungarn zulässig sei. Die Erstbehörde traf in diesem Bescheid ausführliche Feststellungen zum ungarischen Asylverfahren, zur Praxis des Non- Refoulement- Schutzes und der Ausweisung und zur Versorgung von Asylwerbern in Ungarn.
Begründend wurde hervorgehoben, dass die Antragstellerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht habe, dass sie tatsächlich Gefahr liefe, in Ungarn Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder ihr eine Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Die Antragstellerin hätte in keinster Weise nachvollziehbare Gründe genannt, welche ihre Angaben, ihr Verfahren nicht in Ungarn führen zu wollen, substantiiert untermauern würden. Die Asylwerberin leide weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch an einer psychischen Erkrankung. Für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO gebe es keinen Anlass.
Hinsichtlich Ihrer Angaben, dass sie aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht noch mal in einem anderen Land neu anfangen könne, werde auf die Feststellungen zu einer ausreichenden medizinischen Versorgung von Asylwerbern in Ungarn verwiesen.
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 17.06.2008, eingelangt am 25.06.2008 auf dem Faxwege Beschwerde erhoben, die samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt am 07.07.2008 beim Asylgerichtshof einlangte. Darin wird im Wesentlichen behauptet, dass Ungarn keine ausreichende medizinische Versorgung für Kinder und Menschen mit psychischen Problemen bieten würde. Sie sei im 6. Monat schwanger. Weiters sei die ganze Familie mit kleinen Kindern unterwegs. Die belangte Behörde hätte zumindest ermitteln müssen, ob die medizinische Versorgung der Beschwerdeführerin bei einer Überstellung nach Ungarn gewährleistet wäre, wo die Familie in Ungarn untergebracht würde und in welchem Zustand diese Unterkunft sich befinde. Die Ausweisung der im 6. Monat schwangeren Beschwerdeführerin stelle somit einen Verstoß gegen Artikel 3 EMRK dar. Weiters sei nicht auszuschließen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin in Ungarn in Schubhaft genommen werden würde. Weiters wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4. Ein vorläufiger Arztbrief des Thermenklinikums Baden ergibt als Entlassungsdiagnose "Grav III 23.+1SSW" (erg.: dritte Schwangerschaft, 23+1 Schwangerschaftswoche), sowie eine "Hydronephrose Grad I bis II bds" (erg.: Wassersackniere), schlägt eine konservative Therapie mit Magnosolv (erg.: einem Magnesiumpräparat) vor und empfiehlt eine Kontrolle bei einem FA für Frauenheilkunde in zwei Wochen (AS 193). Anhaltspunkte für eine Risikoschwangerschaft oder ein akutes Behandlungserfordernis sind dem Akt nicht entnehmbar.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin reiste aus Beirut kommend mit dem Flugzeug über Istanbul nach Zagreb, von dort mit dem Zug illegal nach Ungarn und von dort in das österreichische Bundesgebiet ein. In Österreich stellte sie, ihr Ehemann und ihre beiden Kinder am 12.05.2008 Anträge auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin verfügt in den Mitgliedstaaten der Dublin II-VO - außer den mitgereisten Familienmitgliedern - über keine Verwandten. Ein sie betreffendes Asylverfahren ist in Ungarn nicht anhängig. Die Beschwerdeführerin befindet sich etwa in der 27. Schwangerschaftswoche, Anhaltspunkte für eine Risikoschwangerschaft bzw. eine Transportgefahr im Falle einer Überstellung nach Ungarn sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin iZm der damit im Einklang stehenden Aktenlage.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz im März 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 zur Anwendung gelangt.
3.2. Zur Frage der Zuständigkeit eines anderen Staates (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
a) Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.
Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO sieht vor, wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylwerber aus einem Drittstaat kommend die Land-See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertrittes.
Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes, wonach die Beschwerdeführerin in die EU erstmals im Wege Ungarns illegal eingereist und sich sogleich weiter nach Österreich begeben und sie weiter auch keine "Familienangehörigen" (iSd Art 7 iVm Art 2 lit i Dublin II-VO) in Österreich hat, kommt nach der Rangfolge der Kriterien der Dublin II-VO der von der Erstbehörde zu Recht herangezogene Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO als zuständigkeitsbegründende Norm in Betracht. Ungarn hat auch auf Grundlage dieser Bestimmung seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Übernahme der Beschwerdeführerin und Behandlung ihres Antrages bereit erklärt.
Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist im übrigen im Verfahren nicht bestritten worden.
b) Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.
Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II-VO).
Des Weiteren hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile"- Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen. Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II-VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären. Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
aa) Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK: Es leben (mit Ausnahme der mitgereisten Ehegatten und zwei Kinder, deren Asylverfahren unter einem geführt werden) keine Familienangehörigen der Beschwerdeführerin in Österreich. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11). Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Eine Verletzung des Art. 8 EMRK ist daher nicht ersichtlich.
bb) Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK: In diesem Zusammenhang beruft sich die Beschwerdeführerin auf ihre Schwangerschaft und bringt vor, die Behörde hätte "zumindest zu ermitteln gehabt, ob und welche medizinische Versorgung" die schwangere Beschwerdeführerin bei einer Überstellung nach Ungarn erhalten würde sowie Ort und Zustand der Unterbringung der Familie, zumal die Erstbehörde selbst "mangelhafte Versorgung auf medizinischer Ebene und mangelnde adäquate Unterbringungsmöglichkeiten" anführe.
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II-VO auszuüben wäre.
In diesem Zusammenhang ist vorerst auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK zu verweisen:
GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06
AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05
PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03
RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03
HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05
OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04
AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04
NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03
Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:
Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine sei kein ausreichendes "real risk".
Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07).
Dies trifft indes im Beschwerdefall in keinster Weise zu: Abgesehen davon, dass eine Schwangerschaft an sich nicht als Krankheit angesehen werden kann und die Beschwerdeführerin offenkundig im Zustand ihrer Schwangerschaft bereits eine weitere Reise als die von Österreich nach Ungarn unbeschadet überstanden hat, sodass ein Risiko durch die Reisebewegung für sich genommen nicht nahe liegt, ist bei der Beschwerdeführerin nach den getroffenen Feststellungen keine Risikoschwangerschaft gegeben und es besteht nach dem bisherigen Verfahrensstand auch kein aktueller medizinischer Behandlungsbedarf. Es ist daher selbst bei Zutreffen des Vorbringens, wonach die medizinische Versorgung sowie die Unterbringung der Familie im Zielstaat Ungarn gemessen an österreichischen Verhältnissen schlechter sein sollte, nicht erkennbar, dass durch die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Ungarn eine die Schwelle des Art. 3 EMRK überschreitende Gefährdung der Beschwerdeführerin zu befürchten wäre. Nochmals ist in diesem Zusammenhang - wie von der Erstbehörde zutreffend ausgeführt - darauf zu verweisen, das Asylwerber in Ungarn vollen Zugang zum nationalen Gesundheitssystem haben, wobei keine diesbezüglichen Kosten anfallen. Das ungarische Asylgesetz vom 25.06.2007 schreibt vor, dass es in jedem Aufnahmezentrum eine Krankenstation geben muss.
Zusammengefasst stellt daher eine strikte Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs und die damit verbundene Überstellung der Beschwerdeführerin nach Ungarn keinesfalls ein "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 8 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.
3.3. Zur Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Ungarn (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Zu diesem Spruchpunkt sind im Beschwerdefall keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, zumal weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Beschwerdeführerin in Österreich über - die erwähnten Familienmitglieder hinausgehende - Verwandte verfügt. Darüber hinaus sind, wie bereits oben zur allfälligen Verpflichtung zum Selbsteintritt ausgeführt - auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG anzunehmen, zumal die Geburt aktuell (noch) nicht unmittelbar bevorsteht und eine angemessen kurze Überstellungsfahrt nach Ungarn in diesem Schwangerschaftsstadium keinesfalls unzumutbar ist.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.