TE Vwgh Erkenntnis 2001/3/23 98/19/0014

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2001
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
ZustG §17 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/19/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerden des am 29. Juni 1974 geborenen DM in M, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143,

1.) gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über eine Berufung gegen die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages in Angelegenheiten des Aufenthaltsgesetzes (hg. Zl. 98/19/0014) zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 und 71 AVG wird der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Jänner 1997, Zl. MA 62-9/2027433/3, dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. September 1996 als unbegründet abgewiesen wird; im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2.) gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. August 1997, Zl. 307.748/2-III/11/97, in der Fassung des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1997, Zl. 307.748/9-III/11/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten des Aufenthaltsrechtes (hg. Zl. 98/19/0095), zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Jugoslawiens, welcher zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 23. Jänner 1996 verfügte, beantragte am 16. Jänner 1996 deren Verlängerung. Im Antrag gab er als Wohnadresse eine näher genannte Adresse im 7. Wiener Gemeindebezirk an.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 20. September 1996 diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels eines gesicherten Lebensunterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung ab. Nach dem Inhalt des im Akt erliegenden Rückscheines wurde dieser an die vom Beschwerdeführer während des Verfahrens genannte Abgabestelle adressierte Bescheid nach einem erfolglosen Zustellversuch vom 1. Oktober 1996 beim Postamt 1070 Wien hinterlegt. Die Sendung gelangte am 23. Oktober 1996 an die Behörde erster Instanz als nicht behoben zurück.

Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 1996, eingelangt bei der Behörde erster Instanz am 23. Dezember 1996, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid Berufung und brachte vor, er habe sich zur Zeit der Zustellung und Hinterlegung des bekämpften Bescheides "nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten und dort keine Abgabestelle gehabt." Seine an dieser Anschrift wohnende Freundin habe ihm niemals die Hinterlegungsanzeige übergeben, obwohl diese regelmäßig ihren Hausbriefkasten ausgehoben und er selbst spätestens eine Woche nach der Hinterlegung nachgefragt habe. Aus diesem Grunde müsse davon ausgegangen werden, dass entweder der Zusteller keine Hinterlegungsanzeige zurückgelassen, oder ihm seine Freundin über diese keinerlei Information erteilt bzw. ihm den Umstand der Zustellung und der Hinterlegung des bekämpften Bescheides verschwiegen und ihm daher die Möglichkeit seiner Kenntnisnahme davon entzogen habe. Als Bescheinigungsmittel für dieses Vorbringen nannte der Beschwerdeführer seine Einvernahme, sowie die Aussagen seiner Freundin und einer weiteren Auskunftsperson. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, die Hinterlegung des bekämpften Bescheides sei daher nicht rechtswirksam gewesen. Weil ihm am 13. Dezember 1996 von der Erstbehörde eine Bescheidausfertigung ausgefolgt worden sei, laufe die Berufungsfrist seit diesem Tag.

Für den Fall, dass die Behörde eine wirksame Hinterlegung annehme, erstatte er die obigen Ausführungen unter dem Gesichtspunkt, dass er wegen eines ihm nicht vorwerfbaren Hindernisses, nämlich des Umstandes, dass er von der Hinterlegungsanzeige des bekämpften Bescheides keine Kenntnis erlangt habe, obwohl er sich während seiner Abwesenheit aktiv und regelmäßig um die Kenntnisnahme bemüht habe, die Berufungsfrist gegen diesen Bescheid versäumt habe. Dieses Hindernis sei erst bei einer Vorsprache bei der Erstbehörde am 13. Dezember 1996 weggefallen. Er stelle daher auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid vom 20. September 1996.

Die Behörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 20. Jänner 1997 den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist gegen "den Bescheid vom 20. August 1994" (gemeint wohl: vom 20. September 1996) gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass bei der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsunwirksamkeit einer Zustellung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf sei, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden könne.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 5. Februar 1997 eine am 10. Februar 1997 bei der Behörde erster Instanz eingelangte Berufung, in der er sein Vorbringen in der mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Berufung (wortgleich) wiederholte. Er bekräftigte nochmals, sich "an der von ihm genannten Adresse nicht regelmäßig aufgehalten und dort keine Abgabestelle gehabt" zu haben. Schließlich brachte er vor, diese Umstände würden nur vorsichtshalber als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, seine Auffassung decke sich mit derjenigen der angerufenen Behörde, wonach die Zustellung an sich nicht wirksam erfolgt sei.

Mit Schriftsatz vom 13. Jänner 1998 (eingelangt beim Verwaltungsgerichtshof am 20. Jänner 1998) machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde über diese Berufung geltend (diese Beschwerde wurde zur hg. Zl. 98/19/0014 protokolliert).

Der Verwaltungsgerichtshof leitete über diese Säumnisbeschwerde das Vorverfahren ein und forderte die belangte Behörde auf, den versäumten Bescheid binnen dreier Monate zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 28. Juli 1998 legte der Bundesminister für Inneres, ohne den Bescheid erlassen zu haben, dem Verwaltungsgerichtshof die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

In der Zwischenzeit hatte der Beschwerdeführer der Berufungsbehörde mit Schriftsatz vom 4. Juli 1997 eine Bestätigung über ein aufrechtes Beschäftigungsverhältnis und das daraus resultierende Einkommen übermittelt.

Schließlich wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 26. August 1997 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 20. September 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück und begründete dies damit, dass dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Juli 1997 vorgehalten worden sei, dass nach Erhebung beim zuständigen Hauptpostamt eine Hinterlegungsanzeige ordnungsgemäß im Hausbrieffach zurückgelassen worden sei. Am 12. August 1997 sei per Fax dazu Stellung bezogen und behauptet worden, dass sich keine Hinterlegungsanzeige im Hausbrieffach befunden habe. Im Hinblick auf das Erhebungsergebnis des Hauptpostamtes sei eine Hinterlegungsanzeige zurückgelassen (erg.: worden). Die verspätet eingebrachte Berufung sei daher zurückzuweisen gewesen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 1997 wurde der Bescheid vom 26. August 1997 hinsichtlich eines Schreibfehlers in der Begründung, betreffend das Einbringungsdatum der Berufung, von Amts wegen berichtigt.

Gegen den die Berufung zurückweisenden Bescheid in der berichtigten Fassung richtet sich die vorliegende, zu hg. Zl. 98/19/0095 protokollierte Bescheidbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges verbundenen Beschwerden erwogen:

In seiner Berufung gegen den Bescheid vom 20. September 1996 behauptete der Beschwerdeführer, er habe sich im Zeitpunkt der Zustellung und Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten bzw. dort keine Abgabestelle gehabt. Eine Freundin habe dort gewohnt, ihm aber trotz regelmäßiger Kontrolle ihres Briefkastens keine Hinterlegungsanzeige übergeben. Aus Gründen der prozessualen Vorsicht verwies er für den Fall, dass die Behörde eine wirksame Hinterlegung annehme, im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrages darauf, von einer Hinterlegungsanzeige trotz aktiver und regelmäßiger Bemühungen um Kenntnisnahme keine Kenntnis erlangt zu haben; dieses Hindernis sei erst bei einer Vorsprache bei der Erstbehörde am 13. Dezember 1996 weggefallen. Die Berufung gegen den (den Wiedereinsetzungsantrag abweisenden) Bescheid vom 20. Jänner 1997 erschöpft sich in der Wiederholung des (im Schriftsatz vom 18. Dezember 1996 nur hinsichtlich der Berufung geltend gemachten) Vorbringens, der Beschwerdeführer habe sich im Zeitpunkt der Zustellung und Hinterlegung nicht regelmäßig an seiner Abgabestelle aufgehalten und dort keine Abgabestelle gehabt. Der Beschwerdeführer schließt sich sodann der "Rechtsansicht" der Behörde erster Instanz an, wonach die Zustellung des Bescheides vom 20. September 1996 nicht rechtswirksam erfolgt sei.

Es kann dem Beschwerdeführer auch vor dem Hintergrund des Inhaltes der Berufung nicht unterstellt werden, er wolle in seinem Wiedereinsetzungsantrag einen "Eventual-Sachverhalt" behaupten, der von der Darstellung des der Berufung zu Grunde liegenden Sachverhaltes abweicht. Lediglich für den Fall abweichender rechtlicher Beurteilung (sollte die Behörde also von der Rechtswirksamkeit der Zustellung ausgehen) sollten dieselben Tatsachenbehauptungen auch dem Antrag auf Wiedereinsetzung zu Grunde gelegt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof geht daher in weiterer Folge in beiden Beschwerdefällen von den Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers aus, wonach er nicht bzw. nicht regelmäßig an der Abgabestelle anwesend gewesen sei und sich fallweise hinsichtlich allfälliger Poststücke bei der dort wohnenden Freundin informiert habe.

1.) Zur Säumnisbeschwerde betreffend die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages (hg. Zl. 98/19/0014):

Die belangte Behörde hat über die am 10. Februar 1997 bei ihr eingelangte Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Jänner 1997 nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden. Auch die vom Verwaltungsgerichtshof gesetzte Nachfrist verstrich ungenützt. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher zur Sachentscheidung über die Berufung zuständig geworden.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Ausgehend von der oben dargestellten Sachverhaltsdarstellung des Beschwerdeführers erweist sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet. Eine solche Bewilligung setzt nämlich voraus, dass überhaupt eine Frist versäumt wurde. Wurde keine Frist versäumt, ist einem Wiedereinsetzungsantrag schon aus diesem Grund nicht stattzugeben (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0864, u.a.). Eine Versäumung kann aber nicht eintreten, wenn die Zustellung des Bescheides nicht rechtswirksam, d.h. nicht unter Einhaltung der Bestimmungen des Zustellgesetzes erfolgt ist. Ist ein Zustellvorgang gesetzwidrig, die Zustellung daher nicht rechtswirksam, so ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden kann (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0864, und vom 20. Mai 1999, Zl. 99/20/0069). Erfolgsvoraussetzung eines Antrages auf Wiedereinsetzung ist daher jedenfalls die Behauptung eines Sachverhaltes, aus dem sich rechtlich beurteilt eine Fristversäumnis ergibt.

Hatte der Beschwerdeführer aber - wie er selbst im Antrag und in der Berufung vorbringt - gar keine Abgabestelle (mehr) an der ursprünglich von ihm genannten Wohnadresse oder war er tatsächlich nicht regelmäßig dort anwesend, so hätte die Sendung nicht gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) durch Hinterlegung zugestellt werden dürfen, eine dennoch erfolgte Hinterlegung hätte keine Rechtswirkungen entfaltet. Im erstgenannten Fall könnten zwar die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 ZustG vorgelegen sein. Eine wirksame Zustellung nach dieser Gesetzesbestimmung hätte aber gemäß § 23 Abs. 1 ZustG eine entsprechende Verfügung der Behörde vorausgesetzt. Ergab sich aus dem Tatsachenvorbringen des Beschwerdeführers somit selbst, dass keine Fristversäumung vorliegt, weil der die Frist auslösende Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war, kommt schon aus diesem Grund eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Die Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 71 Abs. 1 AVG als unbegründet abzuweisen, wobei anlässlich der Berufungsentscheidung das offenbar auf ein Versehen beruhende Fehlzitat des Datums des erstinstanzlichen Bescheides (Bescheid vom 20. August 1994 statt richtig: 20. September 1996) im Spruch entsprechend richtig zu stellen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 55 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Stempelgebühren, von deren Ersatz der Beschwerdeführer befreit worden war.

2.) Zur Bescheidbeschwerde betreffend die Zurückweisung der Berufung gegen den Bescheid vom 20. September 1996 als verspätet (hg. Zl. 98/19/0095):

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde die verfahrensgegenständlichen Akten trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 und 3 VwGG nicht vollständig vorlegte. So fehlt insbesondere der den Schriftverkehr vom Juli und August 1997 dokumentierende Aktenbestandteil über die Erhebung der Zustellungsmodalitäten beim zuständigen Postamt, den Vorhalt an den Beschwerdeführer und dessen Antwortschreiben. Allerdings wird dieser Vorgang und der Inhalt der genannten Schriftstücke vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die Beschwerde erweist sich dennoch als begründet.

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die Hinterlegung mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1996 überhaupt Rechtswirkungen entfalten konnte oder nicht. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich vorgebracht, er habe sich im Zeitpunkt der Hinterlegung an der Abgabestelle nicht bzw. nicht regelmäßig aufgehalten, die Wohnung sei vielmehr zu diesem Zeitpunkt von einer Freundin bewohnt worden. Zum Beweis dafür nannte er neben seiner Einvernahme die zweier Zeuginnen.

Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid nicht erkennbar befasst. So ist der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde legte, insbesondere fehlen Feststellungen dazu, ob die genannte Wohnung des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Hinterlegung unverändert als Abgabestelle anzusehen bzw. ob der Beschwerdeführer an dieser regelmäßig anwesend war.

Ohne diesbezügliche Feststellungen ist der Verwaltungsgerichtshof aber nicht in der Lage, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit hin zu überprüfen. Träfe nämlich die Behauptung des Beschwerdeführers zu, wonach er sich im Zeitpunkt der Zustellung an der genannten Adresse nicht regelmäßig bzw. gar nicht aufgehalten habe, so wäre eine Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 1 AVG (entweder wegen des Nichtvorliegens einer Abgabestelle oder wegen nicht regelmäßiger Anwesenheit an dieser) nicht zulässig gewesen und hätte keine Rechtswirkungen entfaltet. Ob eine Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG im erstgenannten Fall geboten gewesen wäre, braucht - wie oben bereits dargelegt - im vorliegenden Fall nicht geprüft zu werden, weil die belangte Behörde von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat.

Hätte aber die Hinterlegung keine Rechtswirkungen entfaltet, gälte der Zeitpunkt des Zukommens des Bescheides anlässlich einer Vorsprache bei der Behörde erster Instanz am 13. Dezember 1996 als Tag der Zustellung des Bescheides erster Instanz. Diesfalls wäre aber die Feststellung der belangten Behörde, der Bescheid sei schon am 1. Oktober 1996 zugestellt und die am 19. Dezember 1996 erhobene Berufung sei verspätet eingebracht worden, unzutreffend und nicht länger von einer Verspätung der Berufung auszugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Stempelgebühren, von deren Ersatz der Beschwerdeführer jedoch befreit worden war.

Wien, am 23. März 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998190014.X00

Im RIS seit

13.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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