S11 400093-1/2008/2E
ERKENNTNIS
SPRUCH
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde der K.S., geb. 00.00.1987, StA. Serbien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.06.2008, Zahl: 07 11.575 - EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
BEGRÜNDUNG
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.
Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.06.2008, Zahl: 07 11.575-EAST Ost, den Asylantrag der Beschwerdeführerin, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 Ungarn zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei.
2. Gegen diesen am 12.06.2008 der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin insbesondere der Ablauf der 20-Tages-Frist des § 28 Abs. 2 AsylG moniert wurde, sowie eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch das Nichteingehen auf die postoperative Versorgung der Beschwerdeführerin. Weiters bemängelt wurde die mangelnde Würdigung ihrer familiären Beziehung zu ihrem in Österreich lebenden Bruder iSd Art 8 EMRK.
3. Die Beschwerde langte am 07.07.2008 beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständige Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:
Rechtlich ergibt sich Folgendes:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Asylantrag am 12.12.2007 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBI. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 zur Prüfung des Asyl-antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Aufgrund der im Februar 2007 erfolgten Asylantragstellung bezieht sich in casu § 5 AsylG auf die Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II), da gemäß Artikel 29 leg. cit. diese Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten - dies ist der 01.09.2003 - gestellt werden.
Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungs-bereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
Es ist daher zunächst zu überprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO zuständig ist oder die Zuständigkeit bei ihm selbst nach dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO (erste Asylantragstellung) liegt.
Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt grundsätzlich zwar zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Ungarns gemäß Art.9 Abs. 2 Dublin II VO besteht. Eine solche Zuständigkeit wurde von Ungarn auch ausdrücklich anerkannt.
Nicht gefolgt werden konnte jedoch den Ausführungen zur Wahrung der Frist gemäß § 28 Abs. 2 AsylG. Ist aus dem Aktenvermerk vom 17.12.2007 noch der Hinweis auf eine Fristenhemmung aufgrund des stationären Aufenthaltes der Beschwerdeführerin zu entnehmen, wird im bekämpften Bescheid lapidar darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführer nicht am Verfahren mitgewirkt habe, ohne diese jedoch näher zu begründen, sodass die Erwägungen der Erstbehörde zur Fristenwahrung nicht nachvollziehbar sind.
Ebenfalls sind keine Erwägungen zu erkennen, in welcher Weise und aufgrund welcher Unterlagen die Erstbehörde zu der Ansicht gelangte, dass - trotz Anregung des Rechtsberaters zu näheren diesbezüglichen Nachforschungen - die postoperative Behandlung problemlos in Ungarn weitergeführt werden könne.
Darüber hinaus ist nicht erkennbar, weshalb in Punkt 4.1. der Bescheidbegründung die Feststellung getroffen wurde, dass eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Litauern nicht erkennbar ist.
Auch die Ausführungen zu Artikel 8 EMRK sind in sich nicht von ausreichender Schlüssigkeit und die Diktion erscheint ein wenig befremdlich.
2. Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde (sofern eine neuerliche Erlassung einer Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG beabsichtigt ist), gegebenenfalls nach Durchführung eines ergänzenden Beweisverfahrens klare und nachvollziehbare Feststellungen zu den vorliegenden Umständen zu treffen haben, auf welche Grundlagen sich die getroffene Entscheidung stützt.
3. Als maßgebliche Determinante für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 AsylG in diesem Zusammenhang ist die Judikatur zum § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen, wobei allerdings kein Ermessen des Asylgerichtshofes besteht.
Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084; ferner VwGH 21.09.2004, Zl. 2001/01/0348). Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt, wie dargestellt, keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung erlassen. Der Asylgerichtshof war auf Basis eines so gestalteten erstinstanzlichen Verfahrens praktisch nicht mehr in der Lage innerhalb der zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfristen (§ 37 Abs. 3 AsylG) eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.